© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/97  21. August 1997

 
 
Spanischer Bürgerkrieg: Stalin ließ sich gut bezahlen
Waffen gegen Gold

von Jochen App

Spanien wurde in den dreißiger Jahren von politischen und sozialen Krisen geschüttelt. Die gesellschaftlichen Unterschiede waren absurd: auf der einen Seite eine dünne wohlhabende, sich auf die katholische Kirche stützende Oberschicht – auf der anderen eine große Zahl von ärmsten Landarbeitern und Proletariern. Die Monarchie war gescheitert, nachdem sie durch ein autoritäres Militärregime eine Zeitlang aufrechterhalten worden war. Der Versuch, eine parlamentarische Demokratie einzurichten, war angesichts solcher Spannungen zum Tode verurteilt.

Demokratische Wahlen dokumentierten Polarisierung: hier ein im Parlament über die absolute Mehrheit verfügender Linksblock aus Sozialisten, Republikanischen Linken, der Republikanischen Union, der katalanischen Linken, unterstützt von den Kommunisten, Syndikalisten und Anarcho-Syndikalisten – dort als Minderheit die Nationale Front, die sich zusammensetzte aus der katholischen Rechtspartei CEDA, den Agrariern als der Partei der Großgrundbesitzer, den Monarchisten, den Traditionalisten und der kleinen Schar von Falangisten. Die politische Mitte war weitgehend zerrieben.

Auf den erbitterten Widerstand der Großgrundbesitzer stieß die von der regierenden Linksfront verkündete Bodenreform. Die katholische Kirche, die mitverantwortlich gemacht wurde für die Verarmung breiter Schichten, sah sich zunehmend Angriffen ausgesetzt. So zählte in einer der letzten Plenarsitzungen 1936 der Führer der katholischen Rechtspartei CEDA, Gil Robles, als Bilanz eines Monats auf: 36 Kirchen völlig zerstört, Brandanschläge auf 34 weitere, 65 politische Morde, 230 bei politischen Auseinandersetzungen schwer verletzte Personen, 46 weitere Überfälle, 47 Bombenanschläge. Er resignierte: "Wir wollen uns nicht täuschen, meine Herren Abgeordneten: ein Staat kann unter einer Monarchie oder unter einer Republik leben, unter einem parlamentarischen oder unter einem präsidialen Regierungssystem, unter dem Kommunismus oder unter dem Faschismus. Nur im Zustand der Anarchie kann er nicht leben: Und Spanien befindet sich im Zustand der Anarchie."

Beide Lager rüsteten zum Kampf, den sie als einzigen Ausweg aus der beiderseits als unerträglich empfundenen Situation ansahen. Die Kommunisten riefen Instrukteure der Kommunistischen Internationale (Komintern) ins Land, um die vereinigten Jugendverbände der Sozialisten und Kommunisten für den Bürgerkrieg militärisch ausbilden zu lassen. Der nationale Block stützte sich weitgehend auf das Militär, das sich auf den Putsch vorbereitete. Angesichts des starken Übergewichts der Linken verfolgten Deutschland und Italien die Entwicklung auf der iberischen Halbinsel mit größter Sorge, mußten sie doch befürchten, daß Spanien den Weg Sowjetrußlands geht.

In Frankreich regierte – wie in Spanien – seit Juni 1936 eine Volksfront-Regierung unter dem Ministerpräsidenten Léon Blum. Als im Juli 1936 nationale Generäle losschlagen, bittet der spanische republikanische Ministerpräsident José Giral die befreundete französische Regierung sofort um Lieferung von Waffen und Flugzeugen. Er beruft sich auf einen 1935 zwischen Frankreich und Spanien geschlossenen Geheimvertrag, der die Lieferung von Kriegsmaterial im Wert von 20 Millionen Francs vorsieht. Paris ist bereit, die gewünschten 20 Bombenflugzeuge, 20.000 Bomben, Artilleriegeschütze, 250.000 Schuß MG-Munition sowie 4 Millionen Patronen zu liefern und stimmt sich dabei mit der konservativen britischen Regierung ab, die selbst aber nicht aktiv werden will. Als der Plan jedoch publik wird, rückt die französische Regierung offiziell von der Lieferung ab, verwirklicht sie heimlich aber doch, indem sie die Waffen über Mexiko nach Spanien gelangen läßt. Als Sicherheit deponiert die spanische Regierung Goldbarren im Wert von 500.000 US-Dollar in Frankreich.

Im August 1936 nahm Stalin über seinen Botschafter in Madrid Kontakte mit der spanischen Linksregierung auf. Er bot ihr an, Kriegsgerät und Militärberater zur Verfügung zu stellen. Einzelheiten gehen aus den jetzt in Rußland zugänglichen Akten der Komintern hervor, über die am 22. Juli 1997 die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) berichtete. Stalin verlangte von Madrid im Gegenzug eine Sicherheit durch die Überlassung von Goldbarren im Wert von zunächst 250 Millionen Peseten. Die spanischen Sozialisten stimmten zu. Insgesamt wurden 510 Tonnen Gold Ende Oktober 1936 durch einen sowjetischen Frachter via Mittelmeer und Schwarzes Meer nach Odessa gebracht. Die vier rotspanischen Beamten, die den Transport begleiteten und das Gold den Sowjets übergaben, erhielten zwar von Stalin hohe Auszeichnungen, tauchten dann aber in der UdSSR nie wie-
der auf.

Drei Ziele verfolgte Stalin mit seinem Eingreifen in den spanischen Bürgerkrieg: die Sowjetunion wollte im Mittelmeer Fuß fassen; sie wollte durch Waffenverkäufe ins Ausland international einzusetzende Einnahmen erzielen; außerdem sollte neuestes sowjetisches Kriegsmaterial im Ernstfall erprobt werden. "Als Endziel sollte Spanien mit Unterstützung der einheimischen Kommunisten in eine sozialistische Volksdemokratie umgewandelt werden. Man rechnete sich im Kreml aus, daß der Krieg innerhalb eines Jahres ausgefochten werden könne", so die NZZ.

Die ersten sowjetischen Militärberater reisten Anfang Oktober 1936 nach Spanien. Innerhalb von weiteren zwei Monaten erhielt Madrid 50 sowjetische Panzer T 26. Später kamen 30 Schnellbomber des Typs CB und Infanteriewaffen hinzu. Ende 1936 folgten zehn sowjetische Jäger des Typs I 15 und 60 gepanzerte Fahrzeuge. Weitere 100 Panzer T 46 wurden wenig später geliefert, wobei sorgfältig darauf geachtet wurde, daß keinerlei sowjetische Werkbezeichnungen angebracht waren. Die von der UdSSR nach Spanien gelieferten Geschütze waren in ihrer Mehrzahl Beutewaffen, die im russischen Bürgerkrieg den britischen, französischen und japanischen Interventionstruppen abgenommen worden waren.

1937 wurden laut NZZ unter anderem weitere 648 Kampfflugzeuge, 400 Panzer, 1.500 Geschütze, 4 Schnellboote, 20.000 MGs und 500.000 Gewehre aus Moskau nach Spanien geliefert. Im nächsten Jahr folgten noch einmal 40 Panzer, 134 Flugzeuge sowie 359 Geschütze und 15 Torpedoboote. Insgesamt dienten 772 sowjetische Piloten und Militärberater in der spanischen republikanischen Luftwaffe, des weiteren 600 Rotarmisten in der Marine und 351 bei der Panzerwaffe. Hinzu kamen viele Fachleute für Staatssicherheit und Handel.

Für ihr Eingreifen ließ sich die UdSSR mit Gold aus der spanischen Staatsbank gut bezahlen. Der sowjetischen Öffentlichkeit aber wurde vorgegaukelt, man unterstütze die arbeitenden Klassen in Spanien uneigennützig gegen den Faschismus. Rund 200 der sowjetischen Militärberater und Soldaten fielen in Spanien. Daß über 500 Tonnen spanisches Gold in den Tresoren des Kreml lagerten, wurde bis zuletzt geheim gehalten.


 
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