© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Abschied ohne Wiederkehr
von Thorsten Thaler

Freiwillig ist Karl Friedrich Fromme nicht von Bord jener Zeitung gegangen, für die der Journalist 33 Jahre lang gearbeitet hat. Weil er vorigen Monat seinen 67. Geburtstag feierte, mußte der Ressortleiter Innenpolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) nach einer hausinternen Regelung zum 30. Juni aus den Diensten zwangsweise ausscheiden.

Für den renommierten Leitartikler ist die Abschiebung aufs Altenteil bitter. Er sei "abgewickelt" worden, sagt Fromme über seinen Abgang aus der FAZ, für die "neue Generation" im Blatt sei er "entbehrlich". Daß der im persönlichen Umgang introvertierte Fromme mit solchen Zußerungen sein Innerstes nach außen kehrt, scheint ihm dabei durchaus bewußt zu sein. Zu tief sitzt die Enttäuschung, verstoßen worden zu sein. Karl Friedrich Fromme - ein Ausgemusterter, der nicht mehr gebraucht wird und nicht mehr gewollt ist.

Seine ersten journalistischen Meriten erwarb sich der bei dem Verfassungsrechtler Theodor Eschenburg in Tübingen promovierte Fromme ab 1962 in der politischen Redaktion des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart. Zwei Jahre später wechselte er ins politische Ressort der FAZ, war von 1968 bis 1972 Korrespondent der Zeitung in Bonn und seit 1974 in der Zentralredaktion verantwortlicher Redakteur für Innenpolitik und Koordination. 1985 erhielt Fromme das Bundesverdienstkreuz I. Klasse, und erst im Mai dieses Jahres wurde er für sein Lebenswerk mit dem angesehenen Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet, der vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger jährlich verliehen wird. In der Begründung der Auswahljury heißt es, über mehr als 40 Jahre habe der Journalist in einem "rastlosen Einsatz" die innenpolitische und verfassungsrechtliche Entwicklung Deutschlands kritisch begleitet und der Öffentlichkeit veranschaulicht.

Jetzt also der Abschied ohne Wiederkehr, aber erhobenen Hauptes. Einer Reporterin der Woche vertraute Fromme an, daß er sich einen Empfang mit "verlogenen Reden" zu seinem Ausscheiden verbeten habe. Und im Gegensatz zu anderen Ehemaligen will er für die FAZ künftig auch nicht mehr schreiben. Statt dessen hat er bei der Neuen Osnabrücker Zeitung (Gesamtauflage: 314.000) angeheuert, für die der gebürtige Dresdner als Korrespondent aus seiner mitteldeutschen Heimat berichten wird.

Seit der politischen Wende in der einstigen DDR hat sich Fromme in besonderem Maße mit dem Vereinigungsprozeß sowie den politischen und gesellschaftlichen Umbrüchen, den Problemen bei der juristischen Aufarbeitung der SED-Diktatur und mit Fragen des Wiederaufbaus und der Sanierung von Kulturgütern beschäftigt.

Vor allem mit den politischen Unzulänglichkeiten beim Zusammenwachsen ist er hart ins Gericht gegangen. Kostproben: "Die Vereinigung brachte ein fremdes Parteiensystem über die Deutschen in der DDR. (-) Vor allem gehörte es nicht zu den Erfahrungen der vom Widerspruch bis hin zum Widerstand geprägten Bürgerbewegten, daß in Demokratien Politik eine Sache von Minderheiten ist, die man gewähren läßt, die man allerdings unter Aufsicht hält, daß die Freude an der Macht nicht zum Mißbrauch der Macht werde." (19. Dezember 1996)

"Für 'politische Auseinandersetzung' ist die mit 'Zwangsdiskussionen' hinreichend gequälte Bevölkerung der einstigen DDR noch weniger zu gewinnen als die Leute im 'Westen'. Dort ist der Staat zu einer Art Wohlstandsversicherungs-GmbH entwickelt worden, die jetzt verzweifelt um die Abwendung der Pleite kämpft. Von den Bewohnern der vergangenen DDR kann man nicht verlangen, daß sie, denen ein gewisses Nationalgefühl vermittelt worden war, wenn auch sozialistischer Prägung, nun über den gewonnenen Wohlstand hinaus sich mit den anderen Deutschen in einem gemeinsamen demokratischen Staatsgefühl zusammenfinden." (21. August 1996)

"Es ist ein Symptom des Standes der 'inneren Vereinigung' der Deutschen, daß die großen SED-Bonzen, daß ihre im vereinigten Deutschland gut untergekommenen Gefolgsleute sich derart ungeniert zu der alten Ordnung bekennen, die doch Revolutionär abgelöst wurde, indem sie von 'Siegerjustiz' sprechen. Daß die Mächtigen aus der DDR sich das leisten können, zeigt die (abermalige) Unvollständigkeit einer deutschen Revolution." (26. März 1997).

Über drei Jahrzehnte hinweg hat Fromme mit seinen Artikeln und Kommentaren die Linie des Blattes geprägt. Was für die einen Hochgenuß bedeutete ("Unseren täglich Fromme gib' uns heute"), war für seine linken und linksliberalen Widersacher eine unerschöpfliche Quelle steten Zrgernisses. Seine Gleichgültigkeit gegenüber den häufig wechselnden Moden des Zeitgeistes und seine Weigerung, vorherrschende Meinungen nachzubeten, setzten Fromme dem Verdacht aus, er unternehme zuweilen Ausflüge in rechte Denkgefilde.

Als im August 1994 der damalige NPD-Vorsitzende Günther Deckert vom Mannheimer Landgericht wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde, kritisierte Fromme die Urteilsschelte von Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger: "Hatte die Ministerin für den Augenblick vergessen, wie sorgfältig die Angehörigen der Exekutive es vermeiden und zu vermeiden haben, Kritik an einem Urteil zu äußern? Der Sprecher der Bundesregierung hat sich hier an den Comment zu halten." Zu den Aufgeregtheiten, die das Urteil auslöste, notierte Fromme kühl und sachlich: "Worum es hier geht, ist immer noch so schmerzlich, daß eine ruhige Betrachtung, wie man sieht, nicht möglich ist."

Wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Karl Friedrich Fromme und "seiner" FAZ zum Schluß gewesen sein muß, wurde am Dienstag dieser Woche deutlich, als das Blatt in ganzen neun dürren Zeilen sein Ausscheiden vermeldete. Erst im Juli vorigen Jahres hatte Fromme einen Leitartikel mit dem Satz eingeleitet: "Enttäuschungen in der Berufslaufbahn gibt es immer wieder -"


 
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