© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/97  09. Mai 1997

 
 
Währungsunion: Friedrich Romig über Europas politischen und ökonomischen Irrweg
"Der Euro als Schwindelsystem"
Interview mit dem Ökonom Friedrich Romig
Fragen: Jürgen Hatzenbichler

Herr Dr. Romig, Sie haben für das Maastricht-Europa und den Euro ein Horrorszenario aufgestellt und von Staatsvernichtung, Verfassungsvernichtung, Demokratievernichtung und vielem mehr gesprochen. Wird das wirklich so schlimm?

ROMIG: Das war kein Horrorszenario, sondern eine Prognose.

Was meinten Sie mit Staatsvernichtung, Demokratievernichtung, Verfassungsvernichtung?

ROMIG: Wenn, wie es Maastricht vorsieht, alle wichtigen Hoheitsfunktionen des Staates auf Brüssel übertragen werden, bleiben von den Mitgliedsstaaten nur noch der Name und eine leere Hülle übrig. Außen- und Sicherheitspolitik, "gemeinsame", d. h. Brüsseler Markt- und Wettbewerbspolitik, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Währungshoheit, alles wird abgegeben. Kohl will am liebsten einen Europäischen Bundesstaat, in dem die Eigenstaatlichkeit Deutschlands logischerweise aufgeht. Inzwischen hat die BRD sogar den nationalen Selbstmord in ihrem Grundgesetz als Staatsziel festgeschrieben: Mitwirkung an der "Vertiefung" der Europäischen Union durch Übertragung von Hoheitsrechten. Ist alles Vorgesehene übertragen, bleiben am Schluß der Regierung in Bonn nicht mehr Kompetenzen als bei uns dem Landeshauptmann von Tirol, und das ist ganz wenig. Die Bundesregierung hat dann nur noch zu administrieren, die Weisungen aus Brüssel zu vollziehen und Meldung zu erstatten. Und außerdem natürlich neue Steuern einzutreiben und Sozialabbau zu betreiben. Damit will sich Brüssel nicht schmutzig machen.

Die Bundesregierung vertritt doch immerhin noch die deutschen Interessen in Brüssel?

ROMIG: Wirklich? Tut sie das? Sie verleugnet doch geradezu die nationalen Interessen Deutschlands, schon der Begriff allein verursacht in Bonn Bauchschmerzen. Im nationalen Interesse würde es liegen, die Grenzen zu festigen und nicht aufzulösen. Ein Staat ohne Grenzen ist wie ein Körper ohne Haut, er zerrinnt, wird amorph, er kann kein Eigenleben entwickeln und verschwindet. Ein Staat ist doch geradezu definiert durch sein Territorium, auf dem er "Herr" ist, d.h. die Staatsgewalt ausübt. Es ist das ausgesprochene Ziel der EU, die Nationen zum Verschwinden zu bringen, "de détruire les identités des nations". Darum hat man sogar eine eigene europäische Staatsbürgerschaft konstruiert.

Sprechen nicht manche Staatsrechtler von der EU als einem staatsrechtlichen Gebilde sui generis?

ROMIG: Das mag schon sein. Fragen Sie mal Herrn Bangemann, was das ist. Er war schon bei der Errichtung des Gemeinsamen Marktes ganz stolz darauf, daß an 300 dazu von der Brüsseler Kommission vorgelegten Verordnungen, "die nationalen Parlamente nicht einen Beistrich ändern konnten". Brüssel übt Zentralgewalt aus, exekutive wie legislative Gewaltenteilung gibt es nicht mehr, die Demokratie ist abgeschafft, die Parlamente haben nichts mehr zu sagen. Das Europäische Parlament, da hat Ralf Dahrendorf recht, ist für jeden echten Demokraten nun wirklich nur eine "echte Beleidigung und Verhöhnung".

Welches sind denn eigentlich Ihre Bedenken gegen den Euro? Angeblich soll er mehr Stabilität, mehr Beschäftigung und bessere Ausgangsbedingungen im Welthandel bringen.

ROMIG: In der ersten Stunde jeder Vorlesung über Währung, Geld und Kredit lernt der Student, daß die staatliche Ordnung den Wert des Geldes bestimmt. Zerfällt die staatliche Ordnung, dann können Sie sich ihr Geld, ihren Euro, an die Wand picken. So war es mit der Mark nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg, mit dem Rubel nach dem Zerfall der Sowjetunion oder jetzt wieder mit Jugoslawien. Trotz aller Zentralgewaltallüren ist die EU kein richtiger Staat und sie wird es nie sein. Der Verfall ist vorprogrammiert. Maastricht bedeutet die Jugoslawisierung Europas! Auf Dauer lassen sich die nationalen Bestrebungen nach Unabhängigkeit und gegen Fremdbestimmung genausowenig wie im Kunststaat Jugoslawien unterdrücken. Die Völker unter einen Deckel zu zwingen, das ist nicht einmal dem Terror der KPdSU gelungen. Überall wurde Unabhängigkeit erkämpft, sich aus dem Kolonialstatus befreit, nur den europäischen Staaten will man ihre Eigenstaatlichkeit nehmen.

Garantiert nicht die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank den Wert des Euro?

ROMIG: Unabhängige Notenbanken hat es noch nie gegeben, auch die Bundesbank war es nicht. Ihr Spielraum hing von der Regierung ab, sie war immer Instrument der Politik, selbst dort, wo sie gegen die Politik opponieren durfte. Da war ihre Kritik zum Beispiel willkommen um die Budgetausweitung einzubremsen, Überforderungen des Sozialprodukts hintanzuhalten, die Wünsche der Ministerien abzuschmettern oder Erhöhungen der Löhne und Lohnnebenkosten zu vermeiden. Entscheidend war die Beeinflussung des Kreditvolumens durch die Währungspolitik der Notenbank im Zusammenspiel mit der Regierung. War die Zusammenarbeit eng, vernünftig und vertrauensvoll, dann wurde gute Wirtschafts- und Konjukturpolitik gemacht. Mit der gemeinsamen Währung wird dem Staat, der Bundesrepublik, das wichtigste Instrument der Wirtschaftspolitik aus der Hand geschlagen, sie kann keine Wirtschaftspolitik mehr unabhängig von Brüssel betreiben.

Das ist natürlich auch eine Frage der Macht.

ROMIG: Richtig! Das hat schon Amschel Meyer von Rothschild gewußt: "Gebt mir die Kontrolle über die Währung, und es ist mir dann ganz gleichgültig, wer die Gesetze macht!" Wer den Kredit beherrscht, der beherrscht den Wirtschaftskreislauf und entscheidet über die Wirtschaftsentwicklung. Wer den Kredit in der Hand hat, über seine Vergabe entscheidet, "gegen dessen Geheiß", das wußte schon Pius XI., "kann niemand auch nur zu atmen wagen", geschweige denn Gesetze machen. Jetzt lassen wir uns dieses Instrument aus der Hand nehmen und faseln dann noch über Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Verankerung der Vollbeschäftigung im EU-Vertrag.

An der Sammlung von Sparkapital durch die Banken und der Weitergabe an die Kreditnehmer ändert sich doch durch den Euro nichts?

ROMIG: Ausschlaggebend für eine Volkswirtschaft und ihre Entwicklung ist die Geld- oder Kreditschöpfung, und wer sie beherrscht. Das hat schon Hjalmar Schacht gezeigt. Die Bildung von Sparkapital ist die Folge der Kreditschöpfung, nicht umgekehrt. Von meinen Studenten verlange ich schon in den ersten Vorlesungen, daß sie sich eine Volkswirtschaft vorstellen, in der alle Zahlungen bargeldlos abgewickelt werden, durch Überweisungen von Konto zu Konto. Das entspricht inzwischen auch zu 95 Prozent der Wirklichkeit. Sodann lasse ich sie annehmen, daß das ganze Bankensystem aus einer einzigen Bank besteht. Auch das ist angesichts des Banken-Clearings nicht ganz abwegig. Und zum Schluß frage ich sie dann, wie sie die Entwicklung des Geldes erklären? Geld, Buchgeld, Giralgeld entsteht durch Kredit, durch Einräumung von (Über-) Ziehungsmöglichkeiten oder eben Kreditschöpfung. Und die Grenzen der Kreditschöpfung sind in der produktiven Kraft eines Volkes zu suchen, und die ist wieder ganz stark abhängig von staatlicher Ordnung, kreativer Begabung und dem Fleiß der Bevölkerung sowie der Arbeitsdisziplin.

Was bedeutet das für den Wert des Euro?

ROMIG: Alles! Wenn die französischen Arbeiter streiken oder die Italiener Ordnung durch die Erpresser-Mafia besorgen lassen, zahlen die Deutschen die Zeche. Wo immer Unordnung entsteht, weitab von Deutschland und Österreich, sinkt der Wert des Euro, der Sparer zahlt drauf, er wird auf kaltem Weg "enteignet". Wahrscheinlich merkt er es gar nicht. Er hat auch kaum bemerkt, daß schon auf dem Weg zum Euro die D-Mark oder der Schilling inzwischen schon gut 20 Prozent an Wert gegenüber dem Dollar verloren haben. Beide sind bereits weicher geworden. Noch bevor er da ist, ist der Euro bereits eine "weiche" Währung.

Da freuen sich die Exportindustrie und die Finanzminister.

ROMIG: Sie meinen, die Inflation zahlt deren Schulden? Da ist was dran. Wenn die EU zusammenbricht, sind die Finanzminister ihre Schulden los, auf Kosten der Sparer, der Anleihebesitzer. Die können mit ihren Euronoten, Staats- und Schatzanleihen ihre Wände tapezieren. EU und Euro als Schwindelsystem zur Entschuldung der Staaten. Möglicherweise ist das das einzige rationale Motiv der Classe politique.

Und über die Einführung des Euro darf das Volk nicht entscheiden?

ROMIG: So ist es. Das gehört zum Wesen unserer Scheindemokratie: In allen wesentlichen Lebensfragen wird das Volk nicht gefragt, da entscheidet die völlig abgehoben agierende Classe politique. Die Frage ist heute nur noch, wann die aufgestaute Wut losbricht, so wie in der DDR, und das ganze Lügenregime hinwegfegt. Und welche Form die Revolution annimmt: Wird es eine nationale, eine sozialistische oder gar eine national-bolschewistische Revolution sein? Der Zusammenbruch des ganzen EU-Schwindels steht für mich heute schon fest. Da führt kein Weg dran vorbei.

Dr. Friedrich Romig, Dozent für Volkswirtschafslehre und -politik der Wirtschaftsuniversität Wien, war rund zwei Jahrzehnte Planungschef des größten österreichischen Öl- und Chemieunternehmens und während der EU-Beitrittskampagne Europabeauftragter der Diözese St. Pölten (Bischof Krenn).


 
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