© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/97  13. Juni 1997

 
 
Parteien: Die Frankfurter CDU steht vor einem Führungswechsel
Konservative Bewerberin
von Werner Olles

Nach dem Rücktritt von Walter Wallmann als Kreisvorsitzen der Frankfurter CDU steht die Partei nun vor einer schwierigen Entscheidung. Als bislang einzige Kandidatin für den Vorsitz hat die Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach ihre Bewerbung angemeldet. Als möglicher Gegenkandidat gilt Stadtrat Udo Corts, der sich aber offiziell noch nicht geäußert hat.

Beide Kandidaten stehen für unterschiedliche politische Positionen innerhalb der Union. Die 53 Jahre alte Erika Steinbach, Vorsitzende der Frankfurter Frauenunion und stellvertretende Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, gilt als dezidiert konservativ. Udo Corts, Dezernent im Römer und Lieblingskandidat der sogenannten Findungskommission, die eine Empfehlung für den Nachfolger des aus Alters- und Gesundheitsgründen zurückgetretenen Walter Wallmann aussprechen soll, bezeichnet sich selbst gern als „alten 68er".

Die CDU-Basis hatte jedoch Erika Steinbach bereits mehrmals gegen den ausdrücklichen Wunsch des mehrheitlich von eher linken Unions-Funktionären beherrschten Siebener-Ausschusses den Vorzug gegeben. So gewann sie 1990 gegen eine Empfehlung des Parteivorstandes in einer Kampfabstimmung die Kandidatur für den Wahlkreis 140. Hier trat Erika Steinbach gegen ihren Intimfeind, den ultra-linken SPD-Politiker und Stasi-Intimus Dieter Dehm an und gewann haushoch. Frau Steinbach, die vor ihrer politischen Laufbahn als Violinistin beim Radio-Symphonie-Orchester Frankfurt sowie als Informatikerin beim kommunalen Gebietsrechenzentrum tätig war, trat Mitte der siebziger Jahre in die CDU ein. Von 1977 an war sie Stadtverordnete im Frankfurter Römer, bis sie im Dezember 1990 als direkt gewählte Abgeordnete nach Bonn ging. Seit 1994 ist sie Vize-Chefin der Frankfurter Union.

In etlichen Diskussionen mit Repräsentanten der Linken bewies Erika Steinbach, daß sie nicht nur über eine ausgezeichnete Contenance verfügt, sondern auch über ein hohes Maß an Toleranz und Standfestigkeit. Dies alles befähigte sie zur Führung einer modernen Großstadtpartei. Gleichzeitig ist sie als Konservative, die ihr Vorbild in Alfred Dregger sieht, nicht bereit, jedem modischen Zeitgeist-Schnickschnack, beispielsweise in der Drogenpolitik oder beim Ausländerwahlrecht, hinterherzulaufen.

Erika Steinbachs Chancen bei der Kandidatur um den Frankfurter CDU-Vorsitz stehen nicht schlecht. Ob und wie weit sie die Union in Frankfurt wieder näher an originäre CDU-Positionen heranführen kann, muß man abwarten. Immerhin wäre es ein deutliches politisches Signal für alle Konservativen in und außerhalb der Union.


 
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