© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Sudetndeutsche: Die enge Anlehnung an die Regierungspartei war schädlich
Die Union verabschiedet sich
von Horst Rudolf Übelacker

Die Stimmung der Sudetendeutschen ist allmählich auf dem Siedepunkt angekommen. Für die erdrückende Mehrheit der Angehörigen dieser seit 1918 geschundenen und benachteiligten Volksgruppe war es einfach nicht vorstellbar, daß die Schutzmacht Deutschland sich – nach Geheimverhandlungen hinter dem Rücken der Betroffenen – zu einem Bündnis gegen die Sudetendeutschen entschließen und die von der CSU getragene Staatsregierung in München dem noch ausdrücklich zustimmen würde. Die Regierung in Bonn hat sich klar und unmißverständlich entschieden – rechtzeitig vor dem diesjährigen Sudetendeutschen Tag 1997 in Nürnberg. Dort wird Bayerns Ministerpräsident Stoiber kaum zu erklären vermögen, was aus seinen vier "Eckpunkten" vom Pfingsttreffen 1996 geworden ist, und der Bundeskanzler dürfte gut beraten sein, gar nicht erst den Versuch einer Erklärung der "Erklärung" zu wagen. Zur Wirkung der "Erklärung", die kein Vertrag ist, gleichwohl aber vertragliche Verpflichtungselemente enthält, hat ausgerechnet der Polnische Rundfunk am 21. Januar 1997 Überzeugendes ausgeführt: "Es ist noch nie irgendeinem Text gelungen, Versöhnung herbeizuführen.(…) In der Frage der Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen steht alles erst bevor."

Dies erscheint zutreffend, beantwortet aber in keiner Weise die naheliegende Frage: Warum wurde eine solche Erklärung auf Biegen und Brechen und (innenpolitisch) ohne Rücksicht auf Verluste (von Wählerstimmen) unter Bruch gesamtdeutscher Solidarität durchgeboxt? Sind wir bei dem Versuch einer Analyse wirklich so hilflos wie der Polnische Rundfunk, der die These wagt: "Niemand weiß, warum beide Seiten darauf bestanden haben, die Vergangenheit mit einer Erklärung zu bewältigen." Dem muß in aller Deutlichkeit widersprochen werden. Die Verhandlungsführer in Bonn und in Prag wissen es ebenso wie die Staatspräsidenten, die Parlamentspräsidenten, die Fraktionsführer der Regierungsparteien und diejenigen der Oppositionsparteien, womöglich sogar die interessierten Abgeordneten, auch wenn sie – wie die Vertriebenen-Mandatare – in Bonn in dieser entscheidenden Sache kein Rederecht erhielten. Die sudetendeutsche Seite hat trotz miserabler Unterrichtung durch Bonn und München wenigstens in Umrissen gesehen, was auf die Volksgruppe zukommt – und der Witikobund hat, zum Mißfallen zahlreicher Appeasement-Politiker und selbsternannter Versöhnler, vor dem drohenden Scherbenhaufen gewarnt. Heute hört man hinter vorgehaltener Hand: Der Witikobund hatte Recht! Wir sagen: Leider und bleiben wie bisher in der Verantwortung gegenüber unserer Volksgruppe und – im Mastkorb!

Warum nun haben "beide Seiten" auf der Erklärung bestanden? Weil

  • – aus tschechischer Interessenlage "die Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs" anerkannt werden sollen, Genozid, Vertreibung und entschädigungslose Konfiskation gewohnheitsrechtlich akzeptiert und der Weg nach Europa geebnet sowie neue Finanzquellen erschlossen werden sollen und weil
  • – aus Bonner Sicht, die nicht mit deutscher Interessenlage verwechselt werden darf, die Ostpolitik der Brandt (Bahr) / Scheel (Genscher) "vollendet", außenpolitischer "Ballast" abgeworfen und der weltweite Druck hin zu Verzicht und Reparation auf diese Weise scheinbar abgemildert werden könnte.

Da schien es sich gut zu treffen, daß die Erlebnis-Generation allmählich abstirbt und die Bekenntnis-Generation vielfach an Umerziehungs-Symptomen leidet. Nach Bonn-Münchener Einschätzung glaubte man wohl, die "Hardliner" ausgrenzen und auf die parteiliche Solidarität langjähriger Unions-Wähler ("Augen zu – CDU/CSU!") vertrauen zu dürfen. Nun hat die einheitliche Ablehnung der Erklärung durch die Volksgruppe das Establishment wachgerüttelt. Die Parteiführungen haben nach allen Anzeichen alle nur denkbaren Maßnahmen zur Schadensbegrenzung angeordnet. Für die enttäuschte und verbitterte Mehrheit kommt dies zu spät, weil die Glaubwürdigkeit zu Bruch gegangen ist. Da helfen keine weiteren Einschüchterungs- oder Ausgrenzungsmaßnahmen. Die Zeit ist nun wohl auch über den vom Bund stets hochgeschätzten Franz Josef Strauß hinweggegangen, der Kraft seiner Persönlichkeit und seinen überzeugenden Programms noch postulieren konnte: "Rechts von mir darf es keine demokratische Partei geben!" Seine Nachfolger und ihr Troß arbeiten mit Hingabe daran, daß sich die Aussichten für eine demokratische bundesweite Partei "rechts von der Union" gerade jetzt entscheidend verbessern.

Den deutschen Interessen würde es nicht nur guttun; es wäre angesichts der zunehmenden Verzichts-, Ausverkaufs, Umerziehungs- und Diffamierungsfortschritte zu Lasten unseres leidgeprüften Volkes und Vaterlandes geradezu existenz-rettend! Es ist nicht auszuschließen, daß kluge Köpfe in der Union dies so planen. Denn: Die Union hat sich als ernstzunehmende einzige Alternative zu einem rot-grünen Bürgerschreck-Bündnis nach zunehmender Überzeugung weitgehend überlebt. Die immer realistischer werdende Alternative heißt nun wohl: Bündnis deutscher Patrioten! So hätte selbst die "Erklärung" am Ende noch etwas Gutes!

Horst Rudolf Übelacker ist Vorsitzender des Witikobundes.


 
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