© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Stasi: Briefbombenanschlag nach 42 Jahren aufgeklärt
Patriotsiche Kommunisten
von Walter Rudolf

Nach über 42 Jahren wurden in der vergangenen Woche im Saarbrücker Presseclub Täter und Anstifter eines fehlgeschlagenen, weil rechtzeitig entdeckten Briefbombenanschlages gegen den damaligen saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann entlarvt.

Mit der Enthüllung der "Arbeitsgruppe für die Aufarbeitung historischer Dokumente der ehemaligen DDR" ging gleichzeitig die Rehabilitierung des bislang verdächtigten Matthias Göbel einher. Der wirkliche Übeltäter ist der heute noch in Dessau lebende Alt-Kommunist Alfred Weise, der im Auftrag der Stasi den saarländischen Nachkriegs-Regierungschef Hoffmann beseitigen sollte. Göbel war in die ganze Angelegenheit nur deshalb hineingeschlittert, weil er nach seiner Übersiedlung in die DDR dem Ministerium für Staatssicherheit seine westdeutschen Ausweispapiere überließ.

Sind die Umstände des Attentatsversuchs nun geklärt, so bleiben, was die Motive der kommunistischen Auftraggeber anbelangt, noch Ungereimtheiten. Das Nachrichtenmagazin Focus gibt neben der genauen Bombenanleitung Auszüge aus einem Interview mit dem Attentäter wieder. Die Autoren bleiben allerdings bei der Motivsuche sehr vage. Alfred Weise alias "Agent Wenig" bekennt gegenüber den Münchner Journalisten, daß er die saarländische Regierung "in politische Nervosität versetzen sollte". Hoffmann sollte die Briefbombe "nur als schmerzliche Mahnung empfinden und sich bedroht fühlen". Über die Gründe, warum Johannes Hoffmann, der vor der ersten Saar-Abstimmung 1935 zu den wenigen christlichen Politikern gehörte, die sich mit Sozialdemokraten und Kommunisten in der "Einheitsfront" gegen die "Rückgliederung der Saar ins Reich" stark machten, von seinen ehemaligen "antifaschistischen" Weggenossen eliminiert werden sollte, gibt Focus nur einem nebulösen Erklärungsansatz: "Das rohstoffreiche Saarland zählte seit 1948 nicht mehr zu Deutschland, sondern besaß den Status eines Separatstaates. Erst 1957 (nach einer Volksabstimmung im Herbst 1955) sollte das 26.000 Quadratkilometer große Gebiet wieder deutsch werden. Diese bevorstehende wirtschaftliche Stärkung der Bundesrepublik löste im Osten Besorgnisse aus. SED-Chef Walter Ulbricht und sein Stasi-Chef Ernst Wollweber fürchteten sich vor der Chimäre einer zunehmend aggressiver werdenden ’BRD’".

Diese Version erscheint wenig einleuchtend. War es doch einerseits der Emigrant und Hitlergegner Hoffmann, der, aus dem brasilianischen Exil zurückgekehrt, als autokratischer Ministerpräsident die deutschgesinnten Parteien CDU, DSP (Deutsche Sozialdemokratische Partei) und den saarländischen FDP-Vorläufer DPS (Demokratische Partei Saar) unterdrückte und verbot und der andererseits ein "Ja" seiner Landsleute bei der Abstimmung über das Saarstatut, das zu einer "Europäisierung der Saar" geführt hätte, einforderte.

Hoffmann befand sich damit übrigens im Einklang mit Bundeskanzler Adenauer, der seinen eigenen saarländischen Parteifreunden mit der "Bochumer Erklärung" in den Rücken gefallen war, in der er die Saarbevölkerung zur Annahme des Saarstatuts ermunterte. Die Saar-CDU, die sich nicht mit dem Konstrukt eines französischen Vasallenstaates abfinden wollte, wurde allerdings vom Gesamtdeutschen Ministerium unter Jakob Kaiser (CDU) massiv finanziell unterstützt.

Zieht man noch die Ausführungen des Politikwissenschaftlers Gerhard Paul zur Haltung der saarländischen Kommunisten zum Saar-Statut heran, verliert die Focus-Version noch mehr an Glaubwürdigkeit. "Die Saar-Kommunisten, die nicht dem ’Heimatbund’", (bestehend aus CDU, DSP und DPS), "angehörten, bekämpften das Saar-Statut als Voraussetzung der Pariser Verträge und der damit möglich gewordenen Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO. Die KP versuchte, sich als ’Partei der deutschen Einheit’ zu profilieren. Fast sämtliche Plakate waren daher in schwarz-rot-gold gehalten. Die Kommunisten hofften, durch die Ablehnung des Status einen ’Beitrag zur deutschen Verständigung’ zu leisten, die sie durch den Eintritt der Bundesrepublik in den nordatlantischen Militärpakt in immer weitere Ferne gerückt sahen. Arbeiterfäuste umklammerten das schwarz-rot-goldene Banner und zerrissen Saar-Statut und Pariser-Verträge."

Nach Ansicht der Saarbrücker Zeitung, die eine einfachere, wenn auch nicht weniger glaubwürdige Erklärung liefert, war es "das offensichtliche Kalkül der Staatssicherheit den Deutschland-geneigten Funktionären der damals an der Saar noch verbotenen Parteien CDU, SPD oder DPS den Anschlag anzulasten".

Die Annahme, daß die Kommunisten die nationale Opposition mit dem Stigma des Verbrechens belasten wollten, um sich selbst als die bessere patriotische Alternative dem Wahlvolk präsentieren zu können, scheint daher gar nicht absurd zu sein. Einstweilen besteht jedoch zumindest über die Hintergründe noch Aufklärungsbedarf.


 
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