© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/97  08. August 1997

 
 
Portrait: Eberhard Jäckel
Hitlers Interpret
von Ilse Meuter

Der Zeitgeschichtler Eberhard Jäckel, soeben in Stuttgart emeritiert, gehört zu jenem Typus Historiker, die ihrem Hauptgegenstand – Hitler, Holocaust, Hitler – mit wachsender Faszination geradezu verfallen sind, wenngleich sie aus karrieredienlichen, näherhin materiellen Gründen bemüht sind, die moralinsaure Fassade des Abscheus aufrechtzuerhalten. Dies scheint vormaligen Lehrstuhlideologen mit zunehmendem Alter schwerer zu fallen, schert doch aus den Reihen vormals spurtreuer Emeriti immer mal wieder der eine oder andere aus.

Der 1929 in Wesermünde geborene Emeritus hat nicht das Zeug zum Renegaten, dazu fehlen ihm Schneid und ruheständlerisch aktivierbares wissenschaftliches Rest-Ethos. Den Grips dazu hätte der Golo-Mann-Günstling, und nun, nach seinem Laufbahnende im System, auch die Bewegungsfreiheit. Doch wo eine Lea Rosh und Stiftungsmillionen rufen, verzichtet man gerne darauf zu erfahren, "wie es wirklich gewesen ist".

Wichtige Bücher, gar Pionierleistungen, brachte seine gefällige Feder nicht hervor. Am solidesten scheint seine Dissertation über die Staatsutopie des Humanisten Thomas More, ehe Jäckels Gerede über "Hitlers Weltanschauung" anhub, sein seit Jahrzehnten prächtig Rendite abwerfendes Konstruieren der vermeintlichen "NS-Programmatik". Aus der läßt sich der Weltenlauf in diesem (aus patriotisch-deutscher Sicht) gottlob endlich zuende gehenden Jahrhundert problemlos deduzieren.

Die meisterlichen Begründer der deutschen Geschichtswissenschaft hätten über das Allermeiste von dem, was seit Mitte der 60er Jahre hierzulande in Sachen Zeitgeschichte fabriziert und doziert wird, nur den Kopf geschüttelt. Nicht genug, daß der "Hitler-Fachmann" keinen Widerspruch erhob, als man "Tagebücher" seines geheimen Leitgestirns gefunden haben wollte; nicht genug, daß er im "Historiker-Streit" auf die Seite des historischen Laien Habermas trat – heute gewährt er Lea Rosh bei ihren inländerfeindlichen Diffamierungskampagnen "wissenschaftlichen" Feuerschutz.

Der Gefälligkeitshistoriker spricht nicht, nein, er tritt seigneural auf, wenn er die moralischen Autosuggestionen seiner unbewältigten Flakhelferzeit als der historischen Weisheit letzten Schluß zelebriert. Zum Verdampfen der geistigen Freiheit unter Kohl gehört, daß es Seinesgleichen erspart bleibt, sich mit Fachleuten anderer Couleur strittig auseinandersetzen zu müssen. Andernfalls käme wohl so mancher beweihräucherte BRD-Mandarin ins Trudeln, und müßte gar einräumen, daß das machtgeschützte, wissenschaftlich aufgezogene Bewältigungsgewese nichts als ein gigantisches Spektakel ist. Wer das als edelmenschliches "Aufrütteln" verkauft, ist entweder närrisch oder abgefeimt.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen