© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/97  03. Oktober 1997

 
 
Zu christlich: Rot-Kreuz-Emblem soll in Kampfzonen abgeschafft werden
Neutrales Symbol gesucht

von Hans B. von Sothen

Das Rote Kreuz, wohl eines der bekanntesten Zeichen der Welt, soll als Schutzzeichen in Kampfgebieten mittelfristig möglicherweise abgeschafft werden. Dies wurde vor kurzem in London bekannt. Wie das Genfer Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) in einer Presseerklärung mitteilte, haben das IKRK und einige Arbeitsgemeinschaften bereits seit Jahren die Probleme beraten, die vor Ort in Kampfgebieten aus dem als christlich verstandenen Roten Kreuz erwüchsen. Es hätten sich in letzter Zeit die Zahl der Übergriffe auf Stützpunkte des Roten Kreuzes erhöht. Es seien, so das IKRK, mehrere Lösungen vorgeschlagen worden, unter anderem die, das Rot-Kreuz-Emblem durch ein "neutrales" Symbol, etwa einen roten Diamanten oder eine rote Raute zu ersetzen. Dieses Dokument wird von allen 172 nationalen Rot-Kreuz-Organisationen der Welt auf ihrer am 25./26. November stattfindenden Konferenz in Sevilla diskutiert werden. Eventuell solle dieses neue Symbol in Krisengebieten auch zusammen mit dem Roten Kreuz und dem Roten Halbmond benutzt werden, um Objekte zu kennzeichnen, die seit 1949 von der Genfer Konvention geschützt werden.

Besonderen Wert legen sowohl das Genfer IKRK als auch das Deutsche Rote Kreuz darauf, daß "das Rot-Kreuz-Emblem keine irgendwie geartete religiöse Bedeutung hat, sondern eine Umkehrung der Farben der Schweizer Flagge ist." "Dennoch", so IKRK-Präsident Cornelio Sommaruga, "haben wir Verständnis für die Empfindlichkeit des Israelischen Roten Davidsterns" (Magen David Adom). Dieses Symbol wird allerdings von den islamischen Ländern nicht als Schutzzeichen anerkannt, ein Problem, das durch ein neutrales Schutzzeichen umgangen werden könnte. Offizielle Stellungnahmen von Mitgliedern des Roten Halbmondes, der ja nicht zufällig ebenfalls ein religiöses Symbol ist, sind bislang nicht bekannt geworden.

Diese Pläne und ihre Begründung stoßen allerdings auch intern auf Kritik. Mike Whitlam, Generalsekretär des britischen Roten Kreuzes, will in Sevilla das Symbol verteidigen: "Das existierende Symbol darf in seiner Bedeutung, vor allen Dingen in Kriegsgebieten, nicht geschwächt werden. Bei der Einführung eines neuen Symbols würden sofort Unsicherheiten entstehen. Die Leute würden nicht mehr wissen, was eigentlich geschützt ist, und es würde prompt zu Überfällen kommen."

Es scheint aber, daß der eigentliche Hauptzweck der Aktion nicht in den angeblich zunehmenden Übergriffen liegt, sondern in dem Willen zur Beschleunigung globalisierender Tendenzen bei einigen maßgeblichen Kreisen innerhalb des IKRK. Auch ist bereits seit Jahrzehnten im IKRK eine Zurückdrängung des religiösen Elements der Nächstenliebe zu beobachten. So ist es eben keineswegs richtig, daß das Rote Kreuz "keinerlei religiöse Bedeutung" habe, wie die Genfer Zentrale, aber auch das DRK nicht müde werden zu betonen. Der Gründer des Roten Kreuzes, der Schweizer Henry Dunant, war maßgeblich christlich geprägt, was sich auch auf die 1863 von ihm gegründete Organisation niederschlug. Bereits 1855 hatte er den "Weltbund christlicher junger Männer" gegründet, der dazu dienen sollte, junge Menschen zusammenzuführen, die "Jesus Christus nach der Heiligen Schrift als ihren Gott und Heiland anerkennen". Die Gründung des Roten Kreuzes entstand, als Dunant Augenzeuge der entsetzlichen Folgen der Schlacht von Solferino zwischen Franzosen und Österreichern wurde.

Wie das Symbol zum Zeichen der Hilfsgesellschaften wurde, ist bis heute ungeklärt. Dunant erwähnt es in seiner "Erinnerung an Solferino" nicht. Den Zusammenhang zwischen dem Symbol und dem Schweizer Staatswappen als "Zeichen zu Ehren der Schweiz" stellte erst die Diplomatische Konferenz im Jahre 1906 her. Sicher ist, daß 1863 "Nächstenliebe, Gehorsam, Unentgeltlichkeit" die erste Losung Dunants war. Aus allem wird deutlich, daß Dunant das Rote Kreuz sowohl als Zeichen der Neutralität als auch der Caritas, der Nächstenliebe, gesehen hat. "Inter Arma Caritas" – "Inmitten der Waffen Nächstenliebe", das ist bis heute die klassische Losung des Roten Kreuzes. Seit 1961 ergänzt durch das weltliche Motto "Per Humanitatem ad Pacem" – Durch Menschlichkeit zum Frieden. Daß in der offiziösen Geschichte des IKRK von Hans Haug ("Menschlichkeit für alle") sowohl die Begriffe caritas als auch humanitas mit "Menschlichkeit" übersetzt werden, ist sicher kein absichtsloser Übersetzungsfehler, sondern die Ersetzung der religiösen Beweggründe Dunants durch die Begrifflichkeit der One-World-Ideologie


 
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