© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/97  25. April 1997

 
 
Maastricht: Die PDS wechselt in das Lager der Euro-Gegner
Verteidiger der D-Mark
von Hans-Peter Rissmann

Jürgen Trittin, Bundesvorstandssprecher der Bündnisgrünen, ist fassungslos: "Nun ist es heraus. Die PDS will die D-Mark retten." Und: "Die neue gemeinsame Front der PDS mit den deutschen Haiders zur Verteidigung der D-Mark wirft die Frage auf, ob es nicht falsch ist, von Rechtspopulismus zu sprechen. Ist Populismus nicht immer rechts?"

Am vergangenen Wochenende fand im "Kongress Hotel" am Müggelsee in Berlin die 12. Tagung des "Forums der Neuen Europäischen Linken" (NELF) statt, an der 16 radikalsozialistische, links-grüne und kommunistische Parteien aus 14 Ländern teilnahmen. Im Anschluß an den Kongreß gab die gastgebende PDS auf einer Pressekonferenz bekannt, daß sie ins Lager der Euro-Gegner wechselt. Parteichef Bisky faßt den neuen Standpunkt zusammen: "Die PDS sagt Nein zum Euro und fordert einen Volksentscheid." Seine Partei hat einen entsprechenden Antrag zur Durchführung eines Volksentscheides eingebracht. Bisky kritisierte Sparmaßnahmen, die wegen der Einhaltung der Konvergenzkriterien durchgeführt würden. Der Integrationsprozeß in der Europäischen Union sei hochgradig undemokratisch. Die Bürger müßten über grundsätzliche Fragen der europäischen Einigung abstimmen können. Bisky befürchtete ferner, daß die bisher geplante europäische Einigung zu noch mehr Arbeitslosigkeit und Sozialabbau führe. Es dürfe keine Währungsunion geben, wenn nicht gleichzeitig eine Sozialunion geschaffen werde.

Bündnisgrünen-Sprecher Jürgen Trittin, alter K-Gruppen-Kämpe, sieht durch den Vorstoß Biskys den antinationalen Konsens der Linken zerbröseln, wenn er die "Ossis" schulmeistert: Die PDS spekuliere mit ihrem Euro-Konzept auf Vorurteile im Osten. "Jenen, die einst die Deutsche Einheit mit der Parole ’Kommt die D-Mark nicht nach hier, gehen wir zu ihr’ herbeigenölt haben (zu einem völlig überhöhten Kurs), fällt die Abschaffung der Mark besonders schwer."

In der Tat steht das Diktum des konkret-Herausgebers Hermann L. Gremliza zur Disposition, die Linke sei antinational, oder sie sei keine Linke mehr. Bislang hat sich die PDS offiziell auch an diese westdeutsche Lehre gehalten wie einst die KPD auf die Anweisungen aus Moskau. Die PDS ist antinational, oder sie ist nicht – so schien es. Schon 1994 fand eine Diskussion im PDS-nahen Neuen Deutschland unter dem Titel "Die Linke und die Nation" statt, in der über Wochen – ohne Ergebnis – um einen Standpunkt gestritten wurde (die JF berichtete darüber). "Ich sehe keine Möglichkeit (…) die soziale Frage jenseits der Nation oder im Gegensatz zu ihr konstruktiv zu beantworten." Dies schrieb am 22. Oktober 1994 im ND Peter Ruben, vormals im Zentralinstitut für Philosophie der Akademie der Wissenschaften der DDR tätig.

In einer Studie für die PDS-Bundestagsgruppe formulierten im Herbst vergangenen Jahres Ernst Lohoff und Norbert Trenkle vom "Institut für kritische Gesellschaftstheorie" Thesen gegen den Euro. Das Papier wurde bislang von der Öffentlichkeit praktisch nicht registriert. Die Autoren erklären, die europäische Einheitswährung beseitige "das letzte große Hindernis für eine grenzübergreifende Organisation der großen Unternehmen und Konzerne: das Wechselkursrisiko." Die Einführung des Euro werde "den Konkurrenzdruck innerhalb Europas enorm erhöhen", "nur wenige Regionen (’Produktivitätspole’), kleine Teile der Bevölkerung und einige weltmarktorientierte Unternehmen werden davon profitieren". Das Resultat werde "die enorme Verschärfung der regionalen und sozialen Diskrepanzen und die endgültige Zerstörung der nationalökonomischen und nationalstaatlichen Kohärenz sein". In der alleinigen Orientierung an geld- und fiskalpolitischen Eckdaten sehen die Autoren der Studie den Beleg für "die Abhängigkeit der Realwirtschaft und der Regierungen von den internationalen Finanzmärkten". Die Wirkungen des Euro werden als katastrophal bewertet: "Dies wird ständige zwischenstaatliche Konflikte schüren, die, wenn sie sich zuspitzen, zum Auseinanderbrechen nicht nur der EWU, sondern auch der EU führen können." Daß der Euro stark wie die D-Mark werden könne, halten Lohoff und Trenkle für eine Illusion, da der hohe Kurs der D-Mark "Folge einer starken Nachfrage nach DM-Schuldtiteln und DM-Anlagen sei. Werden diese Gelder im Vorfeld der EWU oder kurz nach ihrer Umsetzung abgezogen, reißt die D-Mark den Euro mit in den Abgrund." Kritisch werden die Euro-Befürworter auf der Linken bewertet: "Die links-keynesianische Vorstellung, daß eine europäische Währungsunion prinzipiell die Chance für eine europaweite wirtschafts- und sozialpolitische Regulation bietet, ist pure Illusion." Begrüßen die Euro-Kritiker beim "Bund Freier Bürger", den Republikanern, der "Liberalen Offensive" den Vorstoß der PDS? Heiner Kappel, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP im hessischen Landtag und Vorsitzender der "Liberalen Offensive" hält die PDS für ausgemachte Opportunisten. Kappel, der gerade einen Mitgliederentscheid in der FDP über den Euro zu erwirken versucht, meinte gegenüber der JF, es sei "nett von Bisky", daß er sich auf die Nationalliberalen in der FDP berufe, wenn er gegen den Euro antrete. Die eigenen Parteifreunde fordert Kappel auf, Schlüsse daraus zu ziehen, daß nun schon die PDS damit beginne, ihnen bei zentralen Themen das Wasser abzugraben. "Vielleicht hätte man ein bißchen früher daran denken sollen", so Kappel.

Gegenüber der JF äußerte der Bundesvorsitzende der Republikaner, Rolf Schlierer, die Forderung der PDS sei nicht neu. Schon März 1996 habe sie in einer Stellungnahme die Demokratiedefizite bei der europäischen Einigung beklagt und gefordert, den Katalog von Konvergenzkriterien noch um soziale und ökologische Kriterien aufzublähen. Das "Urheberrecht", als erste gegen den Euro angetreten zu sein, reklamiert Schlierer für seine Partei. Sie seien dafür als "Faschisten" und menschenverachtende Europa-Feinde beschimpft worden. Daß die PDS nun auf den Anti-Euro-Zug aufspringe, läge daran, daß damit gerechnet werde, daß Schröder SPD-Spitzenkandidat werde: "Dann ist der Euro der Wahlkampfschlager." Die PDS suche sich rechtzeitig eine Startposition im Schaulaufen. Schlierer meinte, daß seine Partei mit dem Thema Euro-Kritik den derzeit größten Zuspruch vermeldet.

Rolf-Dieter Gmeiner, stellvertretender Bundesvorsitzender des euro-kritischen "Bund Freier Bürger", meinte gegenüber der JF, es sei verwunderlich, wie lange es daure, bis es sich auch zur Linken herumspreche, wie unsozial die Einführung des Euro sei. Die PDS und ihr Umfeld müßten nun von der von ihnen bisher vertretenen Gleichung "Gegen den Euro gleich gegen Europa gleich rechtsradikal" Abstand nehmen. Der BFB erwartet nun auch einen ähnlichen Meinungswandel bei SPD und Gewerkschaften.


 
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