© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Schwitzender Bundestag
Lockerungsübungen
von Karl Heinzen

"Sie können nur dann gut Tennis spielen, wenn sie alle Probleme vergessen", riet Günther Bosch den "gestreßten Politikern", die sich die Zeit zum Tennistreff mit dem Entdecker von Boris Becker genommen hatten. "Die Antwort", so meldet die Fachzeitschrift "Sport im Parlament", "war einhellige Zustimmung". Wie die aktuellen Umfrageergebnisse vermuten ließen, waren es vor allem Unionsabgeordnete, die sich beim Aufschlagtraining mächtig ins Zeug legten, so daß "Politikerschweiß in Strömen floß". Anders als ihre Kollegen des deutschen Profifußballs können sie nämlich nach Auslaufen ihres Vertrages mit dem deutschen Volk zum Ende der Legislaturperiode keinen Paragraphen 11 ziehen. Sie müssen sich rechtzeitig nach einem neuen Verein umsehen.

Günther Bosch war dabei verantwortungsbewußt genug, ihnen nach lediglich drei Stunden des Probetrainings nicht verfrühte Hoffnungen auf eine Anschluß-Karriere auf dem Centre Court zu machen. Zufrieden war er dennoch: "Ich bin restlos überrascht, wie lernbereit und leistungswillig sie alle waren. Ich komme gerne wieder nach Bonn." Bereits am 11. Juli wird er dazu Gelegenheit haben. Außenminister Kinkel lädt zum "CD-Tenniscup Bonn ’97", und Günther Bosch wird zum "fröhlichen Einspielen" dabei sein. "Packende Begegnungen" erwartet Claus Stauder, der Präsident des Deutschen Tennisbundes und selbstverständlich Überraschungsgäste, für die die Wild Card parat liegt. Schön, daß dabei der gute Zweck nicht vergessen wird: Der Erlös kommt der Aktion CURA e.V. zugute, die, wie das Ressort des Gastgebers nahelegt, Ausländerfeindlichkeit bekämpft und von Ursula Kinkel geführt wird. "Die Namensgleichheit mit dem Bundesaußenminister", informiert "Sport im Parlament", "kommt nicht von ungefähr, beide sind miteinander verheiratet." Eine andere Gattin, Christiane Herzog, ist Schirmherrin des Bundestags-Golfcups, der bereits am 6. Juni im Westerwald ausgetragen wird.

Wer sich auf dieses Ereignis, das den "sozialen Wert des Sports für alle gesellschaftlichen Gruppierungen deutlich machen" soll, vorbereiten möchte, für den hält Sport im Parlament die adäquate Empfehlung bereit: den Golf Club des Iles Borromées. In einem 18-Loch-Gelände kann man dort am Lago Maggiore noch dazu "auf Goethes Spuren" wandern. Je besser die Fraktionsvorstände die Entscheidungen ihrer Abgeordneten vorbereiten und je bewußter die Parlamentarier ihre Gestaltungsspielräume erkennen, desto mehr Verantwortung trägt die Sportgemeinschaft Deutscher Bundestag e.V. für Körperbewußtsein und Fitneß sonst leerlaufender Workaholics. Das Magazin "Sport im Parlament" rühmt sich nicht ohne Grund, "die beste Publikation im Deutschen Bundestag" zu sein. Es ist zugleich die ehrlichste.


 
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