© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Premierenpleite: Giuseppe Verdis "Nabucco" in der Bonner Oper
"Was gibt’s denn da zu lachen?"
von Julia Poser

Eigentlich ist Verdis dritte Oper "Nabucco" eines ernste Geschichte. Für Gelächter sorgte jedoch am Premierenabend ein mit riesigen goldenen Flügeln bestückter Tänzer, der im Takt zu Verdis martialischer Musik flügelschlagend hinter König Nebukadnezar (Nabucco) als "Babylonischer Löwe" einherschritt. Über das Gelächer im Publikum erbost, rief Intendant Gian-Carlo del Monaco, der sich immer seltener um sein Haus kümmert, lautstark aus seiner Loge: "Was gibt’s denn da zu lachen?" Worauf er die Antwort erhielt: "Seit wann darf in der Bonner Oper nicht gelacht werden?" – "Amateure", schrie del Monaco wütend zurück und bekam sofort ein "Selber Amateur" zugerufen. Erneutes Gelächter! Diese "Nabucco"-Inszenierung, vom Intendanten vorher vollmundig als ein "wahres Premierenfeuerwerk" angekündigt, endete in einem einhelligen Proteststurm gegen den Chefregsisseur der Bonner Oper, Jurij P. Ljubimov. Der vierundachtzigjährige Exilrusse, der in sechs Jahren nur drei glücklose Inszenierungen ("Jenufa", "Pique Dame" und jetzt "Nabucco") auf die Bühne gestellt hatte, brachte nur noch laienhaftes Stehtheater zustande: Ein Tiefpunkt der Bonner Oper!

Der Ausstatter Josef Jackerson zog es sogar vor, sich erst gar nicht vor dem Vorhang zu zeigen. Seine bizarren Kostüme wie zum Beispiel hellblaue Ku-Klux-Klan-Gewänder für die babylonischen Priester und sein Einheitsbühnenbild blieben schwer verständlich. Vom Schnürboden herab hing eine bewegliche, tonnenschwere Schleife, die einmal den Tempel der Hebräer in Jerusalem darstellen sollte, ein andermal die hängenden Gärten von Babylon oder den Euphrat, an dessen Ufern die Hebräer ihr trauriges Los beklagen. Diese Szene mit dem berühmten Gefangenenchor "Va pensiero sull’ ali dorati" ("Flieg’ Gedanke auf goldenen Flügeln") wurde jedoch dank des machtvoll und großartig singenden Chor zum Höhepunkt des Abends.

Die Aufführung rettete der junge Italiener Renato Palumbo am Pult des Bonner Beethoven Orchesters. Temperamentvoll feuerte er die Musiker zu echter Italianità an. Er machte aber auch deutlich, daß der junge Verdi "ein Komponist mit Helm" ist, wie ihn Rossini einmal treffend beschrieben hat. Die überaus schwere Partie der intriganten Thronräuberin Abigail sang Kathleen McCalla mit totalem Einsatz. Neben Rache- und Wutausbrüchen gelang ihr auch eine ergreifende Sterbeszene. Mauro Augustinis mächtiger Bariton gab den Nabucco etwas zu gleichförmig. Ein Tenor namens Vincenzo Bello sang den Hebräer Ismael so schwach, daß der Kampf von zwei Frauen um ihn unverständlich blieb. Gut dagegen Alfredo Zanazzo mit vollem Baß als hebräischer Priester Zacharias. Der bedauernswerte Tänzer des "Babylonischen Löwen" wurde im Pausengespräch als "Bonner Pleitegeier" bezeichnet, aber ein Kenner meinte: "Lassen Sie den Geier weg, dann stimmt’s."


 
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