© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 25/97 13. Juni 1997 |
||||
Otto Rahn: Kreuzzug gegen den Gral / Luzifers Hofgesind Auf den Spuren von Luzifers Hofgesind Rezension von Detlev Rose Tötet sie alle, Gott wird die Seinen schon herausfinden": Der Befehl des Erzabts Arnold von Citeaux läßt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Am 21. Juli 1209 wird die Stadt Béziers im französischen Languedoc dem Erdboden gleichgemacht. 20.000 Einwohner Ketzer und Katholiken, Männer, Frauen, Greise und Kinder sterben unter den Schwerthieben der Kreuzzügler, in deren Schlepptau der Abschaum halb Europas plündernd und sengend durch die Stadt zieht. Es ist der erste blutige Höhepunkt eines Vernichtungsfeldzugs der römischen Kirche gegen Glaubensabweichler, die Katharer. Der
Ketzerei wird diese vor allem in Südfrankreich verbreitete religiöse Bewegung nicht zu
Unrecht verdächtigt, ist doch die Quintessenz ihrer Lehre, daß die irdische Welt nicht
von Gott geschaffen sein kann. Gott so glauben sie ist Geist, ewig,
unveränderlich und vollkommen. Die irdische Welt und mit ihr der Mensch ist jedoch
unvollkommen. Unvollkommenes kann aber nicht von Vollkommenem verursacht sein. Mit dieser
Überzeugung müssen sie zwangsläufig bei den Vertretern des Kreuzes anecken. Besiegelt
ist der Untergang der Katharer, als sich der päpstliche Wille, den rechten
Glauben" mit allen Mitteln durchzusetzen, mit den Ambitionen des französischen
Königs vereint, dessen gieriger Blick auf den Wohlstand des von der Krone unabhängigen
Südfrankreichs gefallen ist. Offiziell ist das Ziel erreicht, als im März 1244 das
letzte größere Katharer-Kontingent auf der abgelegenen Pyrenäen-Festung Montségur nach
fast einjähriger Belagerung kapituliert. Vier der Belagerten sind in der Nacht zuvor mit
einer waghalsigen Fluchtaktion entkommen, in ihrem Gepäck haben sie einen
Schatz" nicht-materieller Natur, den sie in Sicherheit bringen. Dieser Schatz
soll später zum Hebel zahlreicher Spekulationen werden
1935 wird Karl Maria Wiligut, der Rasputin Himmlers", auf den in permanenten
Geldnöten steckenden Rahn aufmerksam. Nachdem er den Kreuzzug" verschlungen
hat, macht er Himmler darauf aufmerksam, dieser gibt sofort den Auftrag, Rahn nach Berlin
zu holen. Damit beginnt die NS-Karriere" des Katharerforschers. Im Frühjahr
1936 wird Rahn in die SS aufgenommen, Himmler holt ihn in seinen persönlichen Stab. Eines
seiner Arbeitsgebiete ist, Himmler bei seiner Ahnenforschung zu unterstützen. Daneben
arbeitet er an einem neuen Buch. Mit dem Titel Luzifers Hofgesind" erscheint es
im April 1937. Ganz im Gegensatz zu seinem wissenschaftlich-trockenen Erstling ist dieses
Buch eine flott und kurzweilig geschriebene Spurensuche, die in die Form einer
Reisegeschichte gekleidet ist. Es basiert auf den Tagebuchblättern des Autors und
vermittelt dasselbe etwas erweiterte Thema auf ganz lebendige Art. Sein Motiv verhehlt er
nicht: Meine Urahnen sind Heiden gewesen, und meine Ahnen waren Ketzer. Zu ihrer
Rechtfertigung sammle ich die Brocken, die Rom übriggelassen hat." Auf seiner
Sammeltour nimmt Rahn den Leser durch halb Europa mit, läßt ihn teilhaben an seinen
Erlebnissen, Gesprächen, Beobachtungen und Empfindungen. Und an den Überlegungen, zu
denen ihn seine jeweiligen Reiseziele inspirieren. In ihrer Gesamtheit ergeben die
historischen Exkurse einen fundierten, wenn auch in diesem Buch nicht wissenschaftlich
untermauerten Einblick in die Heiden- und Ketzergeschichte Europas. Luzifer"
ist bei Rahn übrigens nicht der Teufel, sondern der Lichtbringer, die lichte
Gottheit.Doch schon kurze Zeit nach dieser Veröffentlichung folgt der Karriereknick. Im
August 1937 wird Rahn in einem Verfahren schwer belastet, man wirft ihm ehrenrühriges
Verhalten, sprich: Homosexualität vor. Himmlers Gunst ist weg, auch eine geplante
Scheinehe bringt nicht den gewünschten Effekt. Zunächst zu den SS-Herbstübungen
eingezogen, wird Rahn im November 1938 zum Wachdienst ins Konzentrationslager Buchenwald
beordert, das wegen der Verhaftungen im Zusammenhang mit der Reichskristallnacht über
20.000 Insassen hat. Das war wohl zuviel für den von Zeitgenossen als liebenswürdig,
nervös und übersensibel beschriebenen Schriftsteller, im März 1939 scheidet er auf
eigenen Wunsch aus der SS aus. Sein Verhältnis zum Nationalsozialismus scheint Otto Rahn
sowieso recht pragmatisch gesehen zu haben, vor seinen ersten Kontakten zu Würdenträgern
der Partei äußert er sogar harsche Kritik. Einem französischen Freund schreibt er am
Jahresende 1934: Es ist für einen toleranten und großzügig denkenden Menschen
unmöglich geworden, sich in dem Land aufzuhalten, zu dem mein eigentlich so schönes
Vaterland geworden ist." Das Buch aus dem in Thüringen ansässigen Arun-Verlag schließt eine Lücke. Quasi als literarisches Überraschungsei enthält es die beiden grundlegenden Werke des Autors, voran geht eine von Herausgeber Hans-Jürgen Lange verfaßte biographische Studie, die das Leben des Katharerforschers erhellt und auch mit vielen hanebüchenen Legenden um Otto Rahn aufräumt, die nach Kriegsende vor allem in Frankreich kursierten. Enthalten ist ebenfalls eine umfangreiche Dokumentation des Rahnschen Briefwechsels. So solide sich der Biograph in die Thematik eingearbeitet hat, so schmerzlich registriert der Rezensent die Beschränkung auf Ereignis- und Wirkungsgeschichte. Der Mut zu etwas mehr Werkinterpretation" wäre gewiß belohnt worden. Otto Rahn: Leben & Werk, darin enthalten: Kreuzug gegen den Gral, Luzifers Hofgesind, hg. von Hans-Jürgen Lange, Arun-Verlag, Engerda 1996, 281 Seiten, geb., 68 Mark |