© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Schilling-Volksbegehren: Schwungrad für Haider
Zielpunkt Ballhausplatz

von Andreas Mölzer

Dem Volkstribun ist das Volk allemal begehrenswert – als Wähler natürlich. Wenn Jörg Haiders Freiheitliche in diesen Tagen hierzulande das Instrument des Volksbegehrens bemühen, muß es ihnen natürlich – kein Wunder bei der Wirkungslosigkeit der direktdemokratischen Mechanismen in Österreich – vorrangig um den Wähler und sein Verhalten beim nächsten bundesweiten Urnengang gehen. Die Sache, in diesem Fall der Euro, ist nachgerade zweitrangig. Dies beweist nicht zuletzt die Fülle von Themen, die von der freiheitlichen Truppe und ihrem Frontmann in den letzten beiden Jahren als mögliche Volksbegehrensinhalte genannt wurden: Privilegien, Gehaltspyramide für Politiker, Ausländer, ORF-Monopol etc. pp.

Nun ist es eine Binsenweisheit, die selbstredend auch Jörg Haider und Susanne Riess-Passer geläufig ist, daß Österreichs begehrendes Wahlvolk, bzw. mindestens 100.000 oder im Falle der Erfüllung kühnster blauer Träume vielleicht 1,2 Millionen Bürger, kaum nennenswerten Einfluß auf Sein oder Nichtsein des Euro haben werden. Selbst mehr als eine Million Volksbegehrer mit darauffolgender, entsprechend emotionaler Debatte im Parlament könnten die Regierung nicht dazu bringen, das Volk über die Teilnahme der Alpenrepublik an der Währungsunion in einer Abstimmung entscheiden lassen. Das besorgen schon die Herren in den Doppeltürmen der Deutschen Bank in Frankfurt für uns. Denn jenen Weg, den die Herren der Deutschmark gehen, werden nolens volens auch die rot-weiß-roten Schilling-Chauvinisten gehen müssen.

Dennoch gibt das Volksbegehren für Haider und die Freiheitlichen Sinn: Mitten in der Legislaturperiode ist es selbst bei nicht allzu beeindruckender Beteiligung für die plebiszitäre Emanzipationsbewegung FPÖ ein Schwung-element. Ähnlich wie seinerzeit das Volksbegehren "Österreich zuerst" gegen die Zuwanderung. Zum Unterschied zu damals könnte diesmal die Bekennerfreude größer sein, da man im Falle der offenen Unterschriftsleistung nicht automatisch als "Rassist" abgestempelt ist, sondern eben allenfalls als Euro-Skeptiker. Gebremst könnte die Beteiligung freilich durch das breite Bewußtsein werden, mit dem Volksbegehren kaum etwas zu bewirken.

Dennoch ergeben alle Umfragen eine breite Skepsis gegenüber dem Euro bzw. dessen möglicher Härte. Wenn dann 1999 Nationalratswahlen stattfinden und sich diese Euro-Skepsis aller Wahrscheinlichkeit nach durch die Realität bestätigt, werden Haiders Freiheitliche als einzige politische Kraft, die dieses Mißtrauen der Alpenrepublikaner eben in diesem Volksbegehren artikuliert haben, weitere Wählerprozentpunkte einfahren können.

Das Objekt der Begierde für die plebiszitäre Emanzipationsbewegung, für den Rechtspopulisten – aber doch eigentlich für jeden demokratischen Politiker, oder? – sind eben Wählerstimmen. Und nachdem es sich – nimmt man die gegenwärtigen Umfragen ernst – nur mehr um zwei, drei Prozentpunkte handelt, die Haider zulegen muß, um eine mit verblassender Strahlkraft Klimas schwächer werdende SPÖ einzuholen, könnte dieses scheinbar sinnlose Volksbegehren zum Sprungbrett für Jörg Haider ins Kanzleramt werden.

Ganz abgesehen davon ist das Euro-Thema insgesamt natürlich für die Haider-FPÖ maßgeschneidert: Zum neuen, für Haider und seinen schon längerfristig konsequent angestrebten Profil der österreichpatriotischen Reformbewegung, die die "neue Mitte" besetzen will, ist die Verteidigung des harten Schilling, der so alt ist, wie die Republik selbst, geradezu eine Pflichtübung. Verglichen mit der Leitwährung D-Mark, klein aber fein, so wie eben Österreich verglichen mit der Bundesrepublik aussieht. Überhaupt erhellt der Vergleich mit Deutschland das Problem: Die nach zwei Kriegen, nach Diktatur, Totalitarismus, Verbrechen im deutschen Namen und "reeducation" vielfach gebrochene deutsche Identität, vermochte sich nicht zuletzt am Glanz, an der Stärke und an der Weltgeltung der Mark aufzurichten. Die D-Mark ist deshalb für die Deutschen eine Frage der Identität. Der Schilling für die Österreicher ähnlich. Jörg Haiders Rolle als rot-weiß-roter Heimatschützer führt ihn damit zwangsläufig an die Spitze der Euro-Gegner.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen