© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/97  03. Oktober 1997

 
 
Kärnten: Ulrichsberg im Kreuzfeuer der Heuchler
Heuchler- Attacke

von Andreas Mölzer

Die Staatspolizei hat es uns via Medien schon wissen lassen: sie wird bereits im Vorfeld des heurigen Heimkehrertreffens auf dem Kärntner Ulrichsberg tätig sein, um aus der Feier keine "rechtsextreme" Weihestunde werden zu lassen. Absperrungen, Personenkontrollen, Perlustrierungen werden also vorgenommen. Man wird spähen, ob da nicht der eine oder andere 80jährige auf seinen Kriegsorden die Embleme einer längst in die Geschichte versunkenen Diktatur herauszufeilen unterlassen hat. Man wird die 16jährigen Gymnasiasten der wehrhaften Kärntner Korporationen, die bei der Feier traditionellerweise chargieren, observieren und ihnen womöglich einen ersten Eintrag in eine staatspolizeiliche Akte verpassen. Fürst Metternich und sein Polizeiminister, Graf Sedlnitzky, schmunzeln im Jenseits, und unsere zeitgenössischen Tugendterroristen aus dem Antifa-Lager sind zumindest ein wenig besänftigt.

Ihr Groll war ja ursprünglich ein großer. Haben es doch da diese chronisch zur politischen Inkorrektheit neigenden Kärntner gewagt, die Umwandlung des Heimkehrertreffens in ein Gedenken für alle Opfer der unseligen vergangen Epoche, insbesondere natürlich für jene des Nationalsozialismus, zu verweigern. Ist doch tatsächlich unerhört: Nachdem die Heimkehrergedenkstätte von mutmaßlich linken Provokateuren geschändet wurde, wagt man es, auf die, aus der linken Ecke kommenden Reformvorschläge nicht einzugehen.

Kärnten ist eben anders. Und speziell der Kärntner Herbst: Wenn die Luft so klar und die Sicht so weit ist, lassen sich die Menschen, seltsamerweise bis hinauf zu den Politikern, ihr eigenes Bild der Dinge nicht vernebeln. Wenn Menschen, die aus einem schrecklichen Krieg gerade noch überlebend nach Hause gekehrt sind, einander hier treffen, um jener zu gedenken, die dieses Glück nicht hatten, wenn sich ein paar Tausend Kärntner, alte Kriegsteilnehmer aber auch ihre Enkel mit ihren Freunden aus dem Ausland auf dem mons carantanus zusammentun, um an jene 18-, 19-Jährigen zu denken, die zwischen Kirkenes und Kreta, zwischen Wolgastrand und Normandie modern, versteht man dies in Kärnten. Und warum sollte es nicht erlaubt sein, in erster Linie der eigenen Opfer zu gedenken und nicht völlig indifferent aller global und die ganze Weltgeschichte umfassend.

Man stelle sich vor, der Kärntner Abwehrkämpferbund würde verlangen, daß die Denkmäler der Tito-Partisanen – und derer gibt es in Unterkärnten genug – mit Inschriften ergänzt werden sollten, die an die Deutschkärntner Opfer des Kärntner Abwehrkampfes oder der Verschleppung bei Kriegsende 1945 erinnern. Wahnwitz, hieße es. Umgekehrt hat man aber allen Ernstes verlangt, daß die Kärntner Heimkehrer auf ihrer Gedenkstätte am Ulrichsberg eben auch der Opfer des Widerstands gegen den Nationalsozialismus – und damit auch den Partisanen – gedenken sollten.

Nun sei deren Leiden hier keineswegs geschmälert. Ihre Denkmäler seien geehrt. Den ganz gewöhnlichen Österreichern, die in den beiden Weltkriegen – sei es freiwillig oder gezwungen, was tut’s – in der regulären Armee dienten, muß ihre eigene Gedenkstätte aber wohl auch zugestanden werden. Und wenn dort die prägenden Jugendjahre dieser alten Männer, die da noch leben, die eben unglückseligerweise Kriegsjahre waren, bisweilen vom einen oder anderen glorifiziert werden, so ist dies psychologisch nur zu verständlich. Auch die in die Jahre gekommenen 68er glorifizieren ihre wilden Jahre in der linken Revolte, und sind dabei genauso spießig wie die von ihnen so verachtete Kriegsgeneration.

Wenn Innsbrucker Politikwissenschafter und die Archivare der Dennunziations-Dossiers in der Wiener Wipplinger Straße nicht ruhen wollen, bis das letzte Kriegerdenkmal in Österreich geschleift ist, mag dies der zeitgemäßen Heuchelei der political correctness entsprechen. Die Menschen im Lande, und nicht nur jene in Kärnten, denken im Grunde weitgehend anders: sie wollen keine Verherrlichung des Krieges, sie wollen aber auch das Andenken an ihre Väter und Großväter nicht beschmutzt sehen. Das, was der ibero-amerikanische Philosoph George Santayana sagte, daß nämlich Völker, die ihre Geschichte vergäßen, dazu verurteilt seien, sie erneut zu durchleben, wissen die Menschen intuitiv. Darum sind Denkmäler und Gedenkstätten nicht Orte der Glorifizierung einer leidvollen Vergangenheit und des Krieges, sondern des Erinnerns an Höhen und Tiefen der eigenen Geschichte und der Mahnung, die Fehler der Vergangenheit nicht noch einmal zu begehen. Ideologisch motivierte Denkmalstürmer aber oder gar Denkmalschänder perpetuieren hingegen Unduldsamkeit und Gewaltbereitschaft.

Man darf gespannt sein, ob die Staatspolizei gegenüber den Schändern der Ulrichsberg-Gedenkstätte auch so entschieden vorgeht wie gegen Rechtsextreme. Bislang sind jedenfalls die Schänder von Abwehrkampfdenkmälern noch nie gefaßt worden. Dies geht zurück bis in die siebziger Jahre, als bekanntlich massive Anschläge durchgeführt wurden, etwa auf das Abwehrkampfmuseum in Völkermarkt. All das wurde nicht wirklich aufgeklärt. Wer hat auch daran schon Interesse?


 
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