© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/97  05. September 1997

 
 
Nordrhein-Westfalen: Islamischer Gebetsruf sorgt für Streit
Der Muezzin in Castrop-Rauxel
von Hans Erben

Seit Monaten schwelt ein Streit in den rheinischen und westfälischen Landeskirchen über den Charakter von öffentlichen islamischen Gebetsrufen in Deutschland. Dem evangelischen Duisburger Pfarrer Dietrich Reuters trug sein Nein zum Muezzin-Ruf von der Leiterin des Essener Instituts für Türkeistudien gar den Vorwurf des Rassismus ein.

Der Gebetsruf des Muezzin habe nicht eine missionarisch-agitatorische Funktion, sondern eine liturgische, meinte nun Pfarrer Rothe, der Islam-Beauftragte der rheinischen und westfälischen Landeskirchen in der evangelischen Zeitschrift Der Weg. Er sieht in ihm auch keine antichristliche Polemik. Die Verwandtschaft des Islams mit Juden- und Christentum sei "so eng, daß von den drei abrahamitischen Religionen gesprochen" werde. Der Islam akzeptiere die Existenz nicht-islamischer Religionen. Lediglich islamische Extremisten sähen Christen als Ungläubige an. Die überwältigende Mehrheit der Muslime in Deutschland stehe loyal zum Staat.

Rothes Fazit: Es sei unverständlich, wie der Streit um den Gebetsruf entstehen konnte. Es gehe "um das Grundrecht der Religionsfreiheit … in der sich entwickelnden multireligiösen Gesellschaft." Evangelische Christen und Gemeinden sollten Muslimen Zeichen guter Nachbarschaft geben – im Sinne des Friedensauftrags ihres Herrn.

Diese Auffassung wird von Religionswissenschaftlern zunehmend kritisiert. Der islamische Gebetsruf bestreite, so Christian Schirrmacher, daß es den Gott der Bibel gibt: "Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet." Das ist nicht nur ein Affront gegen Christen, sondern vor allem gegen Gott selbst – was freilich nur von denen empfunden wird, die ihn lieben und ehren.

Der Affront besteht auch in den Besitzansprüchen und dem Weltherrschaftsanspruch, die von Islamisten erhoben werden – Unterdrückung und Verfolgung von Christen sind in islamischen Staaten zu weit verbreitet, als daß wir diese Ansprüche mit Schweigen übergehen dürfen. Selbst wenn diese Ansprüche nur von einer Minderheit vertreten würden, müßten sie ernst genommen werden, weil eine Minderheit mit ausgeprägter religiöser und nationaler Identität im Ernstfall weitaus wirksamer handeln kann als die deutsche Mehrheit, der man diese Identitäten weithin ausgetrieben hat. Ist die Loyalität gegenüber unserer Demokratie belastbar angesichts der Tatsache, daß jedem Muslim, der die islamische Lehre ernst nimmt, Religion und weltliche Herrschaft als untrennbar gelten, wogegen die modernen Demokratien auf dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirchen beruhen? – Alles Fakten, die einem Islam-Beauftragten nicht unbekannt sein dürften.


 
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