© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Die Hofburg im Visier
Max Andergaszt

Angeblich ist Jörg Haider der erste, der Thomas Klestils für das nächste Frühjahr anstehende Wiederwahl als österreichisches Staatsoberhaupt unterstützt. Nach Medienmeldungen habe der Präsident - wohlweislich in einem ausländischen, in Österreich wenig bekannten Medium - in einem Interview die FPÖ lobend erwähnt. Er lehne es ab, "daß man die FPÖ als neonazistische oder ultrarechte Gruppierung" bezeichne. Es gebe eben "viele Bereiche, in denen die Bevölkerung unzufrieden ist, und Haider klagt diese geschickt an und bietet Alternativen!"

Für diese Blumen habe sich der Oppositionsführer bedankt und Klestil seine Wahlhilfe angedeutet. Tatsächlich ist dem Staatsoberhaupt die freiheitliche Zustimmung wichtiger, als die Sorge um einen möglichen SPÖ-Konkurrenten um das höchste Staatsamt.

Die Sozialisten jedenfalls suchen nunmehr offensichtlich doch nach einem eigenen Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl im Frühjahr 1998. Der ehemalige Wiener Bürgermeister Helmut Zilk, stolzer Inhaber eines Notariatsakts, wonach er niemals Bundespräsident werden wolle, bestätigte nämlich, er habe da und dort von Gesprächen gehört, wonach die Sozialisten ihnen nahe Unternehmen vertraulich gefragt haben sollten, ob sie einen Wahlkampf für ihn unterstützen und finanzieren würden.

Ähnlich wie Zilk dementierte bisher auch Franz Vranitzky standhaft, für seine Partei in die Hofburg einziehen zu wollen. Insgesamt weiß man aber sehr wohl, daß in der SPÖ-Parteizentrale der Wunsch, wieder das höchste Amt im Staate für sich zu gewinnen, überaus stark ist, allzumal die Sorge herrscht, ein nichtsozialistischer Präsident könnte früher oder später im Falle einer Regierungsbildung nach Nationalratswahlen, die für die Sozialisten nicht so gut laufen könnten, Weichenstellungen gegen Viktor Klima zustimmen.

Diese Frage ist wohl auch für Oppositionschef Jörg Haider das zentrale Argument für das Verhalten der Freiheitlichen in der Frage der Präsidentschaftskandidatur: Einerseits hätte Haider bei einer Präsidentschaftswahl die Möglichkeit, einen weiteren Wahlerfolg für seine Partei zu schaffen. Die Aufstellung einer attraktiven Frau - seine geschäftsführende Obfrau Susanne Riess-Passer wird da immer wieder genannt - oder gar die Kandidatur eines Österreichers jüdischer Abstammung etwa von Peter Sichrovsky, böten Möglichkeiten, das freiheitliche Stimmenpotential auf etwa 30 Prozent anzuheben.

Andererseits aber wäre die Wahrscheinlichkeit für einen freiheitlichen Präsidenten nach wie vor unwahrscheinlich. Sollte jedoch Thomas Klestil nur mehr mit massiver freiheitlicher Hilfe für weitere Jahre zum Hausherrn in der Hofburg werden, könnte dies als wesentlichste Vorleistung für eine Einbeziehung Haiders in die nächste Regierungsbildung gesehen werden.

Thomas Klestil ist jedenfalls zur Wiederkandidatur entschlossen, als Kandidat der beiden Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP hätte er im Falle einer FPÖ-Unterstützung gewisse Schwierigkeiten. Sollte er aber nur Kandidat von ÖVP und FPÖ sein, hätte er zweifellos mit einem "Ampel-Kandidaten" von SPÖ, Grünen und Liberalen zu rechnen.


 
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