© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/97  12. September 1997

 
 
Viktor Frankl: Der Vater der Logotherapie ist in Wien gestorben
Die Suche nach dem Sinn
von Norbert Niemann 

Der weltbekannte Psychiater und Psychotherapeut Viktor E. Frankl ist tot. Der Wiener "Vater der Logotherapie" der dritten Wiener Schule der Psychotherapie, erlag am 2. September im Alter von 92 Jahren in der Bundeshauptstadt einem Herzversagen. Die Beerdigung an einem von der Familie nicht genannten Ort hat bereits stattgefunden. Das teilte das Wiener "Viktor-Frankl-Institut" am Mittwoch mit. Zahlreiche Vertreter des öffentlichen Lebens sowie aus dem Bereich von Medizin und Psychiatrie zeigten sich tief bestürzt über das Ableben des Autors von 32 Büchern und Inhaber von 28 Ehrendoktoraten.

"Viktor Frankl erlag einem Herzversagen", sagte am Mittwoch der Sprecher des nach dem Psychiater benannten Instituts, das sich mit Logotherapie und Existenzanalyse beschäftigt. Frankl – geboren am 26. März 1905 in Wien – war seit längerem herzleidend gewesen. Sowohl in seiner Wohnung in Wien-Alsergrund als auch in seinem Wochenendhaus im Wienerwald waren Sauerstofflaschen bereitgestanden. An sich hätte Frankl für seinen Tod vorgesehen, daß die Nachricht erst später verbreitet werden sollte. Nähere Angaben zu dem bereits erfolgten Begräbnis wurden nicht gemacht.
Am 6. Juni dieses Jahres hatte der hochbetagte und geistig rüstige Psychiater, der allerdings durch eine Degenerationserscheinung des Augenhintergrundes stark sehbehindert wer, in seiner Wohnung die höchste Auszeichnung der Polnischen Akademie für Medizin, die "Medicus Magnus Medaille", erhalten. Noch im Juli äußerte sich US-Präsidentengattin Hillary Clinton bei ihrem Wien-Besuch "begeistert", daß Bundespräsident Thomas Klestil zu einem Essen in der Hofburg auch Frankl eingeladen hatte. Frankls Weg zu der von ihm formulierten "Logotherapie" und "Existenzanalyse" hatte in den Konzentrationslagern von Theresienstadt und Dachau-Türkheim begonnen. In den Lagern hatte er sein erstes dementsprechendes Werk "Ärztliche Seelsorge" geschrieben. Das erste Manuskript wurde vernichtet, der Psychiater rekonstruierte es nach seiner Heimkehr, wo er 1946 Primarius an der Neurologischen Abteilung der Polyklinik in Wien-Alsergrund wurde.

Mit dem Werk "Man’s Search for Meaning", das 1959 erschien, begründete der Psychiater, der auf der Kraft der menschlichen Vernunft und auf den Gestaltungswillen des Individuums baute, die Existenzanalyse und darauf aufbauend die Logotherapie.


 
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