© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Das Recht auf Heimat
Kommentar
von Peter Latussek

Es gibt wohl kein zweites Beispiel, das den Mangel an Interessenwahrung durch die deutsche Außenpolitik deutlicher erkennen läßt, wie die Unterlassung der Einforderung des Rechts auf die Heimat für die deutschen Heimatvertriebenen bei der Osterweiterung der Europäischen Gemeinschaft.

Das Recht auf Heimat ist ein Menschenrecht. Es existiert unabhängig von zwischenstaatlichen Vereinbarungen durch die es weder geschaffen noch abgeschafft werden kann. Das Recht auf Heimat ist das wichtigste der kollektiven Menschenrechte, deren Achtung die Grundlage für die Erhaltung des Friedens ist.

Daß Menschenrechte und Menschenwürde beachtet werden, darauf hat selbst jeder Verbrecher Anspruch, egal wie schwer sein Vergehen auch war. Die Heimatvertriebenen aber sind keine Täter, schon gar keine Verbrecher, sondern Opfer der Mißachtung eines Menschenrechts. Die Vertreibung der Deutschen besteht als fortwirkendes Unrecht, das nicht nur in der Gegenwart das Verhältnis zu den östlichen Nachbarn belastet, sondern auch in der Zukunft ein normales Zusammenleben erschweren wird. Der europäische Fortschritt im Zusammenleben der Völker wird an der Durchsetzung der Menschenrechte gemessen werden müssen. Bestimmt nicht an deren Mißachtung, auch dann nicht, wenn die Mißachtung gegenüber Deutschen erfolgt.

Daß die deutsche Außenpolitik die Anerkennung des Rechts auf die Heimat nicht vor der Aufnahme Polens und Tschechiens von beiden Seiten einfordert, ist unerklärlich. Das Selbstverständlichste auf der Welt, nämlich, daß die Politik eines Landes Interessenpolitik für das Land ist, ist in Deutschland offensichtlich nicht selbstverständlich. Ein solches Verhalten ist selbst bei wohlwollender Betrachtung deutscher Außenpolitik nicht zu tolerieren, da die Aufrechterhaltung eines Unrechts im Interesse der Vereinigung Europas unannehmbar und demütigend für die Betroffenen ist. Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit im zukünftigen vereinten Europa sind kein Ersatz für das Recht auf die Heimat. Wer dies als Ersatz anbietet, entrechtet bewußt die deutschen Vertriebenen.

Es kann Zeiten geben, in denen die Durchsetzung eines Rechts schwierig oder gar unmöglich ist. Es darf aber niemals Zeiten geben, wo die Rechte eines Volkes durch die eigene Politik nicht eingefordert werden. Das Recht auf Heimat muß eingefordert werden, bevor die Vertriebenen durch eine europäische Gesetzgebung endgültig zu Opfern der Geschichte gemacht werden.


 
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