© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/97  17. Oktober 1997

 
 
Udo Ulfkotte: Verschlußsache BND
Agenten müßen schweigen
von Holger von Dobeneck

Es gibt kein Redaktionsgeheimnis mehr. Zu dieser erschreckenden Erkenntnis muß man gelangen, folgt man Udo Ulfkotte, Redakteur der FAZ, der eine umfassende Studie über den Bundesnachrichtendienst und die Geschichte der Spionage vorgelegt hat. Der technische Dienst des BND und die Kenntnisse der Elektroniker weltweit, vor allem die des CIA, lassen alle Bemühungen des Datenschutzes um grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrechte reichlich blaß aussehen. Fazit: Jedes Gespräch kann abgehört, jede elektronische Nachricht entschlüsselt, jedes Computerprogramm geknackt, jeder geäußerte Gedanke aufgezeichnet werden. Bewegungsstudien anhand der Benutzung von Handys lassen den Aufenthalt von Personen metergenau nachzeichnen. Wir leben tatsächlich im "Orwellschen Zeitalter". Computerprogramme, die auf Stichworte geeicht sind, können jeden ermitteln, der sie äußert. Flüstert irgend jemand in der Welt in ein Telefon "Sun Yee On", wissen die Ermittler weltweit, daß von den chinesischen Triaden, der brutalsten und übelsten Verbrecherorganisation der Welt die Rede ist.

Denn jeder, der ein Auslandsgespräch führt, gerät zunächst einmal in die Abhörnetze. Magnetstreifen von Kreditkarten abzulesen, ist ein Kinderspiel. Bei dem Cyber-money sind die Kunden die Dummen, wenn sie beweisen sollen, daß sie kein Geld abgehoben haben. Man ist in der Lage, alle elektronischen Daten abzufangen. Selbst Abwehrprogramme nutzen da wenig, denn der amerikanische Geheimdienst hat einen Schlüssel, der alle Verschlüsselungsprogramme obsolet macht. Die Amerikaner sind heute in der Lage, alle Waffensysteme, die sie verkaufen, mit einem Chip zu versehen, der als Selbstzerstörungsprogramm in Aktion tritt, sobald die Systeme sich gegen amerikanische Interessen richten. Dann stürzen Flugzeuge ab und Panzer stehen still. In Deutschland nutzen die Amerikaner ihr Know how mit großer Dreistigkeit zur Industriespionage. Letztendlich läuft es darauf hinaus, daß nur der große Bruder alles wissen darf.

Zur Informationsverschlüsselung gibt es verschiedene Techniken. Wird etwa ein Gerät mit Hochfrequenzstrahlung bestrahlt, können die eingestrahlten Wellen die Information mitnehmen. In der Türkei wird jedes Handy-Gespräch abgehört, öffentliche Telefonzellen sind verwanzt. Was Türken können, können Deutsche auch.

Dies hat sich herumgesprochen, die Telekom gibt einen Rat: Ziehen Sie immer die Telefonkabel ihrer ISDN-Karte oder des Modems ab, wenn sie nicht on-line sind. Es ist ein grober Fehlschluß, wenn man die Nachrichtenleute nur als schlapphutbewehrte Trottel darstellt, die mit altertümlichen Methoden à la Nick Knatterton arbeiten.

Vieles haben die Dienste falsch gemacht, das ist wohl wahr, und der öffentlichen Kritik dürfen sie sich stets gewiß sein. Daß sie jedoch auch Erfolge haben und die Öffentlichkeit vor großen Gefahren schützen, dürfen sie nicht sagen. Ihre Aufgabe ist, Waffenhandel, Wirtschaftsspionage und organisierte Kriminalität durch Informationsermittlung zu bekämpfen. Sie schützen den Staat und seine Bürger. Es ist in der Öffentlichkeit nicht bekannt, daß zumBeispiel die Ukraine im radiumverseuchten Gebiet um Tschernobyl Haschisch anbaut und gegen gewisse Zahlungen bereit ist, den Verkauf zu unterbinden. Es ist nicht bekannt, daß die russische Regierung öfters diskrete Hinweise gibt, daß ihre Raketen nach wie vor auf den Westen gerichtet seien und daß plötzliche Codierungsfehler jederzeit auftreten könnten, es sei denn, man unterstütze die russische Forschung mit entsprechenden Zahlungen…

Es ist nicht bekannt, daß Nordkorea um Lebensmittelhilfe bettelt und gleichzeitig mit diesen Geldern Opiumfelder anlegt. Es ist nicht bekannt, daß die italienische Regierung unter Dini andere Staaten erpreßt, um Deutschlands Sitz im UNO-Sicherheitsrat zu verhindern. Es ist auch nicht bekannt, daß London und Paris alles tun, um Deutschland aus dem Rüstungselektronik-Markt zu verdrängen und damit deutsche Arbeitsplätze und die deutsche Wirtschaft gefährden. Sie möchten die deutsche Technologieentwicklung schädigen und die europäische Sicherheits- und Außenpolitik dominieren. Oder jener dubiose kenianische Asylbewerber namens Peter Emerinkus-Donatus, der der Presse und vor allem der taz kiloweise Märchen aufbindet mit angeblich von Shell verursachten Massakern, um in Wahrheit Shell durch Erpressung um 300.000 Dollar zu erleichtern. All dies und noch viel mehr deckte der BND auf, bloß gelingt es ihm nicht, positive PR zu gestalten.

Der BND arbeitet mit 200 Diensten der Welt eng zusammen, doch ist Interessen-Identität selten gegeben und aus den Freunden von gestern können die Konkurrenten von morgen werden. Das schlechte Image ist auch auf die Vorgehensweise und Desinformationspolitik der Dienste zurückzuführen. Das liegt in der Natur der Sache. Vor allem der Mossad steht in dem Ruf, kein Auge trocken zu lassen bei der Verfolgung seiner Interessen, die er ohne Rücksicht auf nationale Souveränitäten durchzieht. Überhaupt kann man feststellen, daß im Nahostkonflikt "Hydrogeographische Interessen" eine große Rolle spielen. Israel ist nicht daran interessiert, den Libanon zu verlassen, da es an der Wasserregulierung des Litani ein nationales Interesse besitzt. Gerade über die verworrene Lage im Nahen und Mittleren Osten weiß der BND sehr viel, und er kann somit der Außenpolitik wertvolle Hinweise geben.

Er weiß wohl auch manches über die wahren Hintergründe des Barschel-Todes zu sagen. Er wußte auch von den todbringenden geheimen radioaktiven Durchleuchtungspraktiken der ehemaligen Stasi, die die Krebsrate in der Berliner Bevölkerung in absehbarer Zeit anschwellen lassen wird. Doch er darf nicht alles sagen, was er weiß, und wenn die Politiker nicht auf ihn hören, ist es häufig selbstverschuldete Dummheit, die Schäden hätte abwenden können.

Ulfkotte verschweigt aber auch nicht die Fehlschläge und desinformierenden Inszenierungen des BND. Der Nachrichtendienst steckt wie Sicherheitsdienst, Polizei und Militär in dem Dilemma, bei der Lösung seiner Aufgaben gelegentlich auch Schaden anzurichten. Da aber nun einmal die Welt ist, wie sie ist, muß man dieses in Kauf nehmen, um Schlimmeres zu verhüten.

Das schlimmste Übel ist die manichäische Weltsicht der Linken, sie sollte sich besser an Faßbinder halten: Keiner ist böse und keiner ist gut. Wir alle gleichen eher den gestreiften Zebras als schwarzen oder weißen Fabeltieren. Ohnehin sind Schwarz und Weiß keine Farben, sondern Extrempunkte auf einem Kontinuum.

 

Udo Ulfkotte: Verschlußsache BND, Koehler & Amelang, München/Berlin 1997, 350 Seiten, geb., 48 Mark


 
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