© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Frankreich-Wahl: Robert Spieler über Regionalismus im Elsaß und die französischen Zentralisten
"Nur Le Pen hat was zu melden"
Interview mit Robert Spieler

Herr Spieler, Ihr politischer Werdegang verlief in ausgewiesen rechten Bahnen – vom Ordre Nouveau bis hin zum Front National. Haben Sie damit heute Probleme?

SPIELER: Grundsätzlich nicht. – Wieso auch? So richtig begonnen hatte mein politischer Lebensweg Anfang der 80er Jahre, als in Frankreich zahlreiche Debattier-Klubs entstanden. Ich organisierte einen solchen Klub im Elsaß, der vielleicht sogar der größte in der ganzen Region gewesen ist: das "Forum d’Alsace". Zu unseren Gesprächsabenden kamen zwischen 50 und 300 Personen, darunter politisch sehr unterschiedliche Leute wie etwa Raymond Barre oder Marcel Rudloff, der vor kurzem verstorbene Bürgermeister von Straßburg in der Zeit zwischen 1983 und 1989. Doch irgendwann, es war wohl 1983, verspürte ich zusammen mit einigen anderen aus dem Zirkel den unwiderstehlichen Drang, unsere Ideen direkt auf politischem Terrain umzusetzen. Wir hatten genug von diesen ewigen Gesprächen und spürten, daß es bitter nötig war, die Auseinandersetzung mit den ideellen Widersachern ernsthaft aufzunehmen. Vielen anderen reichte es jedoch vollkommen aus, wenn sie in der Woche zwei Stunden zum Klubabend kamen und dabei noch gut speisen konnten. Auf dem Nachhauseweg glaubten sie sich intelligenter als vorher und sonnten sich in dem Bewußtsein, wer weiß was gegen den Sozialimus getan zu haben.

Welche Bedeutung hatte für Sie die Geistesströmung der Nouvelle Droîte?

SPIELER: Natürlich war ich da auch ein wenig mit von der Partie und habe an mehreren Kolloquien mit Alain de Benoist teilgenommen. Ich war von 1979 bis 1981 in der Gruppe der Nouvelle Droîte in Straßburg – dem "Cercle Kléber" – aktiv. Da fand ich im großen und ganzen meine Ideen wieder, auch wenn mir manches zu radikal erschien. Schon mit sechzehn, siebzehn Jahren war meine Grundhaltung sehr streng europäisch und regionalistisch; dafür brauchte ich nicht erst die Lektüre der Ideen der Neuen Rechten. Zusammen mit anderen Klub-Leuten gründete ich dann jedenfalls die Partei "Alsace Renouveau". Bei den Kantonalwahlen 1985 bekamen wir immerhin zwischen 7 und 8 Prozent. Damals war es auch das erste Mal, daß der Front National im Elsaß eigene Kandidaten aufbot. Einige Wochen später kontaktierte mich ein alter Freund von der Uni: Gérard Freulet. Er sagte, daß der Front National jetzt dabei sei, im Elsaß richtige Parteistrukturen zu schaffen. Es würden dringend gute Leute gebraucht. Schon damals sagte ich, daß ich Le Pen zwar nicht persönlich kennen würde, daß mir seine Persönlichkeit aber nicht gefiele. Und einige seiner Ideen auch nicht: vor allem alles, was Französisch-Algerien betrifft und Indochina, jegliche Kolonial-Nostalgie also. Außerdem war ich eben seit jeher Regionalist. So sagte mir natürlich der zentralistische Nationalismus einiger FN-Funktionäre überhaupt nicht zu. Mein Freund Freulet erwiderte, ich solle doch keine Angst haben: Die alten Kolonial-Nostalgiker und Nationalchauvinisten beim Front National seien bald weg vom Fenster, dann kämen "wir Jungen" dran – Leute wie Bruno Mégret und Le Gallou zum Beispiel. Wir werden den Laden in die Hand nehmen. – "Warum nicht?" dachte ich. Schließlich war da noch mein Temperament: Ich liebe das Abenteuer, das Risiko, und so stieß ich zum Front National. Einfach war dieser Schritt nicht. Zunächst kündigte ich meine Stellung als Regionaldirektor eines großen Beratungsunternehmens. Als erster Kandidat auf der FN-Liste kam ich erwartungsgemäß als Abgeordneter nach Paris. Da habe ich dann die Wirklichkeit des Front National und seines Vorsitzenden Le Pen erlebt, der alles in der Partei bestimmt, während die anderen tatsächlich nichts zu melden haben. Sehr schnell hatte ich mich entschlossen, diese Partei wieder zu verlassen. Innerparteilich gab es oft Probleme, meine europäisch-regionalistischen Ideen zu verteidigen: Als ich zum Beispiel zwei Jahre später, also 1989, meine Liste in Straßburg als Front National-Kandidat "Strasbourg d’abord" nannte, da war das schon viel zuviel. Das Elsaß soll keinen selbständigen Platz in der Struktur der Partei besitzen, wurde mir signalisiert. Die Alleinherrschaft der Pariser Zentrale zeigte sich auch bei der Kandidatenaufstellung: Gegen meinen ausdrücklichen Wunsch wurde eine nicht aus der Oberrhein-Region stammende Kandidatin diktiert.

Sie sprechen vor allem strukturelle Differenzen an. Lassen diese sich auch auf die ideelle Ebene übertragen?

SPIELER: Die Unterschiede im Hinblick auf die Ideen waren für mich noch weitaus gravierender als mein Unverständnis gegenüber dem parteiinternen Zentralismus. Die Parteisymbolik ist bestimmt von der allgegenwärtigen Jeanne d’Arc sowie der rot-weiß-blauen Trikolore – den Zeichen des traditionellen französischen Zentralstaates. Auch mit einigen ultraliberalen Ansichten war ich keinesfalls einverstanden. So sprach ich mich vehement gegen eine Privatisierung des Fernsehens aus. Und warum? – Ich stamme aus Saargemünd bei Saarbrücken, der Heimat meiner Mutter. Mein Vater wurde im "Krummen Elsaß" geboren. Also bin ich halb Lothringer, halb Elsässer. Als Jugendlicher sah ich oft RTL und damit das, was diese Privatprogramme mit sich bringen: eine Flut billiger US-amerikanischer Serien und alles mögliche andere, was besonders blöd ist. Das ist aber die Logik dieser Privatisierungen und des Liberalismus insgesamt. Entscheidend ist das Diktat der Einschaltquote, andere Gesichtspunkte – ethische Kategorien – gibt es nicht. Im allgemeinen bin ich zwar überhaupt nicht für einen Staat, der alles reglementiert, aber die außerordentliche Macht des Fernsehens bedarf unbedingt einer staatlichen Kontrolle. Ein ultraliberales, vom Marktdenken bestimmtes Europa ist nicht mein Europa!

Was die Frage der Immigration von Ausländern angeht, da gibt es, liest man die Werbeschriften von "Alsace d’Abord", wenig Differenzen zum Front National. Oder?

SPIELER: Ich bin für das Wahlrecht der Europäer in Europa und gegen die Massenimmigration mit ihren katastrophalen Folgen. Die aktuellen Entwicklungen in Frankreich werfen natürlich ein besonderes Licht auf die ganze Dummheit der Idee des Kolonialismus im 19. Jahrhundert. Diese Ideologie ist übrigens zu wesentlichen Teilen eine linke Ideologie gewesen. Die Vorstellung von der Verbreitung der "Zivilisation" in anderen Erdteilen trieb damals vor allem auch die Sozialisten um. Konservative Kritiker waren es, die einwendeten, wir Franzosen hätten in diesen Weltgegenden nichts zu suchen. Was die Problematik der Immigration betrifft, so habe ich dieselbe Analyse wie Alain de Benoist, der sagt, die "immigrés" seien nicht für die Position verantwortlich, in der sie sich heute befinden. Man darf doch nicht vergessen, in welchem Ausmaß beispielsweise in den 1970er Jahren große französische Firmen Arbeitskräfte aus Algerien rekrutierten. Sie warben dort Hunderte und Tausende von Leuten an, die in ihrer Heimat oft zu den Ärmsten gehörten und eher wenig Kultur mitbrachten. Menschen, von denen man dachte, daß sie in Frankreich bestimmt nicht in die Gewerkschaften gehen würden und man sie daher mit Niedriglöhnen abspeisen könnte. – Das nenne ich die Kritik des Ultraliberalismus, der letztlich noch stärker als die Kolonialära die Verantwortung für die jetzige Misere trägt.

Ketzerisch gesprochen, haben Sie sich ja selbst in die von Ihnen kritisierte Welt der etablierten Parteien hineinbegeben, als Sie aus dem Front National ausgetreten sind: Infolge des Postenspiels der etablierten Kräfte sind Sie Vizepräsident des elsässischen Regionalrates geworden?

SPIELER: Ja, ich bin mit Hilfe von Hubert Haenel, dem Kandidaten der RPR, Vizepräsident geworden. In dem Kampf um die Präsidentschaft im Regionalrat habe ich im Gegenzug Haenel unterstützt. Aber er ist eben ein besonderer Mann, der selbständig denkt, echt europäisch und föderalistisch gesonnen ist und keineswegs immer dieselbe Meinung vertritt wie die Parteileitung in Paris. Leider hat trotz aller meiner Bemühungen, für Haenel zu werben, ein anderer das Rennen gemacht. Haenel ist vor dem dritten Wahlgang zurückgetreten. Mir wäre es lieber gewesen, das muß ich klar sagen, er hätte weitergemacht und wäre dann letztlich mit den Stimmen des Front National gewählt worden. Aber aus Paris kam ein Telephonanruf nach dem anderen, bloß nicht einen RPR-Regionalpräsidenten mit den Stimmen des FN wählen zu lassen.

Könnten Sie sich vorstellen, gesamtstaatlich Bündnisse einzugehen, etwa mit anderen regionalistischen Bewegungen?

SPIELER: Normalerweise sollte ich mit "ja" antworten. Aber meine Pläne für die nächsten Jahre sehen so aus, daß "Alsace d’Abord" bzw. "Mouvement Régionaliste Alsace d’Abord", das ist der Name, den wir heute bei Wahlen benutzten, im Elsaß weiter an Einfluß gewinnt. Solange, bis wir es durchsetzen können, daß das Elsaß als Region – sozusagen offiziell – mit anderen Regionen wie dem französischen Baskenland eine Zusammenarbeit im Sinne des gemeinsamen Einsatzes für mehr Föderalismus pflegt. Es hat keinen Sinn, wenn ich heute mit den Korsen, den Bretonen und mit den Savoyarden Kontakte auf Parteiebene aufbaue. Die Gefahren dabei wären für unsere Partei zu groß, da ich nie genau weiß, was diese Gruppen als nächstes machen werden und was gewissermaßen dann auch auf mich zurückfällt. Und welchen Sinn sollte es haben, morgen über solche Listenverbindungen Kandidaten in ganz Frankreich zu präsentieren? Nur die gemeinsame Idee des Regionalismus ist kaum ausreichend. Ich bin in dieser Frage absolut nicht einverstanden mit der Listenpolitik der elsässischen Autonomisten. Bei den letzten Wahlen in Straßburg zum Beispiel hatten diese mehrere Kandidaten auf der Liste der Linksradikalen präsentiert. Was soll das bedeuten? Es ist einfach unverständlich und undurchdacht, wenn die Autonomisten behaupten, die Einwanderer seien gar kein Problem und könnten ruhig bei uns im Elsaß bleiben. In ihrem Wahlprogramm steht folgendes: "Die Mohammedaner sollen ihre Moscheen bauen können. Und warum nicht dreisprachige Klassen (Französisch, Deutsch, Türkisch) im Elsaß?" Außerdem benutzen sie ein Wort, das man aus historischen Gründen heute hier einfach nicht benutzen kann: "Autonomismus". – Man darf ein Autonomist in Neu-Kaledonien sein, man darf sogar in Korsika Autonomist sein oder in Savoyen, aber im Elsaß Autonomist zu sein und auch die deutsche Vergangenheit des Landes in die Identität mit einzubeziehen, das geht nicht, wenn man politisch etwas erreichen will.

Tatsächlich sind die Ergebnisse der Autonomisten bei Wahlen ja sehr mager ....

SPIELER: ... Die elsässische Mentalität ist eben sehr kompliziert. Ich würde sagen, die Mehrheit der Elsässer ist für staatliche Autorität, sie sind absolut keine Revolutionäre. Das ist ganz klar! Sie wollen ihre eigene Identität verteidigen, aber sie sind keinesfalls für eine Revolution gegen Paris zu haben. Ich bin gar nicht einverstanden, wenn die Autonomisten nur ans Elsaß denken, quasi eine "Nation Elsaß" proklamieren. Das ist politische Romantik. Die Nation, das soll morgen Europa sein, mit all seinen Regionen. In dem Europa, das ich mir vorstelle, könnten einige dieser Regionen dann zusammen mit benachbarten Gebieten in Distrikte eingebunden sein. Beim Elsaß wäre ein engerer Zusammenschluß mit Baden denkbar, ohne daß dies einem Zusammenschluß zu einer einzigen Region gleichkäme. Letzteres ist heute noch nicht vorstellbar.

Man spricht bereits jetzt von der Region "Trirhena", die dann auch den Schweizer Kanton Basel einschließt.

SPIELER: Das ist ein Anfang. Aber man darf fürs Elsaß eines auf jeden Fall nicht vergessen: Wir haben eine gespaltene Identität, eine französische und eine deutsche; um das auszudrücken spreche ich gern von einer "rheinischen Identität" (une identité rhénane). Aber was man machen kann und sollte, das ist, um es mit einem Beispiel auszudrücken, ein Zusammenwirken in der Schulpolitik. Dort kämpfe ich für die Zweisprachigkeit ab der Grundschule. Aber wir haben hier Schwierigkeiten, ausreichend geeignete Lehrer zu finden. Warum also nicht Deutschlehrer aus Baden ins Elsaß holen? Und warum nicht auch französische Lehrer nach Baden entsenden? Für alles, was den Umweltschutz betrifft, gilt dies in ähnlicher Weise. Hier könnte eine einzige distriktweite Organisation entstehen.

Es scheint im Elsaß ein sehr großes Interesse der Eltern an diesen bilingualen Schulklassen zu geben. Welche Motive stehen dahinter: Ist es vor allem der Wunsch der Eltern, daß ihre Kinder sehr gut Deutsch erlernen, um im Berufsleben Vorteile zu haben, oder spielt auch die besondere Vergangenheit und Identität des Elsaß noch eine größere Rolle?

SPIELER: Ich muß leider ehrlich sagen, daß das wichtigste Motiv ökonomischer Natur ist. Und wenn ich für die Bilingualität werbe, dann sage ich auch nicht als erstes, daß wir unsere rhenanische Identität verteidigen müssen. Schließlich weiß ich, daß es viel effizienter ist, das andere Argument zu benutzen. Es gibt noch immer viele Gegner der Bilingualität. In Straßburg melden sich zahlreiche Eltern, die ihre Kinder in solche Klassen schicken wollen – oft vergeblich. Die Schwierigkeiten gehen weniger von den Schuldirektoren bzw. staatlichen Stellen im Elsaß oder in Paris aus, sondern ganz stark von der Lehrerschaft. Diese hat Angst, ein bißchen von ihrer Macht abzugeben und mehr arbeiten zu müssen. Oder sie sind aus ideolgischen, nationalistischen Gründen dagegen, manche auch aus purer Dummheit. Obwohl selbst Bürgermeisterin Cathérine Trautmann sich für die Zweisprachigkeit ausgesprochen hat, wurde beispielsweise 1995 keine einzige bilinguale Schule in Straßburg gegründet. – Wir haben da noch viel, viel, viel zu tun!

Aber ist die Zweisprachigkeit, die Sie anstreben, nicht eine ganz andere, eine neue Zweisprachigkeit im Vergleich zu der, die man bisher im Elsaß vor allem gekannt hat: d. h. Französisch-Hochdeutsch anstelle von Französisch-elsässischer Dialekt? Wurde bisher im öffentlichen Raum französisch gesprochen, in der Privatsphäre jedoch häufig noch der identitätsstiftende elsässische Dialekt, so sieht die Zukunftsperspektive ja wohl ganz anders aus. Die deutsche Hochsprache, die ja nicht mehr die Muttersprache der Leute ist, würde dann ganz auf den Gebrauch im Berufsleben – als Fremdsprache – beschränkt.

SPIELER: Ja, aber da die Kontakte von Firmen nach Deutschland groß sind, werden die Leute sehr häufig die Gelegenheit bekommen, deutsch zu sprechen. Was durch den zweisprachigen Unterricht von der Grundschule bis zum Ende der Schulzeit entstehen soll, das ist eine richtige Zweisprachigkeit. Und wenn man dann das Ziel einer guten Beherrschung beider Sprachen erreicht hat, dann kommt der Rest sehr schnell und sehr leicht wieder. Warum spricht man heute immer weniger Dialekt? – Weil man den Sockel der deutschen Hochsprache verloren hat. Man darf ja nicht vergessen, daß unsere Schriftsprache immer die deutsche Hochsprache geblieben ist. Ich denke, man muß nicht pessimistisch sein, aber ich bin mir natürlich auch bewußt, daß dieser Weg ungeheuer schwer ist!

Na, und dann gibt es ja noch diese Neigung, unbedingt die besseren Franzosen sein zu wollen, um ja nicht als ein bißchen "bôche" zu gelten?

SPIELER: Sicher, aber die Wahlanalysen zum großen Erfolg des Front National im Elsaß, die besagen, daß die Elsässer Angst vor Europa, Angst vor Deutschland hätten, die sind ganz falsch.

Und wie sieht Ihre Analyse aus?

SPIELER: Die sieht so aus, daß die Elsässer, die Le Pen gewählt haben, nicht für den Nationalismus votierten, nicht für Paris, sondern gegen die Masseneinwanderung und für mehr Ordnung.

Welches waren die Hauptthemen Ihres Mouvement Régionaliste Alsace d’Abord für die Wahlen zur Nationalversammlung am 25. Mai?

SPIELER: Nun, wir haben neben den zentralen Zielen "Europa der Regionen" und Bewahrung der spezifischen elsässischen Identität zahlreiche wichtige Forderungen gestellt: Verlagerung der bildungspolitischen Zuständigkeiten in die Region, Erhalt der eigenen, von Paris bedrohten und durch und durch gesunden Krankenkassen, Abschaffung der Doppelbesteuerung der Sozialabgaben von Grenzgängern, Dezentralisierung der Arbeitsbeschaffung durch Gründung eines regionalen Arbeitsamtes. Große Bedeutung hatte in den letzten Wochen unser Protest gegen den von Bürgermeisterin Catherine Trautmann geplanten Bau einer riesigen Moschee in Straßburg. An diese Moschee soll außerdem ein Institut zur Ausbildung mohammedanischer Priester angeschlossen sein, mit dem Ziel, einen "elsässischen bzw. französischen Islam" zu fördern. Diese Idee ist ein typisches sozialistisches Hirngespinst: Der Islam ist eine dogmatisch-erstarrte Religion, die solcherart Interpretationen nicht erlaubt. Ein "elsässischer Islam" kann nichts anderes als der ewige Islam sein. Zudem besteht die Gefahr der Ausdehnung der mit dem Staat in den Zeiten der Zugehörigkeit zu Deutschland geschlossenen Konkordate mit der katholischen, der reformierten, der lutherischen und der jüdischen Religionsgemeinschaft auf den Islam. Im Elsaß und in Lothringen werden, anders als im sonstigen französischen Staatsgebiet, die Pfarrer vom Staat bezahlt, und die Kindern erhalten Religionsunterricht in den öffentlichen Schulen. Ich habe vor kurzem eine Petition gegen diese leichtfertige Politik ausgelegt, die inzwischen schon über 3.000 Elsässer unterschrieben haben. Ansonsten haben sich weder die bürgerlichen Rechtsparteien noch der Front National gegen den Moscheebau eingesetzt.

Falls Sie als Kandidat nicht den zweiten Wahlgang erreichen sollten, werden Sie dann eine Wahlempfehlung aussprechen, und für welchen Bewerber wird diese gegebenenfalls ausfallen?

SPIELER: Mit Sicherheit werden wir in diesem Fall keine Empfehlung geben.

Und was ist, wenn ein Kandidat von Alsace d’abord den Einzug in die Nationalversammlung schafft: Wer kommt dort als potentieller Bündnispartner in Frage – die Linke, die Ihnen in Fragen der Regionalisierung und der Europapolitik nähersteht, oder die Rechte, mit der Sie hinsichtlich der Einwanderungsfrage mehr verbindet?

SPIELER: Wir sind frei von solchen Bindungen und wollen es bleiben. Die anderen Parteien – ob rechts oder links – haben das Elsaß zu oft übergangen, ja mißhandelt. Aber wenn morgen im Parlamente Gesetze vorgeschlagen werden, die für das Elsaß gut sind, so werden wir diese natürlich mit verabschieden. Aber ich denke, solange die verantwortlichen Politiker hier die Anweisungen ihrer gesamtstaatlichen Parteien befolgen und damit deren Interessen vertreten, wird das Elsaß schlecht regiert sein. Mein Ziel ist deshalb eine große, von der Mehrheit der Bevölkerung getragene elsässische Regionalbewegung, die sich ganz auf die Erfordernisse vor Ort konzentriert.

Zur Person:
Robert Spieler wurde1951 im lothringischen Saargemünd geboren. Nach einem Politikstudium in Straßburg ist er heute beruflich als selbständiger Leiter einer Firma zur grenzüberschreitenden deutsch-französischen Vermittlung von Fachkräften tätig. Nach seinem Einstieg in die Parteipolitik mit der Formation "Alsace Renouveau" Mitte der 80er Jahre war Spieler dann zwischen 1986 und 1988 für den Front National Stadtrat in Straßburg, Regionalrat und Abgeordneter der Region Bas-Rhin in der Pariser Nationalversammlung. Im September 1989 trat er aus dem Front National aus und gründete mit "Alsace d’Abord" (heute: "Mouvement Régionaliste Alsace d’Abord") eine eigene Partei. Die größten Wahlerfolge waren seitdem der Einzug in den Regionalrat 1992 sowie in den Straßburger Stadtrat sowohl 1989 als auch 1995. Zu den französischen Nationalratswahlen am 25. Mai kandidiert die Partei im Elsaß mit sieben Kandidaten und rechnet sich besonders gute Chancen in Straßburg und Hagenau (wo Spieler selbst antritt) aus.


 
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