© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Tanz auf dem Vulkan
von Friedbert Rubin

Die Meinungsumfragen für die Union stehen schlecht. Wären bereits am nächsten Sonntag Wahlen, würde eine rot-grüne Koalition die Macht in Bonn übernehmen. In Bayern wäre die CSU-Alleinregierung wahrscheinlich vorbei, der bayerische Unionsteil müßte sich auf eine Regierungsbeteiligung - durch welche Partei auch immer - einrichten. Vorbei die Arrogranz der Macht, die Hybris des "50 Prozent plus X". Der CSU droht ganz konkret die neue, heilsame Formel "50 Prozent minus X"!

Woran dies liegt, muß nicht lange erklärt werden. Die Bonner Koalition hat Deutschland in die Staatskrise manövriert. In Bayern, wo "Saubermann" Stoiber unbarmherzig das Zepter der CSU-Alleinregierung schwingt, ist die Bund-Land-Wechselbeziehung besonders deutlich für alle geprellten Wähler: CSU-Chef Waigel ist auf der Parteischiene nicht nur der "erste Mann" in Bayern, sondern als Bundesfinanzminister zugleich und sehr maßgeblich der Garant für das Überleben der Kohl-Regierung. Auch hat seit Waigels "Griff nach dem Bundesbank-Gold" sein Ansehen als Finanzminister ernorm gelitten - damit aber auch die Akzeptanz der CSU bei den Wählern. Es rumort hörbar an der CSU-Basis!

Diese Gefahr erkennt CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber. Um sich aus dem Abwärtssog der EU-Neurotiker zu befreien, nimmt er Stellung gegen den weichen Euro. Auf diese Weise ist der Krach mit Kohl und Waigel zwar programmiert, zugleich aber mit der Hoffnung verbunden, die unverändert euroskeptische Wählermehrheit werde sich ein weiteres Mal täuschen lassen und der Stoiber-Partei - trotz Waigel - wiederum ihre Stimme geben. Nach dem Motto "Augen zu: CSU!". Das Kalkül ist leicht zu erkennen: Mit dem Mut der Verzweiflung muß Stoiber versuchen, Kompensationen für den zu erwartenden Wählerstimmenschwund zu erreichen. Dazu bietet sich als willkommene Wählerschicht das Potential der Sparer und der D-Mark-Verehrer an, die erst nach den Wahlen im Herbst 1998, nämlich zum 1. Januar 1999, mit dem Verklingen der Wahlversprechungen, in die rauhe Wirklichkeit der Euro-Einführung zurückgeholt werden sollen.

Seine Doppelstrategie: Wenn bundespolitisch Kohl und Waigel auf die Oppositionsbänke verwiesen werden, so will wenigstens "der schlaue Edi" in Bayern weiterregieren - am liebsten mit einer CSU-Alleinregierung, notfalls auch mit einer CSU-geführten Koalition. Da ist der "Preis" eines kalkulierbaren, vielleicht insgeheim sogar abgestimmten "Krachs" zwischen Kohl und Stoiber keineswegs zu hoch. Das Manöver Stoibers wäre dann nur Theater-Donner - vorausgesetzt, die enttäuschten Wähler bemerken dies bis zur Wahl nicht oder doch nicht rechtzeitig genug.


 
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