© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/97  08. August 1997

 
 
Multikultur und Demokratiegebot
von Alfred Mechtersheimer

In Deutschland leben nach den sorgfältigen Berechnungen von Alois Mitterer etwa 10 bis 11 Millionen Ausländer. Diese Zahl liegt deutlich über den offiziellen Zahlen von 7 Millionen. Die höhere Zahl ergibt sich, wenn man zwischen deutscher Stammbevölkerung einerseits und den legalen und illegalen Zuwanderern ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft unterscheidet. Die amtlichen Zahlen sind pädagogische Zahlen. Allein in Berlin, Hamburg und Frankfurt am Main leben nach jüngsten Erkenntnissen mehr als 500.000 illegale Einwanderer, die bei allen amtlichen Statistiken nicht erscheinen.

Es entspringt geradezu nationalistischem Denken, von einer stationären Bevölkerungszahl auszugehen. Zu Recht hat der Verhaltensforscher Eibl-Eibesfeldt darauf hingewiesen, daß angesichts der hohen Bevölkerungszahl und -dichte in Mitteleuropa ein Rückgang der Bevölkerung durchaus Raum für neue gestalterische Möglichkeiten böte. Kürzlich waren Meldungen über einen – wenn auch leichten – Anstieg der Geburtenzahlen im vergangenen Jahr zu lesen. Vermutlich wurde dieser Anstieg vor allem durch ausländische Eltern verursacht. Noch gibt es darüber keine genauen Zahlen; wir werden sie verbreiten, sobald sie vorliegen. Aber erwarten Sie sich davon nicht zuviel Aufschluß, denn unter "deutschen Staatsbürgern" verbergen sich kulturell gesehen immer mehr Ausländer.

Von Hamburg ist bekannt, daß in den ersten acht Monaten des Jahres 1996 mehr Kinder ausländischer als deutscher Eltern geboren wurden. Die Entwicklung läuft darauf hinaus, daß die etwas verringerte Zuwanderung durch die wachsende Zahl ausländischer Geburten in ganz Deutschland mehr als ausgeglichen wird. Das heißt, auch ein absoluter Zuzugsstopp würde an dem Austausch der deutschen Bevölkerung durch Ausländer nichts ändern.

Die Regierungen, zumindest Teile der Regierungen in der Vergangenheit glaubten, durch die Zuwanderung das bisherige Rentensystem erhalten zu können. Man wollte deshalb die Bevölkerungszahl bei rund 80 Millionen konstant halten. Die dazu angestellten Modellrechnungen wie zum Beispiel diejenigen von Feichtinger und Steinmann, (in der Zeitschrift Population Studies, Jg. 1992) gingen allerdings von der Assimilierung der Zuwanderer, ihrer Anpassung des demographischen Verhaltens an das der Deutachen und damit der Aufrechterhaltung des sozialen Friedens aus. Nur unter diesen Bedingungen wurde ein solches Zuwanderungskonzept gefordert.

Die Bedingungen für die Assimilierung der Zuwanderer haben sich seit den achtziger Jahren stetig verschlechtert. Die Zuwanderung ist, wie fast immer und überall, von einer räumlichen Ballung gekennzeichnet. Verwandte und Freunde ziehen zusammen, Familienangehörige folgen ihnen. Arbeitsplätze gibt es häufig nur in bestimmten Branchen, was die Konzentration zusätzlich fördert. Auch die Suche nach billigem Wohnraum führt zur Ballung in bestimmten Stadtteilen.

Daß sich die tatsächliche Zahl der Ausländer und die tatsächliche Zahl der Arbeitslosen mit jeweils rund zehn Millionen in derselben Größenordnung bewegen, heißt nicht, daß diese Gruppen austauschbar wären; aber ein Indikator für eine fundamentale Fehlentwicklung zwischen Innen und Außen ist dies gewiß.

Die Tendenz geht eindeutig dahin, daß bundeweit die Hälfte aller Problemgruppen von Ausländern gestellt wird. In den meisten Großstädten gibt es bereits bei den Arbeitslosen ein 50:50-Verhältnis. Heute führt die Zuwanderung zumeist direkt in die Arbeitslosigkeit oder in die illegale Beschäftigung, nicht selten in beides.

Die alte Behauptung, Ausländer würden Deutschen keine Arbeit wegnehmen, kann man nur bei völligem Realitätsverlust vertreten. Natürlich hat nicht zuletzt der Ausländerzustrom zu der Entwöhnung vieler Deutschen von unliebsamen Tätigkeiten geführt. In Japan fährt ein arbeitsloser Akademiker bis zu einer seiner Ausbildung adäquaten Beschäftigung selbstverständlich zum Beispiel Taxi. In Deutschland ist das nicht üblich. Der Zuwachs an Beschäftigungsverhältnissen im vergangenen Jahrzehnt hat den Arbeitsmarkt vor allem deshalb nicht entlastet, weil die Zuwanderung zu groß war. In Berlin wurde die Baustelle des Reichstages gestürmt, weil dort fast ausschließlich ausländische Arbeitnehmer beschäftigt sind. Der Ort ist ja auch nicht ohne Symbolkraft für den Zustand dieses Landes und der Nation. Nur mit Mühe ist es gelungen, die ausländischen Bauarbeiter vor ihren arbeitslosen deutschen "Kollegen" zu schützen. Wenn es demnächst größere Übergriffe geben wird, dann wird man erleben, was "Fremdenfeindlichkeit" tatsächlich ist und daß man die hemmungslose Öffnung der Grenzen mit Aufstand und unkontrollierbarer Gewalt bezahlen wird.

Es gehört zu den wahrheitswidrigen Geboten der "political correctness", bei allen sozialpolitischen Debatten, die Belastung durch Ausländer auszuklammern. So wird häufig und heftig über die Reform des sozialen Systems, zum Beispiel der Krankenkassen, gestritten, ohne daß ein einziges Mal darauf hingewiesen werden würde, daß zum Beispiel mehr als doppelt so viele Ausländer wie deutsche Staatsbürger neben den "sonstigen Sozialleistungen" die gänzlich kostenfreie sogenannte "Krankenhilfe" erhalten. In den Genuß unserer uneingeschränkten "Krankenhilfe" kamen 1989 rund 250.000 deutsche Staatsbürger, die in der Regel für diese Leistungen zuvor ihren Beitrag erbracht hatten und ungefähr dieselbe Zahl von Ausländern. 1993, also vier Jahre später, waren es weniger Deutsche als vier Jahre zuvor; dafür hatte sich aber die Zahl der Ausländer mehr als verdoppelt. Seit 1994 führt das Bonner Arbeits- und Sozialministerium diese Statistik nicht mehr weiter. Dies ist nur ein Beispiel dafür, daß dann, wenn die Ausgaben für Ausländer unerträglich steigen, nicht die Ausgabenpolitik geändert wird, sondern die Informationspolitik.

Wer seine türkische Staatsbürgerschaft abgibt, um die deutsche zu erhalten, läßt sich in aller Regel anschließend von den türkischen Behörden den alten Paß wieder zurückgeben, obwohl ja der Verzicht darauf Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit war. Die Bundesregierung bezeichnet die so entstehende Mehrstaatigkeit als "nicht erwünscht", obwohl die Gesetzeslage völlig eindeutig ist. Bereits 1995 wurden über 30.000 solcher türkischer Rückbürgerungen registriert. Je nach Zweckmäßigkeit benutzen diese Zweistaatler dann den einen oder anderen Paß. Dies ist eine der vielen Beispiele, die zeigen: eine multiethnische Gesellschaft tendiert zu einer unethischen und schließlich zu einer demokratieunfähigen Gesellschaft.

Der Dichter Botho Strauß hat erkannt: "Intellektuelle sind freundlich zum Fremden, nicht um des Fremden willen, sondern weil sie grimmig sind gegen das Unsere und alles begrüßen, was es zerstört." Das ist ein Schlüsselsatz, den man im Kopf behalten sollte, wenn man den Widersinn der heutigen Politik zu erklären versucht. Damit wird das Pathologische an der deutschen Lage von heute erklärt. Das Verhältnis nämlich vom Unseren zum Fremden stimmt nicht. Das ist die eigentliche Krankheit. Und so erklärt sich denn auch das Verhalten vieler Funktionseliten in den Zeitungen, Rundfunkanstalten Vorstandsetagen, Ministerien und gelegentlich auch in den Rathäusern. Man fühlt sich dabei ja so gut, wenn man so ungerecht zum eigenen Volk ist.

Das ist eine Frage der Zukunft, der Überlebensfähigkeit unseres Landes, das ja nicht nur für uns selbst, sondern für ganz Europa und darüber hinaus eine wichtige Zukunftsaufgabe zu bewältigen hat. Und es ist natürlich auch eine Frage nach der Zukunft der freiheitlich demokratischen Grundordnung.

Viele Linksintellektuelle und das traditionelle Protestpotential kämpfen heute nicht mehr gegen den Kapitalismus und gegen den Imperialismus. Heute kämpft dieses Protestpotential gegen den Nationalstaat. Damit sind sie Verbündete jener Kräfte, und das ist eine besonders unheilige Allianz, die einen Weltstaat zum Beispiel aus ökonomischen oder finanziellen Gründen propagieren und auch realisieren. Und in diesem Weltstaat wird die Demokratie unten ausgehöhlt und oben nicht erreicht. Maastricht-Europa ist eine kleinere Ausgabe genau dieses internationalistischen Projekts. Oben keine Demokratie und unten keine Identität.

Das Prinzip der nationalen Präferenz muß für das gesamte Rechts- und Verordnungssystem gelten. Das bedeutet, wer Arbeit bekommt, wer Wohnung bekommt, wer staatliche Hilfe bekommt soll daran gemessen werden, ob er zu diesem Volk gehört oder Gast ist. Wenn genügend Geld zur Verfügung steht, dann helfen wir auch den Gästen, aber die Priorität ist, dem eigenen Volk, vor allem den Schwachen des eigenen Volkes zuerst zu helfen. Es muß grundsätzlich entschieden werden, ob das Grundgesetz so, wie es historisch entstanden ist, weiter gilt, oder ob es angepaßt wird an die mittlerweile eingetretene Veränderung, nämlich den teilweisen Austausch der Bevölkerung. Das Rechtssystem kann beispielsweise heute in der alten Form seine Aufgaben nicht mehr erfüllen. Hierüber muß eine Grundsatzdebatte geführt werden: Soll es weiterhin Deutschland als Staat des deutschen Volkes geben, oder den Staat eines multiethnischen Siedlungsgebietes.

Das bedeutet, daß wir Begriffe wie "das deutsche Volk" wieder revitalisieren müssen, so wie es in der Verfassung steht. Wir sind diejenigen, die Verfassungstreue einklagen, nicht die anderen, die das möglicherweise berufsmäßig machen und sich dabei völlig vergaloppiert haben.


 
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