© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/97  29. August 1997

 
 
Pressefreiheit: Die Angriffe der Linksextremisten auf die Kioske nehmen zu
Abschaffung einer Zeitung

von Ekkehard Schultz

Vor nahezu drei Jahren, am 3. Dezember 1994, versuchten bis heute unbekannte Täter mit einem Brandanschlag auf die Union-Druckerei in Weimar eine kritische Stimme am Erscheinen zu hindern. Der Schaden wurde auf eine Million Mark beziffert. In Berlin gingen am gleichen Abend Fahrzeuge von Grossisten, die die junge freiheit vertreiben, und ein Kiosk in Flammen auf. Zwei Monate zuvor hatten Kriminelle mit Waffengewalt die Herausgabe von Versandunterlagen erzwungen.

Die Täter fühlten sich anscheinend sehr sicher in einem Klima, das bereits lange vor den unmittelbaren Ereignissen vergiftet war. So sicher, daß sich ein "Revolutionäres Lesbenkollektiv und andere revolutionäre Gruppen" in bester RAF-Tradition stolz zu dem Anschlag bekannten. Kurz darauf gab die damalige stellvertretende PDS-Bundesvorsitzende Angela Marquardt in einem Wochenpost-Interview ihre persönliche Auffassung von Meinungsfreiheit zum besten: Es sei "legitim", wenn man die Herstellung der jungen freiheit verhindere. Natürlich folgte, wie es sich für die Politikerin einer "demokratischen" Partei geziemt, die an dieser Stelle übliche Floskel, daß man aber prinzipiell die Art und Weise der Tatdurchführung verurteile. Diese Methode ist nicht neu.

Der Anschlag auf die Druckerei war aber nicht nur ein wegen der Höhe des angerichteten Sachschadens bemerkenswerter Höhepunkt einer zielgerichteten Entwicklung, die das wirtschaftliche Ende des 1986 gegründeten Zeitungsprojektes anstrebte. Spektakuläre Anschläge wie auf die Weimarer Druckerei haben sich seitdem nicht wiederholt. Die linksextremen Terroristen spürten wohl, daß sich die Stimmung gegen sie wendete, als selbst der grüne Sponti Daniel Cohn-Bendit gegen solche Gewalttaten protestierte.

So verlagerte man die Aktivitäten seit 1995 voll auf den Kampf gegen den freien Vertrieb der jungen freiheit. Nach einer Ruhepause Anfang dieses Jahres wird nun wieder bundesweit seit dem Frühjahr mobil gemacht. Schüler- und Studentengruppen unter so klangvollen Namen wie "Die Edelweißpiraten" schwärmen aus und "besuchen" Kioske, die die JF vertreiben.

 

Das Ziel der Chaoten besteht in erster Linie darin, die JF durch eine weitestgehende Verhinderung des Kioskvertriebs zu schädigen. Dies schien vor allem deshalb vielversprechend, weil sich die Zeitung als Teil der Öffentlichkeit sieht, als Vertretung eines Spektrums der öffentlichen Meinung, das sich nicht der Linken oder der Mitte zuordnen läßt. Dazu hat sie sich auch stets bekannt.

Hier setzen die Gegner der Zeitung an. Um ihre Taten zu legitimieren, werfen sie der JF vor, was ihr eigenes Verhalten widerspiegelt: Terror, Gewalt, Zersetzung, Haß. Sie kennen keinen Gewaltverzicht. Der "politische" Gegner wird zum Feind schlechthin erklärt, den es mit allen redlichen und unredlichen Mitteln zu bekämpfen gilt. Dazu stilisiert man sich selbst zum Opfer. Man benutzt den Begriff des "Antifaschismus", obwohl man den Mißbrauch dieses Begriffs in mehr als 60 Jahren kommunistischer Herrschaft genau kennt. Man schlägt damit zugleich den wirklichen Opfern des Hitlerregimes ins Gesicht, die im Kampf um die Freiheit des Wortes ihr Leben ließen. Mit der Art und Weise ihres "Kampfes" zeigen sie ihr gestörtes Verhältnis zu demokratischen Normen, die sie zu verteidigen vorgeben.

In Zeitschriften, Broschüren und Flugblättern wird seit 1993 zum aktiven Kampf gegen die junge freiheit aufgerufen. Ein Anlaß schien mit der Ankündigung des Erscheinens als Wochenzeitung ab Januar 1994 gegeben. Im November 1993 widmete das "Autonomen"-Kampfblatt Interim der JF eine Sonderausgabe. Im Geleitwort wurde den Lesern mitgeteilt, daß man "eine interessante Liste der Bezieherinnen und andere Materialien" der Zeitung "erhalten habe", "die den normalen Heftumfang sprengen würden." Das Ziel der Veröffentlichung dieses Materials liege darin, "die Adressen von Faschisten und speziell solchen jungdynamischen zu verbreiten". Trotz des Charakters als "Nazizeitung" wurde der Zeitung sogar noch ein "aufgeklärt kritisches Image" bescheinigt. Perspektivisch strebte man die klare öffentliche Etikettierung der JF als "faschistische Zeitung", die "Isolierung" und "eventuelle Abschaffung" an. Dem galt auch das Motto: "Kampf dem Faschismus".

Ansonsten stützte man sich auf Behauptungen und Materialien der militanten Linken, wie dem Antifa-Info Nr. 24 von Oktober/November 1993, das mit plakativen Unterstellungen, Gerüchten und Halbwahrheiten insbesondere die verantwortlichen Redakteure zu verunglimpfen suchte. Doch dies genügte den selbsternannten "Antifaschisten" längst nicht mehr. Bereits kurz darauf erschienen unter dem Herausgeber "Antifaschististisches Broschürenkollektiv" unter einer Deckadresse an der Hamburger Universität (natürlich ohne jede Namensnennung, im Gegensatz zum angegriffenen Organ) ebenfalls ein Sonderheft, das sich "Antifaschistische Informationen gegen die Zeitung junge freiheit" nannte. Über die Art und Weise der Auseinandersetzung dieser Schrift besteht bereits vom Titel her kein Zweifel: Eine Abbildung zeigt die Aufnahme einer Person, auf deren Oberbekleidung der Begriff "Stoppt Nazizeitungen" zu erkennen ist. Ein umgeworfener Kiosk und gerade zerrissene Exemplare der JF künden von der "Toleranz" des Abgebildeten. Es ist klar, daß dieses Bild als Vorbild zum Nachmachen dienen sollte, obwohl die dargestellte Szene offensichtlich gestellt ist. Auch hier wird bereits im Vorwort Klartext geredet: "Stell dir vor, die neurechte Postille junge freiheit (JF) erscheint wöchentlich und geht trotzdem pleite. Wir sind Antifaschisten aus unterschiedlichen politischen Gruppen, die sich unter anderem das vorgenommen haben." Anleitung zum praktischen Handeln gab es auch gleich an dieser Stelle: "Überall dort, wo die JF verteilt, verkauft oder sonstwie verbreitet wird", soll "aus ihrem angeblichen Überlebenskampf ihr Untergang" werden. Deutlicher hätte man es nicht formulieren können!

Nun war der Startschuß gefallen, nun gab es keine Hemmungen mehr. Eine wahre Flut von Drohbriefen gegen Grossisten und alsbald auch gegen die Kioskbesitzer, Pächter und Bahnhofskioske setzte seit dem wöchentlichen Erscheinen der JF ein. Generalstabsmäßig zentralisiert wurden Entwürfe verfaßt, die in einem zunächst scheinbar moderatem Ton örtliche Händler aufforderten, die JF neben einigen anderen Blättern, die man jedoch bereits dem Ton nach eher beiläufig mit Bemerkungen bedachte, aus dem Angebot zu nehmen. Diese Bemerkungen waren jedoch nur mit Rücksicht auf die Gesetzeslage und den Geschmack der "bürgerlichen" Kioskverkäufer formuliert. So wurde ein "HändlerInnen-Brief" über eine Kreuzberger Briefkastenfirma ("Edelweiß-Piraten") kostenlos zum Massenversand angeboten. Intern sah der Tonfall jedoch etwas anders aus. So wurden die Leser des Flugblattes "Vorstellung der Aktion" in bester Blockwartmanier zur Denunziation von Kioskbesitzern aufgefordert, die die JF noch offen führten. Offen schrieben die Verfasser des vierseitigen Pamphlets über die Vorgehensweise: "In diesem Brief (gemeint ist das ‘HändlerInnenanschreiben’) haben wir auch die Aufforderung hineingenommen, den Verkauf der betreffenden Blätter in Zukunft zu unterlassen, ohne jedoch auf spezielle Konsequenzen einzugehen. Ob und gegebenenfalls welche Konsequenzen von den jeweiligen Antifas gezogen werden, bleibt ihnen natürlich in jedem Fall selbst überlassen." "Gruppen und Einzelpersonen" sollte "eine Möglichkeit zum praktischen Handeln gegeben" werden. Eine klarere Aufforderung zur Gewalt gegen Personen und Sachgüter kann man kaum artikulieren.

 

Begleitet wurde die Aktion öffentlichkeitswirksam von mehreren "Demonstrationen", bei denen man den Frust über das Weiterbestehen der JF auch schon gewalttätig Luft machte, wie zum Beispiel bei der Demonstration in Potsdam am 29. Oktober 1994, bei der Barrikaden errichtet und Polizeibeamte mit Steinen und Feuerwerkskörpern angegriffen wurden. Gleichzeitig verschärft man den Terror gegen Pächter von Flensburg bis Graz die sich weigerten, die JF aus dem Angebot zu entfernen. Gewalttätige Übergriffe, die Beschädigung von Sachwerten und der öffentlichen Anprangerung mit Adressenangabe wurden zu Visitenkarten der Akteure. In Berlin verklebten sie die Schlösser von Kiosken der Berliner Handelsgesellschaft in S- und U-Bahnhöfen, die die JF weiterhin führten, was den Pächtern einen Tag Umsatzverlust bescherte. Nun blieb die gewünschte Wirkung oft nicht mehr aus. Die Kioskbesitzer, eingeschüchtert und bedroht, wollten ihre Existenz nicht aufs Spiel setzen und verbannten die Zeitung zumindest unter den Ladentisch. Ein zwanghafter Rückzug aus der Öffentlichkeit setzte ein. Die JF verschwand aus Regalen und Zeitungsständern. Der Umsatz der JF über den Kioskverkauf ging dadurch natürlich sprunghaft zurück. Zudem sahen sich Kioskkäufer und Interessenten oft mit peinlichen Blicken und Nachfragen konfrontiert. So ist es zum Beispiel am Bahnhofskiosk in Leipzig seit Anfang 1995 üblich, bei energischem Nachfragen des Kunden die Zeitung durch eine andere Verkäuferin, die sie aus einem Nebenraum holt, sorgsam verpackt in einer Plastiktüte zu repräsentieren – weitere Käufer mögen sich an die Weitergabe von Sprengstoff erinnert fühlen. Natürlich litt darunter auch die Nachfrage. Viele Kioske stellten schließlich den Bezug von einigen Exemplaren wegen mangelndem Zuspruch ein. Andere glaubten frei erfundene Geschichten von der Einstellung oder vom Verbot der Zeitung, die gezielt gerüchteweise verstreut wurden. Wieder andere machten sich die "Erklärungen" der örtlichen "Antifa" aus Opportunismus zu eigen. So beliefert beispielsweise ein Frankfurter Grossist die Händler mit der JF nur mit dem Hinweis, daß die Zeitung "jugendgefährdend" sei und deshalb "nur an Erwachsene abgegeben" werden dürfe. Grundsätzlich sei sie "unter der Theke aufzubewahren".

Die Aktion "Stoppt Nazizeitungen" ist bis heute nicht beendet. Nur zwei weitere Beispiele: In Bad Bevensen sandte eine Briefkastenfirma im November vo-rigen Jahres den "verschärften" Drohbrief an die regionalen Zeitungshändler. Darin hieß es unverblümt, "falls Sie diese Zeitungen auch weiterhin anbieten, werden möglicherweise weitere Schritte gegen Sie in Betracht gezogen. Wir können Sie also in Ihrem eigenen Interesse nur bitten, daß Sie die Zeitungen umgehend aus Ihrem Sortiment nehmen." Der Pressegroßhändler R. aus Remscheid wurde Ende 1996 von mehreren Jugendlichen angesprochen, warum er die JF verkaufe. Wenige Tage später demonstrierte die Gruppe vor seinem Ladengeschäft und forderte vorbeikommende Kunden und Passanten unter Zuhilfenahme des Lautsprechers eines Kraftfahrzeuges dazu auf, generellen Boykott zu üben. Schließlich mußte die Polizei eingreifen. Doch damit nicht genug: Im Februar dieses Jahres erlebteHerr R., wie ein junger Mann mit Rucksack alle verfügbaren Exemplare der jungen freiheit zusammenrollte und ohne zu bezahlen den Laden verließ, als er gerade eine anwesende Kundin bediente. Trotzdem war R. bereit, die JF weiter zu beziehen, wenn ihm die Kosten dieses Diebstahls vom Verlag ersetzt würden. Selbstverständlich übernahm dies die JF. Doch ein Ziel wurde trotz der herausragenden Haltung des Händlers erreicht: die Zeitung, wenn auch in diesem Fall nur in geringem Maße wirtschaftlich zu schädigen.

Hämisch kommentieren linke Untergrundpostillen, wie zum Beispiel Blow up! in ihrer Frühjahrsausgabe 1997, den "Erfolg" ihrer Aktionen. Wörtlich heißt es unter der Überschrift: "Die junge freiheit im sterben (!)": "Jaja, auch wir bringen mal eine frohe Botschaft. Die Nazi-Postille junge freiheit (JF) steht kurz vor der Pleite." "Am Beispiel der JF ist zu sehen, daß sich antifaschistischer Widerstand lohnt… Versetzen wir ihr den Todesstoß! Ruft zum Boykott von Nazipresse auf und derer, die sie verkaufen!" Eine diesjährige Sonderausgabe der Terroristenzeitschrift radikal verkündete: "Der Kampf gegen dieses faschistische Schmierenblatt, welches für die neuerwachenden ‘doitschen’ Großmachtträume von Konservativen bis Nazis steht, muß weitergehen."

Und nicht zuletzt meldete sich das Chaotenorgan der Sprengelbesetzer in Hannover, razz, im Juni 1997 zu Wort: "An dieser Stelle möchten wir erwähnen, daß auch die Kampagne gegen Nazizeitungen ihrem Höhepunkt entgegensteuert. Die junge freiheit steht aufgrund von sinkenden Abozahlen vor dem AUS und wartet auf ihren wohlverdienten Todesstoß." Man fühlt sich dabei unweigerlich an das alte Sprichwort erinnert: "Gleiche Brüder, gleiche Kappen"!

Unterstützung erhalten diese linksextremistischen Organe auch von angeblich seriösen Zeitungen, wo überall das unausgesprochene Wohlwollen diesen Parolen gegenüber spürbar ist. Mit klammheimlicher Freude druckten zahlreiche Presseorgane auch die Falschinformation vom angeblichen Konkurs des Projektes ab. Es sind die gleichen Blätter, die zum Brand der Druckerei 1994 entweder gar nicht oder nur unsachlich berichteten. Natürlich ist man prinzipiell "gegen Gewalt". Für Demokratie natürlich auch. Und für Meinungsfreiheit erst recht. Welche Frage!


 
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