© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Schulpolitik: In Hessen könnte bald Islamunterricht erteilt werden
Unruhe vorprogrammiert

von Werner Olles

Eine schulpolitische Bombe hat jüngst der "Verband der Lehrer an Grund-, Haupt-, Real-, Sonder- und Gesamtschulen" platzen lassen. In einer Pressemitteilung teilte er der staunenden Öffentlichkeit mit, daß Ministerpräsident Hans Eichel zugesagt habe, nach Ablauf der Sommerferien an hessischen Schulen islamischen Religionsunterricht einzuführen.

Der stellvertretende Regierungssprecher Dick (Bündnisgrüne, früher Kommunistischer Bund Westdeutschlands) bezeichnete die Mitteilung zwar als "schlichtweg falsch", gestand aber, daß Eichel mit der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen kürzlich ein Gespräch geführt habe, bei dem auch darüber diskutiert wurde, ob in einem sogenannten Pilotprojekt islamischer Religionsunterricht getestet werden solle. Man hätte sich auch darüber unterhalten, ob ein derartiger Islamunterricht die jungen Muslime den Koranschulen "entreißen" könne.

Noch tiefer in die Trickkiste griff die Pressesprecherin von Kultusminister Hartmut Holzapfel (SPD), Karin Drda-Kühn. Sie ordnete die Mitteilung des Lehrerverbandes "in die Kategorie der Lüge" ein, da sie "offenbar geradezu mit Bösartigkeit" verfaßt worden sei.

Allerdings mußte auch sie dann zugeben, daß das Nichtzustandekommen eines islamischen Religionsunterrichtes bislang nur daran scheiterte, daß sich die verschiedenen islamischen Organisationen noch nicht auf einen gemeinsamen Ansprechpartner für das Land einigen konnten. Dies sei aber die Voraussetzung für die Einführung eines Islamunterrichts, denn die Grundlage für den Unterricht müsse ein Staatsvertrag zwischen dem Land Hessen und der Religionsgemeinschaft sein. Solche Verträge gibt es bisher aber nur mit den beiden großen christlichen Kirchen und der Jüdischen Gemeinde in Hessen.

Wenn sich jedoch die islamischen Organisationen einigen sollten und dann verlangten, daß ein derartiger Vertrag auch mit ihnen geschlossen werde, könne sich das Land nicht verweigern, meinte die Pressesprecherin und fügte hinzu, "dies gebietet der Grundsatz der Gleichbehandlung". Mithin handle es sich also nicht um eine politische Frage. Nach ihrer Kenntnis seien die islamischen Organisationen im Augenblick damit beschäftigt, sich auf einen gemeinsamen Ansprechpartner zu einigen.

Rundweg abgelehnt werden diese Bestrebungen nach Einführung eines islamischen Religionsunterrichts – die die Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Hessen seit langem erheben und mit der Gleichstellung der Muslime mit Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften begründen – vom "Verband der Lehrer an Grund-, Haupt-, Real-, Sonder- und Gesamtschulen", der der Auffassung ist, daß "die hessischen Schulen zur Zeit sicherlich andere Probleme haben, als sich mit indoktrinierenden Mullahs auseinanderzusetzen".

Bemerkenswert ist aber vor allem die Dreistigkeit, mit der rot-grüne Spitzenpolitiker den ungeliebten – weil ihrer Schulpolitik oft kritisch gegenüberstehenden – Lehrerverband der "Lüge" und "Bösartigkeit" bezichtigen, nur weil dieser sich vielleicht ein wenig im Datum, nicht aber in der Sache geirrt hat. Denn daß der Islamunterricht an hessischen Schulen eingeführt werden wird, bestreiten die Verantwortlichen ja gar nicht. Wie der Lehrerverband richtig prognostizierte, wird damit gewiß den Bestrebungen islamischer Fundamentalisten Vorschub geleistet. Noch mehr Chaos und Unruhe an den hessischen Schulen dürften also vorprogrammiert sein.


 
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