© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Kaviar und Champagner: Das berühmte Berliner Hotel Adlon hat wieder mal eröffnet
Luxus ohne Ende
von Ronald Gläser

Großer Aufruhr bei unseren uniformierten Freunden und Helfern, die sich am Sonnabend Vormittag in besseren Zivilklamotten zur offiziellen Eröffnung des alten, neuen Hotel Adlon begeben mußten: Der Bundespräsident verspätet sich um mehrere Minuten. Und das, obwohl sein Amtssitz, das Schloß Bellevue, nur ein paar hundert Meter entfernt auf der anderen Seite des Brandenburger Tores liegt. Sollte bei den Bauarbeiten am neuen Bundespräsidialamt etwa eine weitere Fliegerbombe gefunden worden sein?

Die feierliche Zeremonie mit Champagner und Blasmusik ist schließlich auf Roman Herzog abgestimmt, der das rote Band durchschneiden darf. Unsere Personenschützer denken zur Zeit aber mehr an die Zaungäste, die sich bei nichtöffentlichen Veranstaltungen stets einfinden, um einen Blick auf die versammelte High Society, wie etwa den charismatischen Bauminister Töpfer, Berlins eloquenten Regierenden Bürgermeister Diepgen oder den populären Wirtschaftsminister Rexrodt, zu werfen.

Bis zum Eintreffen des Präsidenten wird von einer Dame ein improvisierter Vortrag über die Geschichte des Adlon gehalten, den sie mit den Worten "Sehr geehrter Herr Bundespräsident Scheel einleitet…" So erfährt der erstaunte Gast, daß die Bomben des Zweiten Weltkrieges dem Gebäude nichts anhaben konnten. Das alte Adlon muß also 1945 durch den sauren Regen zerstört worden sein. Ohne jegliche Überheblichkeit stellt die Referentin ferner fest, daß die Wiedereröffnung des Hotels die Wiedergeburt des Bezirks Mitte darstelle. Warum eigentlich nicht die Wiedergeburt Berlins oder gar ganz Europas?

Das Eintreffen von Roman Herzog unterbricht unsere Rednerin. Dieser hält sich nicht mit langen Ansprachen auf: Ein Schnitt durch das rote Band und das Adlon ist offiziell eröffnet. Der erlauchte Kreis stürmt schnurstracks in den großen Ballsaal, wo die Festreden gehalten werden. Percy Adlon, Nachfahre des großen Lorenz Adlon, der das Nobelhotel vor 90 Jahren zur Freude von Kaiser Wilhelm erbauen ließ, bemängelt, daß seine Familie das Grundstück immer noch nicht zurückerhalten hat. Anschließend spricht August Jagdfeld, der geschäftsführende Gesellschafter der Fundus Fond Verwaltung, deren Anteilseigner das Projekt Adlon finanziert haben. Man fühlt sich wie auf einer Verkaufsveranstaltung des gerade in Konkurs gegangenen WGS-Immobilienfonds. Dann Reto Wittwer, der das moderne Management seines Unternehmens, der Kempinski AG, lobt: eine Art T-Aktie für die "Haute Volaute"?

Schließlich verkündet Eberhard Diepgen freudestrahlend, daß man im ungeliebten Preußen eben nicht nur dienen muß, sondern auch gut verdienen kann. Wie nicht anders zu erwarten aufdringlich anspruchsvoll

ist die Rede von Walter Jens, dem Ehrenpräsidenten der Akademie der Künste, der einen ausschweifenden Streifgang durch die großen Hotels der Weltliteratur macht.

Im "alten" soll es sogar unmoralische Angebote gegeben haben, schenkt man der Schauspielerin Margot Hielscher Glauben. "Mit 18 lud mich Hans Albers zum Mokka in seine Suite – ich gab ihm einen Korb."

Anschließend erklärt der Bundespräsident unter anderem gegenüber der jungen freiheit, daß er im Wiederaufbau des Adlon vor allem einen symbolischen Schritt im Wiederaufbau der neuen Länder sieht. Und in der Tat ist in zweieinhalb Jahren Bauzeit eine Kultadresse wiederentstanden, die Berlin um eine weitere Attraktion reicher macht.

Kalt läßt dies alles vor allem Ministergemahlin Ingrid Rexrodt, die sich schon auf einen tollen (vom Steuerzahler spendierten?) Urlaub mit Günther freut. In der Bild offenbarte sie: "Ich fliege morgen mit meinem Mann nach Kasachstan – dort soll es wunderschön sein."

Das Ambiente ist weit weniger protzig als vielfach dargestellt.

Es ist vornehm, aber nicht aufdringlich. Vor allem bringt es kaiserliches Flair in die DDR-Regierungsmeile, Unter den Linden, zurück. Berlins Mitte hat nach Revolten, Aufmärschen, Krieg, Bombenterror und der mörderischen Mauer wieder ein neues und zugleich altes, modernes, attraktives und umstrittenes Gesicht. Das Adlon ist nicht nur ein Stück Vergangenheit, sondern gehört zum neuen Gesicht der Metropole Berlin dazu.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen