© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Rheinland-Pfalz: Gewerbeansiedlung auf der grünen Wiese umstritten
Einmischung verbeten
von Ilse Meuter
 

Als Steigbügelhalter und parlamentarischer Libero des drögen Rudolf Scharping hatte er sich bewährt und durfte somit bei dessen Weggang nach Bonn in die Schuhe des Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz schlüpfen: Für dieses "schönste und schwerste Amt" (Bernhard Vogel/CDU) glaubt Beck sich mittlerweile von der sozialdemokratischen Vorsehung bestimmt, er führt das Land nach Gutsherrenart.

Hinter den Kulissen aber stinken die Dinge zum Himmel. Zunächst die personellen und finanziellen Altlasten der Ära Scharping, der dem Land die Verdoppelung der Belegschaft seiner Staatskanzlei hinterlassen hatte. Dann verließen die Amerikaner das Land, leider nicht restlos; seither antichambriert er in New York. Nicht etwa als Konkurrent der Bonner SPD-Oberbürgermeisterin Bärbel Diekmann beim Buhlen um so lukrative UN-Dienststellen wie das Wüstensekretariat oder das Paralympics-Commitee, sondern als Welt-Konversionsstandort Nummer Eins. Denn, so Beck bei der UNO, "da sind wir führend in der Welt". Tatsächlich tut sich bei der Umwandlung vormaliger US-Kriegseinrichtungen etwas ganz anderes.

Zuvor aber bleibt Kurt Beck Erklärungen dafür schuldig, wie es in seiner "Landtagskantine" zu Unterschlagungen in Millionenhöhe kommen konnte; Spuren weisen in Richtung Landes-SPD, Ministerien oder in Dienstellen seiner Kanzlei. Finanzlöcher von bis dahin unbekannter Größe tun sich im Haushalt auf, die freilich den Wähler, wie ein Blick auf das Nachbarland an der Saar zeigt, nicht davon abhalten werden, sich einer "konservativen" Haltung zu befleissigen: der BRD-typische Politstarrkrampf wird Beck wohl noch eine lange Weile im Amt halten.

Ein Paradestück der Beckschen "Rüstungskonversion" ist das umstrittene "Factory Outlet Center" in Zweibrücken; auf dem früheren US-Militärflughafen plant der Medienunternehmer Ralph Dommermuth aus Montabaur mit seinem Partner Erhard Pascher ein "Fabrikverkaufszentrum". Für das ambitionierte Projekt sind die beiden Jung-Unternehmer bereit, ein Investitionsvolumen in dreistelliger Millionenhöhe bereitzustellen. Die Westpfalz weist mittlerweile negative Spitzwerte auf, was Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsflaute anlangt; zur Abhilfe soll dort nach US-amerikanischem Vorbild das erste Verkaufszentrum auf der grünen Wiese entstehen, in dem Hersteller von Markenartikel ihre Ware zu günstigsten Preisen unter Umgehung des Zwischen- bzw. Einzelhandels direkt an den Privatverbraucher verkaufen.

Dagegen aber formierte sich bereits eine geschlossene Front vieler anderer Bundesländer; die Ministerkonferenz für Raumordnung sprach sich generell gegen diese Distributionsform aus, weil sie eine weitere Verödung der Innenstädte zur Folge haben wird. Becks Innenminister Zuber lehnte die Bindewirkung des Beschlusses ab. Die Mainzer SPD/FDP-Koalition sei entschlossen, das Projekt auf jeden Fall durchzusetzen. Auf einer Fläche von 48.000 Quadratmetern seien 160 Läden vorgesehen, raumordnerische Einwände seitens der Bezirksregierung gebe es nicht, überdies könne deren Entscheid nicht beklagt werden.

Was da im Grenzgebiet zu Frankreich nach den Vorstellungen Dommermuths entstehen soll, mutet gigantisch an. Eine der vier Säulen des Gesamtkonzepts ist das "Designer Outlet Center", daneben das Multimediazentrum, die Firmengründer-Agentur, einen Freizeit- und Erlebnispark sowie den Flugplatzbetrieb, der für die internationale Anbindung sorgen soll. Die Investoren gehen von 1.200 bis 1.500 Arbeitsplätzen aus, gut für eine Region mit rund 20 Prozent Erwerbslosenquote. Beck und Zuber verbieten sich die Einmischung Bundesminister Töpfers; auch er befürchtet das weitere Abfließen von Kaufkraft aus den ohnehin stark gebeutelten Kommunen, dazu entstehe ein höheres Verkehrsaufkommen mit negativen Umweltauswirkungen. Im Saldo, so Töpfer, würden doppelt soviele Stellen vernichtet wie neue geschaffen. In niedersächischen Soltau sei ein derartiges Outlet-Center bereits aufgegeben worden.

Zuber hält dem entgegen, daß der Bund sich mit keiner Mark an den Konversionsbemühungen des Landes beteiligt habe, 3,5 Milliarden Kaufkraft seien verloren gegangen, es werde eine positive Beschäftigungsbilanz geben, alles andere sei rein spekulativ. Auch der massive Einspruch der Städte Primasens, Zweibrücken und Homburg beeindruckt Beck nicht, derlei dürfe man nicht überbewerten, das Gebot der Stunde sei, sich an die Spitze neuer Entwicklungen zu stellen.

Freilich dürfte der rote Frontiergeist nicht zuletzt aus der Tatsache herrühren, daß bislang keines der Konversionsprojekte erfolgreich war: schon allzu oft ließen Beck und sein FDP-Stellvertreter Brüderle den großen Durchbruch herausposaunen und mußten später ihr Scheitern einräumen, wie zum Beispiel in Zweibrücken, vor der "Ära Dommermuth", der klammheimliche Ausstieg der französischen Investorengruppe Camar Finance.

Nun steht nicht nur jede Menge Prestige der Mainzer Koalitionsregierung auf dem Spiel, hinter den Kulissen munkelt man, Beck könne gar nicht mehr zurück, weil ein Rücktritt von den bislang unter Verschluß gehaltenen Verträgen den Steuerzahler (wie schon die CDU-verursachte Milliarden-Katastrophe des Reaktors Mühlheim-Kärlich) teuer zu stehen käme.

Die CDU-Opposition schaukelt unterdessen zwischen Ablehnung und Zustimmung unter Hinweis auf die besonders miese Beschäftigungssituation vor Ort; das Center solle gebaut werden, wenngleich auf wesentlich verkleinerter Fläche. Die Grünen befürchten, daß am Ende nichts als ein weiteres Kaufhaus auf der grünen Wiese stehen wird, das den regionalen Einzelhandel ruiniert. Sie werden in diesem Fall ausnahmsweise einmal recht behalten.


 
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