© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/97  18. Juli 1997

 
  Bonn: SPD-Oberbürgermeisterin Diekmann weiht NS-Mahnmal ein
Steinwegs Gedenken
von Ilse Meuter

Die Pro-Berlin-Haltung ist der Kohl-CDU streckenweise schlecht bekommen. Insbesondere kommunalpolitisch gab es herbe Denkzettel. Auch in der vormaligen Hauptstadt der alten Bundesrepublik krachte es deftig; nach mehr als 30 Jahren CDU-Führung hatte man 1994 den Bonner Rathausschlüssel an die Sozialkundelehrerin Bärbel Diekmann (SPD) abzugeben.
Seither beackert sie das in Zeiten leerer Kassen und damit fehlender Gestaltungsmöglichkeiten obligate Feld zeitgenössischer Symbolpolitik: den "antifaschistischen Kampf". Dabei kommt es zu Platitüden wie "Auschwitz liegt nicht nur in der Ferne. Ein Stück war auch hier." Diese implantierte Art rheinischen Lokalpatriotismus' machte sich jüngst auch in der Bonner City breit. Der Kaiserplatz, unweit der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, mußte zur Aufrichtung eines weiteren

stein-ewigen Totems herhalten. Quasi als posthume Bestrafung des ersten Wilhelms, Reichsgründer von 1871, den alliierter Bombenterror 1944 von seinem Sockel geweht hatte. Ein zweifellos reaktionärer Hotelier hatte es gewagt, 1988 eine Kopie der imposanten
Plastik aufzustellen, bloß einen Steinwurf von deren angestammtem Platz entfernt. Solche Ranküne verdient eine Antwort.

Das NS-Mahnmal, vor dem archäologischen Seminar aus offenkundig schlechtem Gewissen allzu unauffällig aufgestellt, schier versteckt, konnte allenfalls ein Anfang gewesen sein. Neben dem Heine-Denkmal vor dem Historischen Seminar und dem von sensibilisierten Sprühdosen endlich im Sinne der Aufklärung beschrifteten Arndt-Schandmal auf der Bastei, wo ein kriegstreiberisches Beutegeschütz von 1870 immer noch nicht beseitigt worden ist. Immerhin ist das am rheinwärtigen Universitäts-Zugang gelegene militaristische Relief des vormals in Bonn liegenden preußischen Husaren-Leibregiments seit einigen Jahren regelmäßig übermalt.

Das Mahnmal inmitten der unspektakulären Toten des Nordfriedhofs hätte als Verharmlosung betrachtet werden können, die rechtsrheinische Gedenkstätte in Bonn-Beuel liegt wenig verkehrsgünstig. Somit war ein weiteres Memorial in der belebten Innenstadt wünschenswert. Es sollte überdies von der Gedenkstätte für die vormalige Synagoge, weithin sichtbar am Rheinufer plaziert, unweit der Kennedy-Brücke, problemlos erreichbar sein, insbesondere alljährlich am 9. November.

Bonns Oberbürgermeisterin Diekmann sagte bei der antifaschistischen Weihestunde, was ihrer Meinung nach Sache ist; 200 Versammelte gaben sich durch ihr Erscheinen gleichsam selbst moralisch den Ritterschlag. "Das Verdrängen und vielfache Versetzen dieses Steins steht symptomatisch für das Verdrängen der NS-Zeit aus dem öffentlichen Bewußtsein. Die jüngere Generation aber hat das geändert. Sie will keinen Schlußstrich, es wird ihn nicht geben. Dafür müssen wir kämpfen."

Zur unablässigen Auseinandersetzung mit den Kopftätern und ihren willigen Helfern gebe es keine Alternative, redete sich Frau Diekmann in Rage. "Verdrängen nützt nichts!" Der Stein von 1950 habe bloß 600 Opfer genannt; er der Stein? habe sich damit quasi grob fahrlässiger Verharmlosung schuldig gemacht: "Diese Zahl war grundfalsch!" Opfer seien auch alle ZwangsarbeiterInnnen gewesen, "im heutigen Stadtgebiet mindestens 5.600 Menschen beiderlei Geschlechts".
Das mannshohe Totem wird in die Wiese gesenkt, ringsum sitzt ein junges akademisches Völkchen bei Eis und Espresso, man unterhält sich nett, das Wetter ist gut. Die "Ergänzungstafel" zum steinernen Geßlerhut wird von nun an aberwitzig anmutende Zahlen unter die Touristen bringen: Einheimischen wird, wie Erfahrung lehrt, das rot-grüne Environnement kaum einen Blick wert sein. Der Stein weiß von "Tausenden ermordeten Opfern im heutigen Bonn", präsentiert eine gigantistisch beeindrucken wollende Zahlen-Arithmetik, für die Bonns ranghöchste Antifaschistin sich bei ihrer Parteifreundin, der nordrhein-westfälischen Professorin Annette Kuhn bedankt. Näherhin bei deren steuergeldgestützten Pfründen, dem "Institut für Frauenforschung/Frauengeschichte an der Universität Bonn".

Anders als Reemtsmas Hamburger Institut für Sozialforschung darf Frau Kuhn ihre dubiosen Bemühungen mit der Reputation staatlicher Anerkennung aufmotzen; die vordem rechtskatholische Hochland-Autorin sortiert nun, nach ihrem Abfall von der Kirche, ihre "Opfer" nach Geschlecht und sexuellen Präferenzen: "Opfer waren alle, die _ aus medizinischen Gründen sowie lesbischer und homosexueller Orientierung verfolgt wurden."

Bettina Bab streicht, nachdem die offizielle Einweihung vorüber ist, fast zärtlich über das Totem, eng schmiegt die leicht übergewichtige, brünette Lehramtskandidatin sich an "die Annette", wie sie ihre akademische Lehrerin nennt, und doziert: "Auf die Ergänzungstafel gehörten meines Erachtens auch die Zwangssterilisierten und Zigeuner, die Roma und Sinti, und zwar namentlich zum Beispiel die aus der Engeltalstaße, die laut Hausverzeichnis von 1941 nach Auschwitz verzogen sind." Die exakte Zahl der Ermordeten werde man eh "nie herauskriegen", fügt sie hinzu, daher habe man "auf der Zusatztafel keine Zahlen genannt."

Das Häuflein der Einweiher zerstreut sich, die "Bonner Blechbläser e.V." packen ihre Posaunen weg. Ein nach GEW-Lehrer aussehender Kinnbartträger mittleren Alters schultert die rote Fahne des "Bundes der Antifaschisten/VVN Ortgruppe Poppelsdorf", die vierköpfige PDS-Gruppe der Uni Bonn fingert an den Schleifen ihres Blumengebindes, von einem nahegelegenen Obststand wehen Wortfetzen herüber: "Bananen! Billje Bananen!" Ein schwarzer Mercedes macht sich davon, Frau Bürgermeisterin Diekmann im Fond.

 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen