© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
"Viele kommen Aus der SPD"
von Dieter Stein

Herr Dr. Schlierer, Sie haben eben am Brandenburger Tor mit Ihrer Partei eine Kundgebung gegen die Einführung des Euro durchgeführt. Wird Ihnen das Thema nun durch Schröder und Stoiber abgenommen?

Schlierer: Ganz bestimmt nicht. Stoiber hat Angst vor einem Debakel bei der bayerischen Landtagswahl und versucht daher, sich eurokritisch zu profilieren, um nachher befehlsgemäß einzuknicken. Und Schröder hilft uns eher, indem er unsere Themen in die Medien befördert.

Bei der im September stattfindenden Wahl in Hamburg müssen Sie mit vier, fünf oder sechs anderen rechten Formationen rechnen.

Schlierer: Es sind über dreißig Parteien, die dort antreten wollen. Herr Frey wird wieder mit großem Aufwand dabei sein. Es gibt somit eine ernstzunehmende Konkurrenz. Aber wir wissen auf der anderen Seite, daß die DVU bereits per Rundsendung nach Kandidaten sucht. Das zeigt, mit welcher Basis diese Organisation vor Ort operiert. Wir machen dort unseren Wahlkampf und werden erhebliche Mittel einsetzen. Die gesamte Partei wird uns unterstützen.

Wenn man sich das personelle Angebot betrachtet, angefangen vom ehemaligen Mitglied der Weißen Rose, Hans Hirzel, der für eine Tradition steht, die man den Republikanern in der Regel nicht zutraut, dann ist festzustellen, daß Ihre Mitglieder aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen kommen. Haben Sie da nicht Schwierigkeiten, einen Konsens zu finden?

Schlierer: Es gibt in der Tat die Grundfrage, ob eine neue Partei, insbesondere in ihrer Aufbauphase, den programmatischen Rahmen enger spannen oder weiter anlegen soll. Ich bin der Ansicht, daß die Partei wohl beraten ist, wenn sie zwar ihr programmatisches Profil entwickelt, aber in bestimmten Fragen noch vorsichtig mit endgültigen Festlegungen ist. Gerade weil sie sonst Gefahr läuft, den zunächst noch einigermaßen offenen Bogen schon sehr früh zu verengen. In dem Moment, wo ich einen Akzent zu sehr herausstelle, laufe ich Gefahr, in der Partei etwas abzuschneiden, was ich durchaus noch repräsentiert sehen will. Ich bin der Überzeugung, daß die Partei über kurz oder lang stärkere programmatische Festlegungen treffen muß, und zwar deswegen, weil sie in dem Moment, in dem sie in die Phase der parlamentarischen Arbeit hineinkommt, zu Sachthemen auch Positionen beziehen muß. Das heißt, in dem Maße, in dem die Partei die Wandlung von der reinen Protestbewegung zur Programmpartei und dann auch zur Parlamentspartei vollzieht, muß sie sich auch zwangsläufig zunehmend festigen.

Heißt das nicht, das Pferd von hinten aufzuzäumen, wenn man sagt, man müsse erst dann über konkrete Positionen nachdenken und diese formulieren, wenn man Parlamentspartei ist?

Schlierer: Das ist Ausdruck eines typisch rechten Rigorismus: Die Vorstellung, man müsse zuerst ein festes Weltverbesserungsprogramm haben und dann in die Politik einsteigen, um dieses idealistische Programm umzusetzen. So ist die Welt aber nicht. Wir sind natürlich auch in der Vergangenheit nicht ohne Programm angetreten, aber wir haben im Laufe der Zeit lernen müssen, daß manches von dem, was wir uns programmatisch vorgestellt haben, der Wirklichkeit nicht standgehalten hat. In der Praxis hat man beständig die Abwägung zwischen visionärem Wunsch und realisierbaren Möglichkeiten zu treffen.

Manches, was wir uns vorgestellt haben, war irreal. Manches hat sich auch im Laufe der Zeit überholt. Insofern ist das für mich nicht ein "Entweder-oder", sondern das sind Prozesse, die durchaus gleichzeitig laufen. Man muß also eine gewisse Spannbreite in der Partei zulassen. Sonst sind wir wieder auf der Entwicklung, auf der übrigens die Rigoristen immer unterwegs sind. Diese Leute sind zum Schluß immer unter sich. Dann haben Sie vielleicht hundert Prozent Übereinstimmung in einer Partei ohne Zweifel, aber das kann meiner Ansicht nach kein Weg sein.

Endet dieser Kurs nicht in Beliebigkeit?

Schlierer: Dieses Problem stellt sich uns nicht. Das ist eher das Problem eines Jörg Haider, der es schafft, bisweilen die Positionen schneller zu ändern als das Outfit. Einen solchen Wechsel will ich nicht, weil ich meine klaren Vorstellungen habe. Ich habe aber auch gelernt, daß man sich selber ständig weiterentwickeln muß, weil man dazulernt und auch neue Einsichten für sich selber gelten lassen muß. Das heißt aber nicht, daß man sein Profil oder einen klaren Standort verliert. Dies würde unsere Partei auch nicht akzeptieren. Wir könnten nicht wie die FPÖ sagen, jetzt nehmen wir uns ein ganz anderes Segment vor und stutzen zum Beispiel einfach den alten nationalen Flügel.

Wenn sich Ihre Mitglieder nur einig sind, daß man den Ausländerzustrom verringern muß, ist das ein etwas magerer Konsens. Wenn Sie bestimmte Fragen offenlassen wollen, legen Sie sich doch eine Selbstbeschränkung auf.

Schlierer: Ich habe nicht davon gesprochen, daß bestimmte Dinge offengelassen werden, sondern ich habe darauf hingewiesen, daß eine Partei ein Organismus ist, der eine gewisse Entwicklung durchmacht. Ich habe auch ziemlich deutlich gesagt, daß die Partei zunehmend Festlegungen treffen muß und wird. Zum zweiten ist es eine sehr realitätsferne Betrachtungsweise, daß die Wahrnehmung einer Partei in der Öffentlichkeit ausschließlich davon abhängig gemacht wird, inwieweit bestimmte Positionen mehrheitsfähig oder repräsentiert sind. Wir stehen vor einem ganz anderen Problem. Im Moment sind wir noch nicht in der Lage - dank des weitgehenden Boykotts durch die veröffentlichte Meinung -, unser Profil überhaupt in die Öffentlichkeit zu bringen.

Über uns wird nur in ganz bestimmten Zusammenhängen berichtet, so daß wir nur mit bestimmten Themenbereichen assoziiert werden. Das kann paradoxe Effekte haben. Wir sind zum Beispiel bei den letzten Wahlen auch von Leuten gewählt worden, die glaubten, wenn das "Ausländerfeinde" sind, müssen die generell auch gegen Aussiedler sein. Unser Eintreten für Spätaussiedler haben diese Wähler gar nicht mitbekommen.

Hängt das nicht auch damit zusammen, daß Ihre eigene Akzentuierung auf bestimmte Themen eine falsche ist?

Schlierer: Nein. Ich kann das sogar quantifizieren und darlegen, zu welchen Themen wir wie oft Stellung nehmen. Durch die statistische Aufarbeitung der Plenararbeit in Baden-Württemberg kann man exakt zeigen, daß wir bestimmte Themen deutlich herausgestellt haben, die überhaupt nicht wahrgenommen werden. Uns wird in bestimmten Themenbereichen einfach keine Kompetenz zugewiesen, ergo werden wir in diesen Themenbereichen nicht wiedergegeben, wenn wir dazu Position beziehen.

Wann gibt es das erste deutsch-türkische Fest der Republikaner?

Schlierer: Es gibt etliche Ausländer, die inzwischen sagen, wir würden, wenn wir wählen könnten, euch wählen, weil ihr die einzigen seid, die diesem Staat eine Zukunft garantieren können. Deshalb feiern wir aber keine multikulturellen Feste. Das sind die abgehobenen Rituale einer politischen Klasse, die die eigentlichen Probleme im Lande gar nicht mehr wahrnimmt.

Welche Entwicklung wollen die Republikaner nehmen? Hin zu einer rechten FDP oder einer Partei mit sozialem Profil? Rechte Parteien in Europa gehen ja oft mit der sozialen Frage eher spielerisch um und verabschieden sich, sobald sie Erfolg haben, von ihren sozialen Forderungen.

Schlierer: Die Republikaner waren nie eine Partei, die sich als Anhängsel der CDU oder der FDP verstanden hätte. Das kann man sowohl an unseren Aussagen als auch an unserer Wählerklientel erkennen. Wir haben beispielsweise in unserer Hochburg Baden-Württemberg weniger CDU-Wähler als SPD-Wähler an uns gebunden. Der SPD gelingt es nicht mehr, diese Wähler zurückzuführen, und zwar gerade deswegen, weil diesen Leuten der Zusammenhang zwischen ihrer sozialen Situation und der Machbarkeit bestimmter sozialer Verhältnisse im nationalen Solidarrahmen entweder unbewußt oder bewußt klar ist. Wenn sich dieses Amsterdam-Europa verwirklichen sollte, laufen wir Gefahr, daß das gesamte soziale System kollabiert und damit wesentliche Grundlagen des Staates wegfallen.

Läuft Ihre Partei bei einer festen Etablierung nicht dennoch Gefahr, plötzlich inhaltliche Positionen aufzugeben? Wie stark gehören solche Positionen - wie zur sozialen Frage - fest zu Ihrem Selbstverständnis?

Schlierer: Diese Gefahr ist nur dann vorhanden, wenn sich eine Partei in ihrer Mitgliederstruktur in eine bestimmte Richtung entwickelt. Bei uns kann man eben nicht sagen, daß da von vornherein nur ehemalige CSU- oder CDU-Anhänger sind, sondern wir haben mindestens genauso viele, die aus der SPD kommen. Mag sein, daß da der alte Schumacher-Flügel repräsentiert ist, aber vor allem sind das Leute, die weder den typischen Kapital-Konservativen noch den strammen Wirtschaftskurs der CDU repräsentieren. Solange sich das innerhalb der Mitglieder- und der Funktionsträgerstruktur nicht in die eine oder andere Richtung verändert, sehe ich bei uns die Gefahr nicht, daß wir inhaltliche Positionen aufgeben. Bei uns steht die soziale Frage so stark im Vordergrund, daß das thematisch nicht weggedrückt werden kann. So ein paar Juppies von der FDP-Ecke hätten bei uns keine Chance.


 
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