© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Ostdeutschland: Deutsche Minderheit wird oft nur als ein lästiges Randproblem betrachtet
Bonner Schönredner am Werk
von Alfred Theisen

Auch wenn sich die Lage der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen seit Ende der 80er Jahre erheblich verbessert hat, werden den jenseits von Oder und Neisse lebenden Landsleuten noch zahlreiche Volksgruppenrechte vorenthalten, zum Beispiel mit Blick auf die offizielle Anerkennung der Muttersprache als Amtssprache, Selbstverwaltung im Kultur- und Bildungsbereich oder zweisprachige Ortsschilder. Für die maßgeblichen Bonner Politiker scheint die Situation der Deutschen jenseits von Oder und Neiße nur ein lästiges Randproblem der deutsch-polnischen Beziehungen zu sein. Die Bundesregierung zeichnet ein allzu rosiges Bild von der Lage der daheimgebliebenen Ostdeutschen, kürzt in diesem Jahr die ohnehin zu schwache finanzielle Unterstützung für die Deutschen Freundschaftskreise (DFKs) und läßt keinerlei Anstrengungen erkennen, für die Deutschen in der Republik Polen ähnliche Rechte durchzusetzen, wie sie für Polen in Litauen oder für deutsche Landsleute in Belgien, Südtirol oder Nordschleswig selbstverständlich sind.

Dabei belügt man sich in Bonn selbst, wenn erst die rechtlichen Voraussetzungen für eine Aussiedlung von Deutschen aus Oberschlesien weitgehend abgeschafft werden und man dann erklärt, eine Aussiedlung aus Oberschlesien würde nicht mehr stattfinden, was schließlich als Erfolg der spärlichen Hilfen an die deutsche Volksgruppe dargestellt wird. De facto hat die Ende der 80er Jahre einsetzende massenhafte Abwanderung von Jugendlichen aus der Republik Polen zwar nachgelassen – der größte Teil der Jugend hat die Region ja auch bereits verlassen –, sie ist aber noch längst nicht zum Stillstand gekommen. Eltern und DFK-Vorstände in den oberschlesischen Dörfern klagen noch immer darüber, daß viele Jugendliche ihre deutsche Staatsangehörigkeit nutzen, um auch ohne den Aussiedlerstatus in die Bundesrepublik umzuziehen und dort ihr Glück zu versuchen. Umgekehrt gibt es inzwischen zunehmend vor allem junge oberschlesische Aussiedler, die in der angestammten Heimat wieder unternehmerisch tätig werden, bei diesem begrüßenswerten Einsatz jedoch keine finanzielle Förderung durch deutsche oder polnische Stellen, zum Beispiel über die von der Bundesregierung geförderte "Stiftung für die Enwicklung Schlesiens" erfahren.

Seit Beginn der 90er Jahre genießen dagegen vor allem die Deutsch-Polnischen Gesellschaften (DPGs) seitens hochrangiger bundesdeutscher Politiker zunehmende Förderung. Dieselben Gesellschaften also, die vor der Wende im Osten zum Teil ganz offen mit den polnischen Kommunisten liebäugelten und sich an der Agitation gegen die vertriebenen Ostdeutschen beteiligten.

Zwar kommen mittlerweile in der Zeitschrift Dialog, dem Organ der DPGs, gelegentlich auch Vertreter der Ostdeutschen zu Wort, aber nur, wenn sie sich "linientreu" äußern und polnisch-nationalistischen Positionen das Wort reden, beispielsweise hinsichtlich der angeblich an die zwei Millionen Menschen umfassende polnische "Minderheit" in Deutschland. Äußerungen zur polnischen Schuldverstrickung in die Vertreibung, zu machbarer Wiedergutmachung für die deutschen Vertriebenen und deren Menschenrecht auf die Heimat sucht man vergebens.

Weniger Berührungsängste zeigen die Deutsch-Polnischen Gesellschaften hingegen beim Umgang mit polnischen Altkommunisten: So wurde auf einer Pressekonferenz in München sowie mittels einer Beilage in Dialog massiv für ein Buch Wojciech Jaruzelskis geworben, jenes für die Verhängung des Kriegsrechts Anfang der 80er Jahre verantwortlichen polnischen Premiers. Chef der DPGs ist der SPD-Außenpolitiker Markus Meckel; den Vorsitz im Kuratorium führt Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU). All diesen Realitäten der bundesdeutschen Politik zum Trotz sind es in Schlesien heute vor allem die vielen kleinen Erfolge in der Vereinsarbeit der Deutschen Freundschaftskreise, die den heimattreuen Oberschlesiern weiter Hoffnung machen: die Durchsetzung von Deutschunterricht an Kindergärten und Grundschulen, die Gründung von Volkstanz-, Kinder- und Jugendgruppen, von Chören und Orchestern, die aus eigener Kraft errungenen Wahlerfolge und auch manches erfolgreiche hartnäckige Pochen an Bonner oder Warschauer Türen.

Alfred Theisen ist Chefredakteur von einem Dutzend kleinerer ostdeutscher Heimatzeitungen, die im Würzburger Goldammer Verlag erscheinen.


 
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