© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Interview mit Bernhard Gratzer
"Niederösterreich hätte Chancen"

Herr Klubobmann, das Bundesland Niederösterreich, das seinen Regierungssitz in Wien hatte, hatte ja immer im Schatten der Bundeshauptstadt gestanden, in politischer Hinsicht zumindest. Seit dem Auszug der niederösterreichischen Regierung und des Landtags nach St. Pölten scheint man sich doch ein wenig zu emanzipieren.

Gratzer: Nach dem Auszug aus Wien ist es so, daß eine allgemeine Absicht besteht, das Landesbewußtsein zu stärken, das hat natürlich auch etwas mit der Landeshauptstadt selbst etwas zu tun. Wir sehen das auch durchaus positiv. Das ist gar keine Frage. Was wir von unserer Seite jedoch als Problem sehen, ist, welches Geld man da hineinpumpt, in einer Phase, bzw. in einem Jahr wie 1997, in dem man mit den großen Problemen der Familien- und Sozialpolitik zu kämpfen hat, in dem man nicht weiß, wie die Pensionen gesichert sind.

Meinen Sie damit, daß sich die "schwarzen" Landeshauptleute hier persönliche Denkmäler schaffen wollen und das Interesse des Landes eher zweitrangig ist?

Gratzer: Das kann man mit Sicherheit davon ableiten. Das konnte man auch schon am Beispiel der Donauuniversität, die Nachfolgeinstitution der Landesakademie, sehen, wo sich der Landeshauptmann, seinerzeit noch Ludwig, sein eigenes Denkmal gesetzt hat. Heute haben wir damit das große Problem, was in dieser Donauuniversität überhaupt passieren soll.

Jetzt steht Niederösterreich vor Landtagswahlen. Ob im Frühjahr 1998 oder allerfrühestens im Herbst 1997, werden die Freiheitlichen diese Kritik an der ÖVP-Landesführung landespolitisch dann spielen?

Gratzer: Mit Sicherheit wird sie das. Es wird sogar der Hauptkritikpunkt sein, weil in diesem Land genügend Geld vorhanden ist, wie ich es immer sage, aber nur, weil seine Bürger fleißig arbeiten. Vom Budget her hätte man so viele Möglichkeiten, etwas besser zu machen. Ich denke da an Verbesserungen der Situation in den Grenzregionen, aber auch an Verbesserungen im Bereich des Tourismus. Niederösterreich hätte die echte Chance, sich als Wintersportgebiet für die Bevölkerung der Ost-Staaten zu etablieren, weil das Preisniveau weit unterhalb der Regionen Salzburg, Tirol und Vorarlberg liegt.

Herr Klubobmann, zur FPÖ: Die niederösterreichischen Freiheitlichen waren ja früher ursprünglich eine relativ zu westlichen Bundesländern eher schwache Gruppe. Nun scheint es ja so, daß ähnlich wie in Wien, gerade im Osten Österreichs und damit in Niederösterreich, die Freiheitlichen nachträglich zur Bundesstärke aufholen. Wie sind denn ihre Aussichten für die Landtagswahlen?

Gratzer: Es ist richtig, daß wir organisatorisch im Eilzugstempo aufholen und die Landesführung die momentane Situation im Griff hat. Ich sehe, daß wir den Abstand, den es früher zu anderen Bundesländern immer gegeben hat, bei der nächsten Landtagswahl entsprechend verkürzen werden.

Was könnte das in Prozenten heißen?

Gratzer: Ich persönlich stecke mir immer hohe Wahlziele. Mein Ziel ist es, etwa 18 Prozent im Land Niederösterreich zu erreichen, denn ein Sprung von 12 auf 18 Prozent ist schon beachtlich.

Das habe ich mir vorgenommen. Konkret heißt das, ein zweites Mitglied in der Landesregierung zu haben. Das eigentliche, politische Ziel ist es dabei, das Brechen der absoluten Mehrheit der ÖVP in der Landesregierung.

Nun gibt es ja auf der politischen Gerüchtebörse immer wieder das Gerücht, daß Sozialisten in der nächsten Legislaturperiode gemeinsam mit den Freiheitlichen gegen die absolute ÖVP-Dominanz auftreten könnten. Wie sehen Sie das?

Gratzer: Das Gerücht wurde möglicherweise dadurch genährt, daß in Niederösterreich die Besonderheit vorherrscht, daß wir das Spiel der freien Kräfte haben. Das heißt, daß wir in dieser Periode tatsächlich Beschlüsse gegeben, rot-blau gegen ÖVP. Es hat wirklich wechselnde Mehrheiten gegeben, und da kann man das auch so sehen, daß man einmal gemeinsam mit der SPÖ stimmt.

Nun haben die Freiheitlichen sehr basisdemokratisch bereits jetzt in der Vorwahl Zeit, ihre Kandidatenlisten erstellt, oder sind noch dabei. Wie funktioniert denn das mit den Bezirkswahlkonvent und mit dem Landeswahlkonvent?

Gratzer: Wir sind das erste Bundesland, das diese Vorgangsweise gewählt hat, die wir uns ja eigentlich auf Bundesebene schon auferlegt haben. Und zwar werden in den Wahlkreisen, in Niederösterreich sind es 21, die Spitzenkandidaten basisdemokratisch gekürt, indem alle Parteimitglieder und Aktivkartenbesitzer eingeladen werden, um ihre Wahl abzugeben. In allen 21 Wahlkreisen hat sich dieses System als großartige Form der Kandidatenfindung herausgestellt.

Nun hat die niederösterreichische FPÖ einer Reformvorgabe der Bundespartei als erstes Folge geleistet. Wie ist denn insgesamt das Verhältnis zur Bundespartei auch im Zusammenhang mit etwa der gegenwärtig laufenden Programmdiskussion?

Gratzer: Niederösterreich hat sich immer durch eine starke Form der Loyalität ausgezeichnet. Es herrscht bestes Einvernehmen mit der Bundespartei. Es ist allerdings aber auch so, wenn jetzt die Parteiprogrammdiskussion abgesprochen wird, daß wir hier eine sehr offene Diskussion führen. Ich als Landesobmann treffe, genauso wie es der Bundesobmann auf Bundesebene macht, keine Vorgaben.

Nun gibt es in Niederösterreich eine sehr starke, klerikal orientierte ÖVP. Auf der anderen Seite, gerade von der Kirche her, auch Kräfte, die am ehesten den Freiheitlichen offen gegenüberstehen. Wie sehen Sie diese Wendung der FPÖ hin zu den Kirchen?

Gratzer: Global ausgedrückt könnte man das in Niederösterreich als durchaus positiv sehen. Man darf aber eines nicht vergessen, daß wir mit Bischof Krenn einen Mann haben, der auch in den eigenen Reihen seine Gegener hat, wie zum Beispiel Prälaten Fürsinn, der ihm scharfe Briefe aufgrund dieser Parteiprogrammdiskussion geschrieben hat.


 
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