© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31/32/97  25. Juli/ 01. August 1997

 
 
Justiz: Seltsame Geschworene und erregte Medienmacht
Keine Rechte für Rechte
von Jürgen Hatzenbichler

Im Jahr 1995 wurde Hans Jörg Schimanek jun., ehemaliger Aktivist der neonationalsozialistischen Volkstreuen Außerparlamentarischen Opposition (VAPO) um Gottfried Küssel und Sohn eines freiheitlichen Landesrats, zu 15 Jahren Haft verurteilt. Der Berufungssenat reduzierte dann die Strafe auf rechtskräftige acht Jahre.
Der Prozeß gegen Schimanek lief vor den Hintegrund des Briefbombenterrors und des Anschlags von Oberwart, bei dem vier Roma ermordet wurden. Die ermittelnden Behörden vermuteten die Terroristen zuerst im Bereich der Neonaziszene, die in Österreich vor allem um die VAPO "organisiert" war. Doch dürfte für das Urteil gegen Schimanek nicht nur dieser unrichtige Zusammenhang und die entsprechende mediale Vorverurteilung verantwortlich sein. Zumindest zwei der Geschworenen dürften einen direkten Bezug zu den Opfern des Oberwart-Anschlags haben. Kein Wunder also, daß Schimanek, der sich aus der NS-Szene zurückgezogen hatte, so ein Urteil ausfaßte.

In einer parlamentarischen Anfrage der Freiheitlichen an den Justizminister vom 16. Juni 1997 werden die Fakten auf den Tisch gelegt: "So soll die Hauptgeschworene Renate H. in zweiter Ehe mit Josef H. verheiratet sein. Josef H. ist der Onkel des Oberwart-Anschlagopfers Peter Sarközi. Somit ist eine Schwägerschaft zwischen der Geschworenen Renate H. und dem Bombenopfer Peter Sarközi gegeben." Der Hauptgeschworene Andreas H. wiederum soll, so heißt es in der Anfrage von FP-Klubobmann Ewald Stadler und Kollegen, "seit vielen Jahren im Bereich der Roma in Oberwart verkehren". Ein Verwandschaftsverhältnis oder eine Schwägerschaft zu einem der Bombenopfer sei nicht auszuschließen. Insgesamt also Fakten, die ein schräges Licht auf die angebliche "Unparteilichkeit der Geschworenen" werfen.

Schon damals hatte Staatsanwalt Sepp Dieter Fasching gegen das Urteil berufen, weswegen es dann auch reduziert wurde. Fasching verwies darauf, "daß die dem Angeklagten angelasteten und vom Schuldspruch erfaßten Handlungen, isoliert betrachtet, vielfach neutral und ohne strafrechtliche Relevanz gewesen waren". Diese habe sich teilweise erst durch die VAPO-Aktivitäten ergeben. Allerdings, so Fasching, wäre Schimanek wie auch der zu vier Jahren Haft verurteilte Günther Reinthaler "Exponent der zweiten Führungsebene" der Neonaziorganisation gewesen. Bei einer gewissen Gleichwertigkeit also hat Reinthaler, der leugnete "und in keiner Weise signalisiert hatte, er werde sich künftig von einschlägigen politischen Aktivitäten zurückziehen" (Fasching), die halbe Haftstrafe von dem ausgefaßt, zu dem Schimanek jun. rechtkräftig verurteilt wurde.
Dies ist umso kurioser, als auch die Staatsanwaltschaft dem Politikersohn bestätigt, daß er sich "keineswegs schlechthin leugnend verantwortet" und auch zum Ausdruck gebracht habe, daß er sich "von weiteren derartigen Aktivitäten distanzieren" wolle. Anders als Reinthaler habe Schimanek jun. sich seit dem Jahr 1992 "nicht mehr im nationalsozialistischen Sinne betätigt" betonte Fasching.
Angesichts solcher Tatsachen dürfte die Frage, ob denn solch ein Prozeß nicht noch einmal neu aufzurollen wäre, alles andere als vermessen erscheinen. Sowohl die Frage der Parteilichkeit zweier Geschworenen, als auch die übermäßige Härte des Urteils scheinen dafür Grund genug.

Auf der anderen Seite erregt man sich bei der Illustrierten News über die Justiz. Hintergrund: News mußte unzählige Entgegnungen von Neonazis bringen und "mehrere Millionen Schilling" zahlen. Der auf übermäßige Eindeutigkeit getrimmte Stil der Illustrierten führte dazu, daß selbst Gerichte der News-Wirklichkeit nicht folgen konnten. News-Herausgeber Wolfgang Fellner erregt das. In einem Brief an seinen Rechtsanwalt, Gottfried Korn, vom 10. März 1997 spricht er im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Rechts durch Angehörige der rechtsradikalen Szene vom "Mißbrauch der Gesetze durch Neonazis". Und Fellner kündigt an, daß man massiv medialen Druck machen werde: "Ich habe daher Minister Michalek mitgeteilt, daß in Zukunft über jedem Nazi-Urteil das Foto des Ministers abgedruckt sein wird, in Begleitung eines entsprechenden Artikels. Auch die Richter werden in Zukunft bei Neonazi-Urteilen mit Bildern und Namen veröffentlicht."

Wolfgang Fellner beschreibt das selbst als eine "Brachialmethode, die vielleicht ein bißchen an Karl Kraus erinnert". Kurzfristig bringe das höhere Strafen, kalkuliert man bei News, langfristig sei es aber die einzige Methode, um den "Mißbrauch" abzustellen.

Derlei bedenkliche Praktiken gegenüber der Justiz scheinen aber zu ziehen. Fellner schreibt von "Absprache mit den Politikern". Justizminister Michalek wiederum habe ihn nach einem Artikel schon angerufen und Änderungen zugesagt. Auch an Alfred Worm, so schreibt Fellner, seien "diesbezügliche Informationen" ergangen.

 
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