© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/97  31. Oktober 1997

 
 
Franz-Ulrich Willeke (Hg.): Die Zukunft der D-Mark
Kosten und Nutzen
von Hartmuth Becker

Das schwungvoll geschriebene Buch, mit dem ein wertvoller Beitrag zur Streitkultur geleistet wird, umfaßt acht Hauptkapitel und eine literarische Einleitung aus der Feder einiger renommierter Wirtschaftsautoren. Die einmalige und aktuelle Erfassung der Gesamtthematik erhebt das Werk zu einer Pflichtlektüre für Groß und Klein.

Dabei kann die für eine Streitschrift eindeutige Positionierung keinesfalls als plakativ bezeichnet werden. Wenn Willeke dem Maastricht-Vertrag sein Ceterum censeo (22) entgegensetzt, geht er über eine facettenreiche Kritik hinaus und entwirft Alternativen zur Geldverfassung der Währungsunion. Es ist ihm, um einer naheliegenden Gegenkritik vorzubeugen, nicht um die Ankerfunktion der DM zu tun (81); vielmehr reißt er das Szenario eines disziplinierenden Währungswettbewerbes zwischen unabhängigen Zentralbanken an, der allen stabilitätsbewußten Mitgliedsstaaten nützt (20ff). Der im Maastricht-Vertrag vorgesehene Wettbewerb der Meinungen innerhalb der Europäischen Zentralbank dürfte vergleichsweise zweitklassig sein (82f), zumal die Stabilitätsorientierung durch die Kompetenzzuweisung der Wechselkurspolitik an den Rat der Minister unterlaufen wird (56f).

Willekes fundierter Hintergrund erlaubt ihm, Scheinargumentationen schonungslos zu entlarven. So zeigt er, daß der Euro nicht zur Brechung der – böswillig ausgedrückt – DM-Hegemonie instrumentalisiert werden sollte, weil eine starke DM schließlich nicht "auf einem machtpolitischen Willkürakt, sondern auf stabilitätspolitischen Erfolgen" (61) beruht. Im Gegenteil dürfte die Nichteinhaltung der vermeintlich strengen Konvergenzkriterien politische Konflikte programmieren (67ff), die die Gemeinschaft sprengen können.

Homburgs Beitrag führt in die finanzpolitische Diskussion der Währungsunion ein (93ff) und wäre allein schon wegen seiner gelungenen Kritik der stabilitätspolitischen Mythen lesenswert. Der zukünftige Status quo einer europäischen Haftungsgemeinschaft, so Homburg, läßt ein Lavieren am Abgrund des Staatsbankrottes und ein "creative accounting" (105) zu Verhaltensweisen fiskalischer Rationalität werden.

Eine akribische Bilanzierung der volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen findet sich in Rambs Artikel (109ff). Er führt aus, daß den Einsparungen von Transaktionskosten (knapp drei Promille des Bruttoinlandsproduktes), der Beseitigung von Wechselkursrisiken auf dem europäischen Binnenmarkt und einer nicht bezifferbaren, erhöhten Preis- und Kostentransparenz gewichtige Größen wie die unmittelbaren Kosten der Währungsumstellung (europaweit etwa 23 Milliarden DM allein im Bankensektor), die vermögens- und einkommensrelevanten Lasten aus der Abwertung der Noch-DM und ggf. die Lasten, die aus einer höheren Inflation und höheren Zinsen resultieren, gegenüberstehen. Die außenwirtschaftliche Währungsabsicherung, von der Bundesregierung als Pluspunkt verbucht, "ist sowohl wirtschaftstheoretisch nicht gesichert, wie auch aus den Erfahrungen der Vergangenheit nicht empirisch belegbar" (125). Zu erwarten ist ein Negatives-Summen-Spiel, in welchem lediglich die deutsche Exportwirtschaft mit temporären Vorteilen rechnen mag, während der vielfach größere deutsche Binnenmarkt – zum Beispiel durch höhere Importpreise – merklich stärker belastet wird.

Der Beitrag von Berthold lenkt den Blick auf den desillusionierenden Grund der Großen Koalition in Politik und Gesellschaft, der gerade in der Reformverhinderung zu liegen scheint. Zur Erhaltung von Besitzständen wird eine Vernichtung inländischer Arbeitsplätze in Kauf genommen. Auf den europäischen Rahmen übertragen, befürchtet Berthold, daß der Interventionismus zu einer gesamteuropäischen Systemharmonisierung auf einem kostentreibenden, hohen Niveau führen wird (163ff).

Der Euro, so nimmt Watrin an, wird an der Doppelaufgabe, stabiles Geld und Schrittmacher für die politische Vereinigung Europas zu sein, zerbrechen. Das merkwürdige Mischsystem der Europäischen Union aus Bundesstaat und Staatenbund, ein dilatorischer Formelkompromiß zwischen den hohen Vertragspartnern, ist durch einen besorgniserregenden Kompetenzwirrwarr gekennzeichnet. Seiner Analyse, das Herrschaftsmodell der europäischen Währungspolitik sei "trotz seiner klaren Orientierung an der Geldwertstabilität eher eine gutgemeinte Utopie denn eine realistische Alternative" (185), ist nichts mehr hinzuzufügen.

Willeke führt im abschließenden Kapitel in die Argumentationstechnik, Einschüchterungs- und Entmündigungsstrategien der Euro-Totalbefürworter ein (191ff). Rühmlicherweise bleibt er nicht bei der Analyse stehen und fordert trotz geschaffener ökonomischer Fakten zu einer Neuorientierung in diesem ausschließlich politischen Projekt auf. Ein Ausstieg ist bekanntlich nach Art. N Abs. 1 des Maastricht-Vertrages zulässig.

Franz-Ulrich Willeke (Hrsg.): Die Zukunft der D-Mark. Eine Streitschrift zur Europäischen Währungsunion, Olzog Verlag, München 1997, 248 Seiten, kt., 19,80 Mark


 
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