© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Amüsantes Lob der Lächerlichkeit
von Thorsten Hinz

Eine charakteristische Szene: Abel Vichac, eine Mischung aus Woody Allen und Inspektor Columbo, hockt mit zerknittertem Gesicht und Trenchcoat in der Ecke und hat eine Pistole auf sich gerichtet. Seine Frau Aliette, die ihn wegen eines zwar erwiesenen, aber nicht bis zu Ende gebrachten Seitensprungs verlassen wollte, versucht ihm die Waffe abzunehmen. Abel verstrickt sie in eine Diskussion über die Lächerlichkeit des Lebens und fragt Aliette, ob sie sich nicht vorstellen könne, daß jemand sich umbringt, um eben dieser Lächerlichkeit zu entgehen. Aliette behauptet, seine Selbsttötung wäre noch viel lächerlicher, worauf Abel meint, wenn er sich jetzt nicht töte, würde er seine Lächerlichkeit auf den Gipel treiben. So würde es noch endlos weitergehen, wenn Abels alarmierter Bruder Thomas, der ihn für einen Verrückten hält, nicht just in diesem Moment Sturm läuten würde. Vor Schreck zieht Abel den Abzug, ein Schuß knallt, worauf Aliette in Ohnmacht fällt. Der akkurate, pedantische Thomas, der sich seine Liebe zu Aliette vor Jahren aus irgendeinem Grund versagt hat, holt zur definitiven Strafpredigt gegen den ob seiner Vitalität beneideten Bruder aus, doch der ist bald wieder obenauf und sagt dem Bruder, der auf die Frage, wann er zuletzt "gevögelt" habe, keine Antwort weiß, ins verkniffen-verbitterte Antlitz: "Wie du aussiehst! Das kommt davon, weil du dich immer zusammengerissen hast!" Aliette hat sich aus ihrer Ohnmacht erholt und wankt ins Zimmer, der gedemütigte Abel stürzt hinaus.

Es geht in diesem Film des französischen Regisseurs und Drehbuchautors Pascal Bonitzer ganz selbstverständlich um Eheprobleme, um die Beziehungen zwischen den Geschlechtern und den Generationen und um das enervierende "Immer wieder" im Leben. Und das mit einer Leichtigkeit, die den Zuschauer alle paar Minuten veranlaßt, mit dem Analysieren der intelligenten Wortwitze, Dialoge und Konstellationen aufzuhören und sich einfach köstlich zu amüsieren.

Der Philosophieprofessor Abel Vichac (hervorrragend dargestellt von Jackie Berroyer) ist eine sympathische Inkarnation zynisch eingefärbter Ironie und spielerischer Negation. Sein Spott trifft vor allem ambitionierte junge Männer, hinter deren Unbedingtheit er das Gefangensein in Konventionen erkennt, was ihm unendliche Möglichkeiten der Manipulationen eröffnet. Zwei Himbeer- und zwei Zitronentörtchen hat Bruno seiner Freundin Catherine mitgebracht, die gerade von Abel besucht wird. Der Professor wettet mit der Studentin, daß Bruno ein Zitronentörtchen essen wird. Er bedient sich selbst mit einem Himbeertörtchen und zwingt damit Bruno, der natürlich Catherine die Auswahl lassen will, ein ungeliebtes Zitronentörtchen zu nehmen. Solche Machtspiele lassen den nicht mehr jungen, tolpatschigen Professor mit schütterem Haar in den Augen seiner Studentinnen außerordentlich sexy aussehen.

Doch wie ist die unerträgliche Leichtigkeit des Seins auf Dauer zu ertragen? Catherine beweist ihm durch logischen Schluß, daß auch er sich verbiegt, wenn er sich über andere lustig macht (denn Abel mag Zitronen viel lieber als Himbeeren). Sein zuchtvoller, ernsthafter Bruder verkörpert auch keine lebbare Alternative. Schließlich klammert Abel sich selbst an Konventionen, denn als er die Pistole auf sich richtet, rechnet er fest damit, daß seine Ehefrau (traurig und stark gespielt von Valeria Bruni Tedeschi) das Eheversprechen ernstnimmt und ihm auch in schlechten Zeiten beisteht. Das tut sie, und so ist dieser zärtliche Chaot unterm Strich unendlich reich.


 
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