© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/97  05. September 1997

 
 
Science-Fiction-Film: "Das fünfte Element" - Europas Antwort auf Amerika
Ohne originäre Bildersprache
von Werner Olles

Ägypten im Jahre 1913: Im Auftrag des "absolut Bösen" entführen Aliens das "fünfte Element", das allein in der Lage ist, die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Über dreihundert Jahre später ist die Erde in Gefahr, von diesem "Bösen" endgültig vernichtet zu werden. Mit Hilfe der "Mangalores" will der finstere Zorg (Gary Oldmann) die Ankunft jenes "All-Negativums" vorbereiten, das die Menschheit verschlingen soll.

New York im Jahre 2259: Der Air-Taxi-Fahrer Korben Dallas, ein früherer Elitesoldat (Brue Willis), ist gerade auf der Flucht vor den Flugstreifen der Verkehrspolizei, als ihm das Mädchen Leeloo (Milla Jovovich) aus der Luft ins Taxi fällt. Leeloo ist selbst die Trägerin des "fünften Elements". Mittels einer perfekten DNA aus einer winzigen Zelle ins Leben gerufen, ist sie dazu auserwählt, gemeinsam mit Dallas die Erde zu retten. Der mythischen Kraft des Bösen setzt sie die magische Kraft des Guten entgegen. In einem ägyptischen Tempel entscheidet sich das Schicksal der Menschheit ...

"Das fünfte Element" ist großes Kino in "Blade Runner"-Ästhetik, ein futuristisches Spektakel, mit dem der französische Filmregisseur Luc Besson ("Im Rausch der Tiefe", "Nikita") vor allem an die Erfolge seines inzwischen legendären Vorbildes Stephen Spielberg anzuknüpfen gedachte. Die Geschichte zum Film hatte er schon vor zwanzig Jahren niedergeschrieben, als der Sohn eines Tauchlehrers bei seiner Mutter in der Provence lebte und sich dort weidlich langweilte. Bereits 1990 gab es die erste Drehbuchversion zum "Fünften Element", doch scheiterte die Realisierung zunächst an technischen und finanziellen Problemen. Nachdem Besson "Leon – der Profi" gedreht hatte, war zumindest das Finanzproblem gelöst. Mit 90 Millionen Dollar in der Rückhand war es möglich, nicht nur eine Sortiment erstklassiger Special Effects, sondern auch den US-Star Bruce Willis zu engagieren. Dieser war vom Drehbuch so hingerissen, daß er sofort zusagte. So nahm das bislang teuerste europäische Leinwandabenteuer der Filmgeschichte seinen Lauf.

Die Fabel ist recht simpel. Besson geht es auch diesmal um das Visuelle, um die Ästhetik und die Realisierung seiner eigenen mythologischen Vorstelllungen. Tatsächlich ist die Welt der Zukunft hier alles andere als eine Endzeitvision. Bessons Futurismus ist eher einer der konservativen Wahl, hinter und unter seinen Wolkenkratzerschluchten läßt sich die alte Welt noch sehr gut erahnen. Anders als in John Carpenters "Die Klapperschlange" und in Ridley Scotts "Blade Runner" ist die Vergangenheit hier nicht völlig ausgelöscht zugunsten einer utopischen Junk-Ästhetik. Zwar steht die berühmte Freiheitsstatue inzwischen auf dem Trockenen, weil der Meeresspiegel bedrohlich gesunken ist, aber die Taxis, die in Höhe des 300. Stockwerks durch die Lüfte rasen, haben immer noch die Farbe der guten alten Yellow Cabs. Der ökologische Kahlschlag, die endgültige Zerstörung der Umwelt, die Katastrophenängste einer ums Überleben kämpfenden Menschheit, all dies tritt bei Besson kaum in den Vordergrund. Er läßt zwar durchblicken, daß sich die Zivilisation nicht gerade zu ihrem Vorteil entwickelt hat, aber die Sehnsucht nach der Natur und der Kampf um ihre Erhaltung verbinden sich hier nicht zum Katastrohen-Mythos, sondern allenfalls zur Zivilisationskritik. Das macht den Film zu einer ästhetisch-visuellen Seh-Erfahrung, deren komödiantische Elemente nicht zu unterschätzen sind, aber es fällt auch auf, daß Form und Bedeutung nicht mehr identisch sind. Besson verwendet Musik weniger als Untermalung, sondern kontrapunktisch und kommentierend, was an die psychedelischen Science Fiction-Filme der siebziger Jahre erinnert.

Allerdings muß man Besson vorwerfen, daß er die Chance versäumt hat, "Das fünfte Element" zu einem Versuch über die Grenzen der Menschheitskultur und der hybriden Konstruktion des menschlichen Geistes zu machen. Aus der sehr actionreichen und phantastischen Reise wird fast nirgendwo eine philosophische Selbsterfahrung des Menschen. Auch ein paar mehr oder weniger tiefsinnige Dialoge zwischen Dallas und Leeloo ändern nichts daran, daß der Film hier an Grenzen gerät, die ihn von Meisterwerken wie "Blade Runner" oder "Gods Army" krass unterscheiden. Die Special effects, die dynamischen Darsteller sowie eine professionelle Beleuchtung und Kameraführung vermögen keine eigenständige Bildsprache zu entwickeln. Die mythischen Ikonen werden von der Thriller-Handlung völlig überdeckt. Zwar ist er nicht der schlechteste, wohl aber der enttäuschendste SF-Film der letzten Jahre.


 
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