© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Andere Republik
Kolumne
von Hans-Helmuth Knütter

"Sie wollen eine andere Republik." Das war der Vorwurf der Regierenden nach 1968, wenn die APO für die Veränderung der Verhältnisse kämpfte. Und heute?

Wir haben die "andere Republik" – eine alarmierende Einschränkung von Freiheitsrechten und das unter einer "bürgerlichen" Regeirung, die manchmal als "konservativ" bezeichnet wird. Was konserviert sie eigentlich? Es herrscht Stagnation, bleierne Unbeweglichkeit, ein ratloses, aber gleichwohl hektisches Auf-der-Stelle-Treten. Deshalb muß Ablenkung her, um die Unzufriedenheit vom Establishment fort auf vermeintliche "innere Feinde" zu lenken. Nach der ebenso alten wie üblen und mit zahlreichen Beispielen belegbaren Methode "Haltet den Dieb". Und der heutige Feind – das sind die "Rechtsradikalen" bis hin zum rechten Flügel der "bürgerlichen" Parteien, ferner Soldaten der Wehrmacht und der Bundeswehr und die "Sekten".

Worauf es ankommt, ist, den Verantwortlichen den Spiegel vorzuhalten. Vielleicht packt den einen oder anderen doch das Entsetzen, wenn er sieht, daß die Fratze des Totalitarismus ihm entgegengrinst. Vielleicht kommen einige doch zur Besinnung, wenn ihnen bewußt wird, welches Klima der Ausgrenzung und Denunziation geschaffen wird, und das gegenüber Leuten, die zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung, wie sie in den Jahren des antitotalitären Konsens bestand, eine positive Einstellung haben.

Nutznießer sind die Linksextremisten. Bündnisse werden auf der Basis des Antifaschismus geschlossen. Wenn sie sich auch sonst über nichts einig sind, hier paktieren sie. Vor 1990 saßen die Extremisten im politischen Abseits. Dann gelang es ihnen, das Establishment durch dauernde Parlamentsanfragen (Jelpke, PDS und Buntenbach, Grüne) vor sich her und in die Defensive zu treiben. Heute arrangiert man sich mit ihnen – und morgen?

Das Falscheste wären Resignation und Stillhalten. Die Widerstandskräfte sind da. Überwinden sie ihre Lähmung, fällt der Linksextremismus in sich zusammen. Er ist konzeptionell und moralisch schwach. Seine Hauptwaffe, der Antifaschismus, ist eine Gespensterwaffe, eine Schreckschußpistole mit Wirkung auf die Dummen und Feigen. Es ist hohe Zeit für den Gegenangriff. Das täglich zu wiederholende Memento lautet: Die Weimarer Republik ist nicht an der Stärke ihrer Feinde, sondern an der Schwäche und Konzeptionslosigkeit derjenigen zugrundegegangen, die eigentlich ihre Verteidiger hätten sein sollen.


 
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