© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/97  07. November 1997

 
 
Euro: Beim Sparvermögen drohen Verluste
Die Frage eines Laien
von Ivan Denes

Eine unübersichtliche Flut von Meinungen zur bevorstehenden europäischen Währungsunion hat den Eurobürger längst überfordert. Trotzdem werden seine schlaflosen Nächte von unbeantworteten Fragen gequält – besonders eine.

Bisher stand im Mittelpunkt der Debatte die Frage, wie würden die Vorbedingungen, sprich: 3-Prozent-Klausel erfüllt. Die Eingrenzung der Verschuldung soll nämlich die Garantie für die zukünftige Stabilität der gemeinsamen Währung gewährleisten. Die EU-Finanzminister haben halsbrecherische Salti am hohen Trapez vollbracht – oft ohne Auffangnetz –, um dieses hehre Ziel zu erreichen. Die Mitglieder der Währungsunion sollen bei mangelnder Haushaltsdisziplin sogar bestraft werden! Dies würde garantieren, daß der Euro ebenso hart bleiben werde, wie weiland die D-Mark.

Da kommt schon der erste Zweifel des Laien auf: sind nicht die USA das meistverschuldete Land auf Erden? Bleibt der Dollar nicht trotzdem die Leitwährung, die Meßlatte aller Währungen der Welt, auch der härtesten? Seitdem 1971 die Konvertibilität in Gold endgültig in der Versenkung verschwunden ist, bemüht man sich bekanntlich um eine neue Definition des Geldwertes, das heißt der Stärke oder Schwäche der Währungen schlechthin. Gold war eine handfeste, positive Größe, wie klein der goldgedeckte Teil der umlaufenden Geldmasse auch gewesen sein mag. Daher ist es nur logisch, wenn in normalen Zeiten, das heißt wenn keine Kriegs- oder anderweitige Notwirtschaft herrscht, Gold durch eine oder mehrere positive, wertbestimmende Größen ersetzt wird.

Zu den positiven Größen muß man in erster Reihe das gesamte Sozialprodukt rechnen, das heißt alle Waren und Dienstleistungen (daher auch die steigende Bedeutung und Verwendung des Begriffes Bruttosozialprodukt seit der Abschaffung der Goldkonvertibilität), weitere psychologische Faktoren, wie etwa das Vertrauen, aber auch Werte, die aus der Vergangenheit stammen – wie etwa ersparte Rücklagen.

Die Stärke der D-Mark scheint aus einem glücklichen Zusammenlaufen dieser Faktoren zu stammen. Die letzten Jahrzehnte waren durch ein konstantes Wachsen des Bruttosozialprodukts gekennzeichnet, "made in Germany" war eine Vertrauensmarke, die Deutschland, pro Kopf gerechnet, zu einem größeren Exportland als Japan werden ließ. Und aus diesen Jahrzehnten stammt die wahrscheinlich wichtigste Quelle der Stärke – das zusammengesparte Vermögen der Deutschen. Kein anderes zukünftiges Mitglied der Währungsunion hat (in absoluten Zahlen) Vergleichbares vorzuzeigen. Hier liegt aber auch die Ursache, die die Stärke des Euro nicht mit der Stärke der D-Mark identisch werden lassen wird – trotz allem Zweckoptimismus des Bundeskanzlers, des Finanzministers und sogar des Bundesbankpräsidenten.

Wissenschaftliche Untersuchungen über den Zusammenhang von Währungshärte und Sparvermögen sind bisher in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden, aber der gesunde Menschenverstand diktiert die Erkenntnis, daß hier eine grundsätzlich bestimmende Beziehung existiert. Und da in der Finanzwelt Naturgesetze genau so wenig suspendiert sind wie anderorts, ist davon auszugehen, daß bei kommunizierenden Gefäßen zwangsweise ein Niveauausgleich stattfinden muß. Das wird auch kein Bußgeld wegen zu hoher Etatverschuldung verhindern können.

Daher die in schlaflosen Nächten entstandene Frage: Wie wird die Differenz zwischen dem Pro-Kopf Zusammengesparten der Deutschen – das zahlenmäßig größte Volk in der Währungsunion – und dem der anderen Mitglieder der Währungsunion eine Schwächung des Euro gegenüber der D-Mark bestimmen? Wie hoch wird der durch die ausgleichende Wertminderung verursachte Verlust im deutschen Sparvermögen ausfallen? Und das vielleicht das Wichtigste: Wie hoch oder wie niedrig liegt die Schmerzschwelle, deren Überschreiten zum Zusammensturz des Euro führen wird?


 
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