© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Kino: Katja von Garniers Film "Bandits" ist eine Frechheit
Durch den Weichspüler gezogen
von Thorsten Hinz

Der sogenannte Neue Deutsche Film der letzten Jahre ist Sache einer Handvoll immer derselben Regisseure, die zwei Handvoll immer derselben Schaupieler beschäftigten. Sie drehen temporeiche, harmlose Beziehungskomödien, die sich im mehr oder weniger edlen Ambiente abspielen. Daß ihre bewegten Gewässer seicht sind, wird deutlich, wenn sie auf ernsthaft oder melodramatisch machen: So ein Film war "Stille Nacht" (1996), in dem ein Pärchen aus unerfindlichen Gründen ausgerechnet in der Nacht vom 24. zum 25. Dezember Dauertelefonate zwischen Paris und Berlin führt, ohne sich bewußt zu sein, daß es mit seinem Seelenquark locker das monatliche Haushaltsgeld eines Arbeitslosen verplempert. Und der Film machte sich die Sicht seiner infantilen Protagonisten kurzerhand zu eigen.

Die Macher des Streifens "Das Leben ist eine Baustelle" haben sich aus dieser Sackgasse fortbewegt, indem sie Sujet und Thematik gewechselt haben und unter die West/Ost-Berliner Underdogs gegangen sind. Doch Katja von Garnier, die 1993 mit "Abgeschminkt" erfolgreich war, will nichts dazulernen. Unbeirrt geht sie in ihrem neuen Film "Bandits" die ausgetretenen Pfade weiter; nur das Tempo hat sie beschleunigt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Der Film ist eine Frechheit! Vier klischeehaft typisierte Frauen: die (scheinbar) eiskalte Karrierefrau, die verruchte Schwerkriminelle, die mütterliche Arsen-Mörderin und das männerverschlingende Dummchen, machen im Gefängnis Musik und werden als "Bandits" zu einem Polizeifest geladen. Bei dieser Gelegenheit fliehen sie, hinterlassen in Klubs ihre musikalischen Spuren, werden populär, berühmt, gefeiert, ihre Musik wird von Rundfunkstationen gesendet und auf CD gepreßt.

Eine einigermaßen plausible Handlung gibt es nicht, der Film ist eine Endlosfolge aneinandergereihter softer Videoclips à la MTV. Maßgeblich ist die Ästhetik des Werbefilms: Das beginnt bei den Sequenzen aus der Haftanstalt, die entsprechend der Anstaltkleidung sämtlich blaugetönt sind, das setzt sich fort beim Tanz auf den Häuserdächern, bei der Liebe im Schlammbad, der Polizeifalle auf der Brücke und endet beim allgemeinen Tanzhappening auf der Straße noch lange nicht. Die antibürgerliche Rebellion – etwas in dieser Richtung muß der Regisseurin wohl vorgeschwebt haben – ist die Fleischwerdung der Werbebilder, oder, was auf dasselbe hinausläuft, das Verschwinden des Menschen im Werbespot. An keiner Stelle wird die Spur einer ironischen oder wie auch immer gearteten Distanz sichtbar. Gegenüber dieser kunstgewerblich und affirmativ zelebrierten "Schönen neuen Welt" ist sogar der Knast human. Dazu paßt, daß Ex-Modell Werner Schreyer als Edel-Geisel figuriert. Er ist perfekt – solange er den Mund hält. Hannes Jaennicke als Fahndungschef gibt ein peinliches Abziehbild amerikanischer Film-Polizisten. Nur die großartige Jutta Hoffmann – die mit dem Arsen – macht aus ihrem Part eine Rolle. Bei Katja Riemann – der Intellektuellen– wird zwar manchmal sichtbar, was in ihr steckt. Trotzdem: Noch zwei solcher Filme, und sie ist bloß noch für deutsche Vorabendserien brauchbar.

Als nächstes, so die Gerüchteküche, wird Katja von Garnier einen Werbefilm für die GSG 9 drehen. Auch ein Zehn-Minuten-Spot für den neuen Rexona-Deo-Stick und ein Vertrag mit dem Hamburger Fremdenverkehrsamt sind schon unter Dach und Fach. Ihr heimlicher Herzenswunsch aber ist der Auftrag für das definitive Abschiedsvideo der "Backstreet Boys". Nach den "Bandits" darf sie sich Hoffnungen darauf machen. Wir drücken ihr die Daumen! Sie kann es!


 
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