© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/97  09. Mai 1997

 
 
DGB als GmbH
Kommentar
von Bernd-Thomas Ramb

Was würde ein Unternehmer machen, wenn er feststellt, daß ihm immer mehr Kunden weglaufen. Nein, nicht zur Konkurrenz, denn die gibt es (noch) nicht. Er besitzt sozusagen ein Produkt-Monopol, kann aber die Kunden nicht zwingen, sein Produkt zu seinen Konditionen zu kaufen. Im Gegensatz zu einigen staatlichen Monopolen besteht nun einmal kein Zwang, das Dienstleistungsprodukt der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft zu erwerben.

Ein normaler Unternehmer würde versuchen, sein Produkt zu verbessern oder den Preis zu senken, – oder sein Gewerbe gänzlich beenden, um möglicherweise in eine andere Branche überzuwechseln. Zu all dem scheinen die deutschen Gewerkschaften nicht willig, zumindest aber nicht fähig zu sein. Also müssen sie mit kräftigen Kundenverlusten leben.

Allein im letzten Jahr hat der Deutsche Gewerkschaftsbund insgesamt 350.000 Mitglieder verloren. Im Jahr zuvor waren es sogar 400.000. Mit gerade noch 9 Millionen verbliebenen Mitgliedern steht er heute nur noch um eine Millionen Mitglieder besser da als 1990 – und das trotz der Basiserweiterung durch die Organisationswilligen der Ex-DDR, die den Mitgliederbestand kurzzeitig auf 10,3 Millionen hinaufschnellen ließen. Die Neuen aus den neuen Ländern kehren aber gerade in Massen den Gewerkschaften den Rücken. Um 11,6 Prozent ist dort die Mitgliederzahl gesunken.

Fast ein Drittel des bundesweiten Mitgliederschwunds geht auf Kosten der IG Metall. Auch die zweitgrößte Gewerkschaft, die ÖTV, verliert kräftig: 1996 mehr als 56.000 Mitglieder. Relativ betrachtet gehört die Gewerkschaft Textil-Bekleidung zu den Hauptverlierern. Mit einem um 7,5 Prozent gesunkenen Mitgliederbestand von 200.000 wird sie möglicherweise demnächst von der kleinen Polizeigewerkschaft überholt, denn die hat als einzige der 15 DGB-Mitgliedsverbändezugenommen – um stolze 0,3 Prozent. Wenn Gewerkschaften Aktiengesellschaften wären, müßte die Devise lauten: Schnellstens verkaufen oder den Vorstand entlassen. So bleibt nur die Flucht aus einer im Grunde nicht unnötigen Organisation, die es nur nicht gewohnt ist, in marktwirtschaftlichen Dienstleistungskategorien zu denken. So dürfte schon die Selbsteinschätzung als Dienstleistungsunternehmen die Klassenehre so mancher Gewerkschaftsfunktionäre verletzen. War doch gerade der Kampf gegen die – den Gegner Unternehmer offenkundig und einseitig bevorteilende – Marktwirtschaft ihr dogmatisches Fundament.

Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich sind nicht gerade die Dienstleistungen, die um Arbeitsplatz und Einkommen bangende Arbeitnehmer begehren. Mit der Ablehnung der Euro-Währung bewegen sich die Gewerkschaft schon eher in Richtung der Wünsche ihrer Kunden.


 
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