© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Freiheitliche Programmdiskussion: Warum es Jörg Haider gibt
Ist Ideologie wirklich obsolet?
von Rüdiger Stix

Ginge es nach den Medien, wäre die Karriere Jörg Haiders genau spiegelbildlich verlaufen: Der junge Jörg Haider bekam meist wohlwollende Zensuren. Keine Jubelnoten natürlich. Schließlich wollten die damals herrschenden Medien auch keinen wirklich schlagkräftigen Politstar Jörg Haider. Dennoch: Als Bundesobmann der Freiheitlichen Jugend waren die Kommentare keineswegs dramatisch schlecht. Auch nachdem Ferrari-Brunnenfeld den jungen Oberösterreicher als Parteisekre-tär nach Kärnten geholt hatte, und nachdem Haider als Kärntner Abgeordneter die Position des FPÖ-Sozialsprechers angetreten hatte – das Medienecho blieb meist wohlwollend. Jörg Haider galt in diesen Jahren – und auch in seiner Periode als Mitglied der Kärntner Landesregierung – durchgehend als liberal. Sein Medienbild schwankte zwischen "sozialliberal" und "linksliberal".

Nicht ganz zu Unrecht, wie viele meinen. Schließlich waren die sozialen Fragen stets Themen des Jörg Haider gewesen: Von seinem Einsatz für arbeitslose Lehrlinge als Jugendobmann, bis zu seiner Kritik an der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. Gleichzeitig war Jörg Haider von Jugend an glühender Verfechter der traditionellen liberalen Positionen: Grund- und Freiheitsrechte, von "Glaubens- und Gewissensfreiheit" bis zum "Selbstbestimmungsrecht aller Völker". Wenn man will, so kann diesen Wertekatalog auch als klassisch "national-liberal" bezeichnen, von der Aufklärung unter Joseph II. beginnend bis herauf zu Friedrich August von Hayek.

Nachdem Jörg Haider gemeinsam mit Norbert Gugerbauer am Innsbrucker Parteitag Bundesobmann der FPÖ geworden ist, kam es zu einer Image-Umwertung, die einen simplen Grund hatte: Daß nämlich Franz Vranitzky meinte, er könne als Sinowatz-Nachfolger viel ruhiger regieren, wenn er sich auf eine große Koalition stützte. Dazu mußte er den Vertrag mit der FPÖ in der Regierung brechen. Und um diesen Vertragsbruch schönzufärben, mußte ein Vorwand gesucht werden. Aus dem fast zwei Jahrzehnte lang sozialliberalen Jörg wurde der böse "Faschist, Rechtsextremist, Neonazi … etc."

Wäre es nunmehr nach dem veröffentlichten Medienbild Jörg Haiders gegangen, die FPÖ hätte vom Erdboden verschwinden müssen. Wie wir wissen, war das Gegenteil der Fall: Statt der Vernichtung began unter der Obmannschaft Jörg Haiders und unter seinem oft atemberaubenden Einsatz der Aufstieg zur Mittelpartei. Medien können zwar ein Thema hochspielen, diese Thematisierung gewinnt jedoch der, der auf dem Thema glaubwürdig ist. Übrigens: Auch Jörg Haider blieb seinen Grundsätzen treu. Liest man sein Bekenntniswerk "Freiheit, die ich meine", so ist Jörg Haider als klassischer Vertreter der national-liberalen Tradition in jeder Zeile festzumachen mit der für ihn typischen Ausrichtung auf soziale Fragen.

Zur Überraschung der freiheitlichen Sympathisanten gab es in der letzten Zeit dennoch zwei Vorstöße von FP-Funktionären, die sich von den Grundlegungen eines Jörg Haider, seien es nun die "Blaulichter" des ehemaligen Jugendobmannes, oder "Die Freiheit, die ich meine", weit wegbewegen. Dies war einerseits der Generalsekretär Walter Meischberger, andererseits der Nationalratsabgeordnete Ewald Stadler. Walter Meischberger meinte, das gültige Programm der FPÖ sei obsolet – die Zeit der Ideologien sei vorbei. Die FP-Sympathisanten teilten diese Meinung nicht. Sie beharrten darauf, daß ein Aufgeben der national-liberalen Grundsätze nicht nur unglaubwürdig seien. Ein derartiger Schwenk würde nur Spott und Hohn heraufbeschwören. Er würde auch vom Wähler nicht honoriert werden…!

Ähnliche Reaktionen löste Ewald Stadler aus. Bekanntlich befand er gegenüber den Medien: "die FPÖ wird christlich-sozialdemokratisch". Aus Niederösterreich wurde ihm entgegengehalten, man sei "für eine wehrhafte Demokratie, statt für wehrhaftes Christentum" und "die Amtskirche sei nicht gerade ein Vorbild an wehrhafter Demokratie". Aus Oberösterreich wurde überhaupt die Verschiebung des Programmparteitages vom 14. Juni in Wien urgiert. Die protestantischen Abgeordneten aus Steiermark, Kärnten und Salzburg applaudierten Erwin Hirnschall, dem "Stadler an einen eifernden Jesuiten der Gegenreformation erinnert."

Zwar gab es auch Zustimmung für Stadler. So betonte der "13te", ein Periodikum des römisch-katholischen konservativen Flügels stolz, daß sie "exklusiv den Programmentwurf" Stadlers präsentieren können. Der Rest der FPÖ-Sympathisanten, so wie der riesige und regelmäßig weiterwachsende Anteil an Wählern, die aus der Kirche austreten, die waren auf Profil und News angewiesen. Es war daher fast nicht mehr verwunderlich, daß die Wiener FPÖ – die vor einem halben Jahr mit Haider, Pawkowicz und Kabas über 200.000 (!) Wähler gewinnen konnte – in ihrer Landesleitung einstimmig (!) den Auftrag gab, für das 150jährige Jubiläum der Revolution von 1848 "die freisinnigen Traditionen" und "die verantwortungsvolle Position eines wertorientierten Ordoliberalismus" zu formulieren. Inzwischen ist Lehrbuchmäßig gekommen, was kommen mußte:

1. Ewald Stadler ist es gelungen, das "Christentum" zu thematisieren.

2. Diese Thematisierung nützt dem, der das Thema bei seinen Wählern glaubwürdig besetzt: der ÖVP, Seipl und Coudenhove-Calergi.

3. Alle Umfragen zeigen daher denselben Knick: FP stagniert in Irritation, VP erholt sich. Gratulation! Aber kehren wir nun zurück zu Haiders "Freiheit, die ich meine"!


 
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