© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/97  13. Juni 1997

 
 
Zitate

„Demokratie ist Volksherrschaft. Sie wird von vielen getragen, von vielen formal verantwortet. Meine Erfahrung ist: Demokratie wird von ganz wenigen Menschen gemacht. Die wenigen sind sehr mächtig. Was ich verlange, ist: Die gewählten Volksvertreter müssen ehrenhaft und uneigennützig arbeiten. Sie sind Treuhänder. Wie ein Vormund sich am Vermögen seines Mündels nicht bereichern darf, darf der gewählte Treuhänder der Volksmacht niemals in die eigene Tasche wirtschaften. Es gibt kein Parlament auf der Welt, in dem mehr als fünf Menschen das Sagen haben – bei den wirklich wichtigen Entscheidungen. Und es gehört zu meinen Lebensrätseln, wie man in einem freien Land frei gewählte freie Menschen dazu bringen kann, ihren Anführern wie auf dem Kasernenhof zu gehorchen. Wer sich auflehnt, wird bestraft, auch durch Nichtwiederwahl; wer sich im Gehorsam bewährt, wird belohnt und überlebt. Alle fordern den mündigen Staatsbürger, ich hatte oft Sehnsucht nach dem mündigen Parlamentarier."
Kurt Rossa, Ex-SPD-Oberstadtdirektor von Köln, im „Spiegel", 24/1997

„Noch nie hat eine deutsche Nachkriegsregierung so haarscharf am Rand des Staatsbankrotts herummanövriert. Noch nie wurde so unseriös gewirtschaftet. Selbst jahrzehntelange Stammwähler der Union, die sich alles andere als einen rot-grünen Regierungswechsel wünschen, sind schockiert und fragen sich, was unter Schröder wohl schlimmer kommen könnte. Auch die Ausrede mit den Kosten der Wiedervereinigung wirkt nicht mehr. Natürlich kostet es nach wie vor eine Menge Geld, die von den Sozialisten hinterlassenen Trümmer beiseite zu räumen. Aber der Kern der Misere ist ein anderer: Dieser Kanzler, diese Regierung, diese Koalitionsparteien – sie haben keine Kraft, falsche Weichenstellungen zu korrigieren. (…) Denn dieser Kanzler regiert nicht, er reagiert. Er wartet jeweils ab, bis ein Problem zum Himmel schreit, um dann bei anderen irgendwelche Lösungen anzumahnen. Eine Zeitlang wurde das Nichtstun eher positiv als Kunst des „Aussitzens" umschrieben. Heute weiß man, daß man zwar den Diätenstreit und Kurt Biedenkopf aussitzen kann, nicht aber ein paar Millionen Arbeitslose. Unerbittlich rächen sich frühere Versäumnisse."
Harald Neubauer in „Nation & Europa", Heft 6/1997

„Das Verhalten der Bonner Koalitionäre erinnert an die Standardszene amerikanischer Wildwestfilme, in der sich zwei Cowboys am Rand eines Abgrunds prügeln. Das geht im Kino so aus, daß einer abstürzt, während der andere, nach Atemringend und angeschlagen, oben stehenbleibt. Ein solches Happy-End mit Sieger kann es in Bonn nicht geben: Wenn das Koalitionsgerangel noch weitergeht, werden beide abstürzen. Diese Aussicht, so sieht es im Augenblick aus, ist das einzige, was Unionsparteien und FDP bewegen könnte, mit der Prügelei am Abgrund aufzuhören."
Günther Nonnenmacher in der „FAZ" vom 9. Juni 1997


 
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