© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/97  03. Oktober 1997

 
 
Unvernünftige Richter
von Heinrich Lummer

Es ist schier zum Verzweifeln: Immer wieder werden ausländerrechtliche Bestimmungen zum Gegenstand eines Rechtsstreits, und immer wieder erregen die Urteile Unverständnis und Fassungslosigkeit bei Bürgern, die man weder als dumm noch als ausländerfeindlich bezeichnen kann. So hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Berlin am vergangenen Donnerstag in einem Grundsatzurteil (Az.: 1 C 3.97, 1 C 10.97, 1 C 11.97) entschieden, daß ausreisepflichtigen Vietnamesen auch dann eine Duldung zu erteilen ist, wenn sie eine freiwillige Rückkehr in ihre Heimat ablehnen und eine Abschiebung nicht möglich ist, weil das Herkunftsland die Aufnahme verweigert.

Wieso – um Himmels willen – soll ein Ausländer in Deutschland geduldet werden, der die Möglichkeit zur freiwilligen Ausreise hat? Wieso müssen wir jemanden alimentieren, der gesetzlich verpflichtet ist auszureisen? Nur in Deutschland ist so etwas möglich. Wenn diejenigen, die zur Ausreise verpflichtet sind, sich weigern zu gehen und ihr Heimatland sich weigert, sie wieder aufzunehmen, dann wird nach dem Willen der Berliner Verwaltungsrichter ihr Aufenthaltsstatus in Deutschland verbessert. Wenn dies Schule macht, dann gute Nacht. Deutschland wird geschädigt und der Schädiger wird noch obendrein belohnt. Das erscheint pervers. Ein derartiges Urteil erweckt neue Hoffnungen, schließlich doch nicht abgeschoben zu werden. Und es macht deutlich, daß nicht der deutsche Staat das Verfahren beherrscht, sondern das Land, das die Aufnahme verweigert und derjenige Ausländer, der nicht ausreisen will. Und das geht nun wirklich gegen den Strich. Da ist es hohe Zeit, neue Saiten aufzuziehen. Wie miserabel dieses Urteil ist, wird schon daran deutlich, daß sogar die Berliner Ausländerbeauftragte herbe Kritik übt. Zutreffend meint sie: "Wie lange sich ausreisepflichtige Ausländer in Deutschland aufhalten, bestimmt nicht mehr der Gesetzgeber, sondern bestimmen einzig die Herkunftsländer und die Zuwanderer selbst." Was ist zu tun?

Erstens: Länder, die sich weigern ihre Staatsbürger zurückzunehmen, haben keinerlei Unterstützung von Deutschland verdient. Jede Hilfe ist zu überprüfen, wenn es nicht zu einem soliden Rückführungsabkommen kommt. Zweitens: Zur Ausreise verpflichtete Ausländern sollte die Sozialhilfe gestrichen werden. Es ist widersinnig, den Rechtsstatus der Widerspenstigen zu verbessern. Drittens: Da die Gerichte sich auf vorhandenes Recht berufen, muß das Recht eben geändert werden, um unvernünftigen Richtern keinen Spielraum für Fehlentscheidungen zu lassen.


 
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