© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/97  13. Juni 1997

 
 
Genveränderte Soja, z. B.
Kommentar
von Bernd-Thomas Ramb

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Nein, gemeint ist diesmal nicht der drohende Euro, denn der fällt in den Bereich zur Realität erwachsener Horrorwesen, sondern ein schlicht gespensterhaft unsichtbares Etwas: gentechnisch modifizierte Lebensmittel. In der Diktion der Gegner auch als „genmanipulierte" Lebensmittel abgestempelt.

Die Zukunftstechnologie Gentechnik ruft bei den mit der Materie Unvertrauten eine ängstliche Abneigung hervor. Bei neuen und zudem komplizierten Techniken ist dies eigentlich die Regel. Auch die Dampfmaschine hat zunächst Angst und Mißtrauen, ob der möglichen gesundheitlichen Schäden hervorgerufen. Die im Deutschland des vorangegangenen Jahrhunderts bei der Bevölkerung langsam erwachsene Technikfreundlichkeit, ja sogar Begeisterung über die technologischen Fähigkeiten der Landsleute, ist in den letzten Jahrzehnten wieder in den Zustand der ängstlichen Ablehnung neuer Verfahren und Methoden zurückgefallen.
Der Umgang mit der Kernkrafttechnologie ist dabei nur ein Beispiel, wenn auch das spektakulärste. Bei der Gentechnik ist die Abwehrhaltung differenzierter, weil der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht auf die Vorzüge dieser Technik im Rahmen der Medizin verzichten möchte.
Im Lebensmittelbereich wird dagegen die Notwendigkeit, sich über die Nützlichkeit der Anwendungsmöglichkeiten Informationen zu verschaffen, weniger stark empfunden. Da ist es für viele bequemer, sich auf die „Vor"-Urteile einiger – entweder halbinformierter, oder aber gezielt interessenspezifisch arbeitender – Technikwächter zu verlassen.

Der genveränderte Sojabohnenanbau bietet ein Paradebeispiel dafür. Die Sojabohne ist die wirtschaftlich bedeutendste Ölpflanze der Erde und unentbehrlich für die Ernährung der Menschheit. Sie wird als Sojaöl und Sojaprotein in vielen Lebensmitteln verarbeitet, Sojaschrot als Viehfutter verwendet. Die Welternte betrug 1996 127 Millionen Tonnen, fast die Hälfte (62 Millionen) wurde in den USA angebaut, davon maximal 1,2 Millionen Tonnen (ein Prozent der Welternte!) mit der Saat „Roundup Ready". Diese genveränderte Sojasorte zeichnet sich durch eine geringere Anfälligkeit gegenüber dem Herbizid „Roundup" aus, das zur Unkrautbekämpfung gespritzt werden muß. Das neue Produkt unterscheidet sich also in Zusammensetzung, Nährwert und Verarbeitungseigenschaften nicht von den alten Sojasorten, erfordert dagegen einen geringeren Einsatz von teuren Pflanzenschutzmitteln und ist damit ökonomisch und ökologisch vorteilhafter. Damit könnten sich künftig einige Probleme der Welternährung lösen lassen. Aber das scheinen die saturierten Gegner der Gentechnik von ihrer politischen Speisekarte gestrichen zu haben.


 
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