© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/97  13. Juni 1997

 
 
Anti-Wehrmachtsausstellung: Proteste in Bremen fortgesetzt
Rangelei und Diskussion
von Ludwig Langner

Trotz heftiger Proteste aus der Bevölkerung, zuletzt in München und Frankfurt am Main, wird die umstrittene Wanderausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941–1944" in Bremen fortgesetzt. Während am Eröffnungstag des 28. Mai eine Spontandemo für die Ausstellung stattgefunden hatte, wurde eine von der NPD angemeldete Demonstration verboten.

Doch bereits am folgenden Wochenende gab es die ersten Protestaktionen: Vor dem Eingang der Ausstellung in der Unteren Rathaushalle verteilten am Sonntag etwa 20 Studenten sowie Reservisten Flugblätter sowie Gutachten und luden zur kritischen Auseinandersetzung mit den Thesen von Ausstellungsleiter Hannes Heer ein. „Auch in Bremen wollen wir jetzt den Kampf gegen eine pauschalisierende, unwissenschaftliche, und einseitige Darstellung der Wehrmacht durch diese Ausstelllung aufnehmen und uns für die Ehre unserer Großväter einsetzten", hieß es.
Einige Stunden vorher hatten die jungen Leute die Ausstellung besucht und sich den Führungen angeschlossen. „Wir wollten uns erst einmal selbst ein Bild von der Ausstellung machen und haben auch kritische Fragen gestellt." Schon während der Führungen kam es zu sehr erregten Diskussionen. Nicht nur an den großen reißerisch aufgemachten Fotomontagen ohne inneren Zusammenhang oder gar Erklärungen erhitzten sich die Gemüter ihrer Betrachter. So wurden zum Beispiel direkt neben einem wuchtigen Plakat mit am Galgen erhängten Unbekannten lachende Wehrmachtssodaten beim Essenfassen mit an einem langen Stock aufgehängten Hühnern gezeigt.
Die Flut der oft nur schonungslos den Krieg darstellenden Bilder hatte bei vielen Besuchern bereits ihre volle emotionalisierende Wirkung entfaltet. „Wie kann man denn die Wahrheit angesichts solcher grausamen Bilder leugnen?" fragten aufgewühlte Besucher verständnislos. „Auf dem Bild kann man doch alles genau erkennen." Daß zu den meisten Bildern und Texten die Quellenangaben, Ort, Zeit und Zusammenhänge vollständig fehlten, schien unter diesen Umständen unwesentlich geworden zu sein. Die „Realität der Bilder" war Beweis genug.

Entlarvend bei den durch die Ausstellung führenden Studentinnen war ihr geschichtliches, völkerrechtliches und militärisches Halbwissen. So wurde etwa die Ansicht vertreten, daß der Partisanenkampf in der Sowjetunion und auf dem Balkan rechtmäßig gewesen sei. Keine Erklärung zum heimtückischen völkerrechtswidrigen Kampf der Partisanen aus dem Hinterhalt als Zivilisten. So zeigte sich bald auch die erste Wirkung bei einem Besucher, der schwärmerisch den Partisanen seine „größte Bewunderung" aussprach. Aber auch ehemalige Wehrmachtsangehörige mischten sich in die Gespräche ein und berichteten von ihren Kriegserlebnissen. „In unserer Einheit hat das hier Dargestellte jedenfalls nicht stattgefunden."

Konservativer Verein plant Gegenausstellung

Auch während des Verteilens der Flugblätter vor dem Rathaus konnte man die unterschiedlichsten Reaktionen und manche engagierte Diskussion miterleben. Einige Passanten mußten allerdings erst von den Verteilern davon überzeugt werden, daß man wirklich gegen und nicht für die Ausstellung sei. Von den Angehörigen der Erlebnisgeneration wurde den Studenten weitgehend Wohlwollen für ihren Protest entgegengebracht. Manches Mal wurden die Flugblätter aber auch grundsätzlich abgelehnt, zerknüllt oder zerrissen, so von einigen emotional aufgeladenen Besuchern der Ausstellung, unter ihnen bezeichnenderweise hauptsächlich Angehörige der Nachkriegsgeneration. Demgegenüber schienen angesprochene Schülerinnen und Schüler der Kritik eher aufgeschlossen zu sein und erklärten, sich „mal damit zu beschäftigen".

Nach etwa eineinhalb Stunden erschien dann eine sich durch ihre Fotografinnen schon angekündigte Handvoll „Autonome", die sofort versuchten, den Verteilern ihre Flugblätter gewaltsam zu entwenden und zu zerreißen. Eine Studentin ging dabei zu Boden, wurde aber nicht verletzt. Seitens der Chaoten flogen dann auch die Fäuste. Eine sich entwickelnde kurze Rangelei wurde aber umgehend von bereitstehender Polizei beendet. „Die Typen strahlen ja eine unheimliche Agressivität und richtig dumpfen Haß aus", meinte eine Jurastudentin. Nach Abzug der Radaubrüder, konnte die Verteilaktion bis in den späten Nachmittag hinein ungehindert fortgesetzt werden. Nun interessierten sich die Passanten erst richtig für die Flugblätter.

Der JUNGEN FREIHEIT liegen vertrauliche Informationen vor, daß eine konservative Hamburger Vereinigung in den nächsten Monaten mit einer bundesweiten Ausstellung an die Öffentlichkeit treten will, die über den Fall Reemtsma aufklärt. Man darf gespannt sein, ob die Rathäuser ähnlich freigiebig mit den öffentlichen Räumen umgehen werden wie im Falle der Anti-Wehrmachtsausstellun. Die JF wird darüber berichten.

Informationen: Götz Kubitschek, Zeppelinstraße 175, 69121 Heidelberg


 
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