© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "Telos"
Authentisches Amerika
von Ilse Meuter

Je nach Perspektive erscheinen die USA als Beschleuniger alles Revolutionär-Linken oder als größte gegenrevolutionäre Macht der Welt. Entscheidend ist allemal der Ort, von dem her die Bewertung vorgenommen wird. Liegt dieser etwa in Standortdeutschland 1997, nimmt die größte postindianische Demokratie sich – nach der Reagan-Wende der 80er Jahre sowie dem neoimperialistischen Bush-Triumph am Golf – wie ein parafaschistischer Moloch aus. Die ideenpolitische Szenerie der Weltvormacht erschließt sich freilich kaum der hiesigen Verfassungsschutz-Arithmetik, die antipolitisch als "Mitte" voraussetzt, was etwa angelsächsische Nationen durch echte Auseinandersetzung erst hervorbringen.

Telos ist ein Paradebeispiel für authentische politische Kultur: an ihrem 68er-bewegten Beginn vor dreißig Jahren standen Marcuse und Habermas Pate, heute dominiert der schmittistisch inspirierte Diskurs darüber, wieviel (Neo-) Liberalismus sich die Gattung Welt überhaupt leisten kann und ob nicht doch etatistische Korsettstangen unabdingbar sind, just um eben jene liberal installierten zivilisatorischen Standards im Interesse des Ganzen zu retten. Wer auch das Kommunitarismus nennen möchte, mag das so halten.

Typisch für die Arbeitsteilung der US-Gesellschaft ist der hohe Autorenanteil mit europäischer Zerebralsozialisation, unter diesen wiederum besonders viele jüdische Köpfe. Die Gelehrtenrepublik rekrutiert sich nach wie vor aus "kalten weißen Männern", pars pro toto: Gottfried Ulmen, Bendersky, Piccone, Tucker, D’Amico. Die New Yorker Telos-Rechte (zu unterscheiden von den White-House-Konservativen) steht in regem Austausch mit "Positionen und Begriffen" ihrer atlantischen Gegenküste, macht sich deren kulturkritischen Impetus moderat zu eigen, dann aber einen eigenen Reim auf die Lage.

Dabei bringt man Themen auf die Tagesordnung, die hierzulande immer noch tabu sind: Großraumordnung, Geopolitik, kulturelle Selbstbehauptung, Einwanderungsstop, nationales Interesse, Nouvelle Droite, Forschungsfreiheit, Minderheitenfetischismus, Parlamentarismus-Verfall, Rassenpolitik, Hypermoralismus.

Exzellent die internationalen Symposien, ausgerichtet vom Telos-Institut; auf dem jüngsten ging es unter anderem um einen Vergleich zwischen wilsonistischem und leninistischem Bureau-Demokratismus. Unter BRD-Bedingungen setzte man mit solcher Ranküne seine berufliche Existenz aufs Spiel. Die Ideologen der BRD haspeln ihr immergleiches teutozentrisches Bewältigungspensum ab, gedankenarm und ressentimentgeladen. – Amerika, du hast es besser! Macht macht frei. Hierzulande gehört es zum intellektuellen Repertoire, dem Denken Nordamerikas generell Oberflächlichkeit vorzuwerfen. Eine Sicht, deren Vorurteilshaftigkeit Telos unter Beweis stellt. Womit dieses Periodikum auf seinen gesellschaftlichen Kontext ebenso exotisch wirken dürfte wie die Süddeutsche auf echte Bayern.

"Telos" No. 107: "Beyond Modernism and Postmodernism. Populist Alternatives". 199 Seiten. Abo zu vier Heften: US $ 35. Telos Press Ltd., 431 East 12th Street, New York, N.Y. 10.009, USA


 
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