© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Ausstellung: Fotos von Lenis Riefenstahl in Hamburg
Der Mut zur Gerechtigkeit

von Hanno Borchert

Der junge Hamburger Galerist Andreas Schlüter wagt zur Zeit das vermeintlich Unmögliche und präsentiert, als erster überhaupt in Deutschland nach 1945, 50 Bilder der Filmregisseurin und Fotografin Leni Riefenstahl.

Die Ende der 80er Jahre entstandenen zwölf gezeigten Korallenaufnahmen aus der Tiefe der Karibik und des Indischen Ozeans überwältigen den Betrachter in ihrer Farbenvielfalt. Die aus den 60er und 70er Jahren stammenden 22 Aufnahmen der Nuba bilden den Schwerpunkt der Ausstellung und geben einen Einblick in ein vitales Stammesleben. Gleichzeitig sind sie, neben dem künstlerischen Aspekt, einmalige anthropologische, enthnologische und kulturgeschichtliche Werke. Denn heute gibt es den Nuba-Stamm nicht mehr.

Darüber hinaus sind 16 Klassiker, schwarz-weiße Standbildaufnahmen aus dem seinerzeit mit internationalen Preisen ausgezeichneten Olympia-Filmen "Fest der Völker" und "Fest der Schönheit" von 1938 zu sehen, die, entgegen der heute kolportierten Meinung, Auftragsarbeiten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) waren.

In den Kreisen der ewig Betroffenen gilt Leni Reifenstahl als "persona non grata", weil sie, O-Ton einer Journalistin während der Eröffnung der Ausstellung, "zur falschen Zeit am falschen Ort die falschen Filme für die falschen Leute" drehte. Immerhin erkannte sie damit indirekt Riefenstahls künstlerische Meisterschaft an, so daß man ein lautes Protestgeheul hätte erwarten können. Doch Stille herrschte. Jedenfalls fast. Und was sich dennnoch versuchte zu artikulieren, ist nun wahrlich nicht der Rede wert.

Erwähnenswert hingegen ist, daß es sowohl für die Künstlerin als auch für den Aussteller viel Lob aus dem zahlreich erschienenen Publikum gab. Wörtlich aus dem Gästebuch zitiert: "Leni Riefenstahl, die größte Filmregisseurin unseres Jahrhunderts, eine große Fotografin und eine genialische Frau. Ich wünsche ihr noch viele gute Jahre." Oder: "Mutig, heutzutage diese Ausstellung zu zeigen."

Die Stimmen der Anerkennung, die im Ausland schon seit langem zu hören sind, werden auch in Deutschland wieder lauter. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung erschien die "Grande Dame" der deutschen Filmgeschichte dann doch zu vorgerückter Stunde und beeindruckte die Anwesenden mit ihrer persönlichen Ausstrahlung.

Der 36jährige Galerist Andreas Schlüter hat sich mit dieser Ausstellung zweifellos über ideologische Grenzen und Tabus hinweggesetzt und Gelassenheit, Souveränität, Gerechtigkeitssinn, kurzum: Normalität im Umgang mit einem vielschichtigen künstlerischen Werk demonstriert.

 

Die Ausstellung ist noch zu sehen bis zum14. Sepember in der Hamburger Galerie Andreas Schlüter, Kirchenallee 25 (Nähe Hauptbahnhof). Mi. bis So., 12-19 Uhr


 
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