© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/97  07. November 1997

 
 
Hessen: Grüne wollen mutikulturelle Wohnanlage einfach wegsprengen
Kurzen Prozeß machen
von Werner Olles

In der südhessischen Kreisstadt Dietzenbach gärt es seit einigen Wochen. Schuld an dem Unmut der alteingessenen Dietzenbacher, die bislang auf ihr idyllisches Städtchen an der Mainschleife recht stolz waren, ist die im "Spessartviertel" am Starkenburgring gelegene Wohnanlage mit dem schönen, aber gänzlich unzutreffenden Namen "Rosenpark".

Ende der sechziger Jahre gebaut, entwickelte sich der "Rosenpark" schon nach wenigen Jahren zu einem sogenannten sozialen Brennpunkt. Aus dem Siedlungsschwerpunkt und Entwicklungsbereich Starkenburgring, einer im Bauherrenmodell finanzierten Hochhaussiedlung mit fünf riesigen Wohnblöcken mit bis zu siebzehn Stockwerken, wurde so ein Paradebeispiel dafür, wie sozialer Wohnungsbau gerade nicht aussehen sollte.

Knapp 5.000 Menschen leben hier heute auf engstem Raum in einem völlig heruntergekommenen Wohnumfeld. Fast 300 Familien beziehen Unterhaltshilfe vom Sozialamt. Etwa 93 Prozent der Bewohner kommen aus insgesamt 80 Nationen, mit rund sieben Prozent sind die Deutschen hoffnungslos in der Minderzahl. Das Areal "Rosenpark" ist weithin polizeibekannt für Jugenddelinquenz, Vandalismus, Verwahrlosung, Gewalt- und Bandenkriminalität. Kaum ein Tag vergeht, an dem die Ordnungshüter hier nicht einschreiten müssen, um kriminelle Handlungen zu verhindern oder aufzuklären.

Notwendige Sanierungsmaßnahmen, die dringend erforderlich sind, um die schlimmsten Mängel und Auswüchse dieses bedrückenden Wohnbereiches wenigstens etwas zu lindern, beziffern die verantwortlichen Stadtväter Dietzenbachs auf über 30 Millionen Mark. Angesichts gähnend leerer Stadtkassen will man es stattdessen mit einem "koordinierenden Quartiersmanagement" – was immer dies in Praxis auch bedeuten mag – bewenden lassen, nachdem eine kurzfristige Umbenennung des übel beleumdeten Starkenburgrings in Laufacher Straße offenbar nicht den gewünschten Erfolg hatte.

In dieser ziemlich trostlosen Situation sind jetzt die Dietzenbacher Grünen mit einem wirklich originellen Vorschlag an die Öffentlichkeit getreten. Realistischerweise haben sie die Hoffnung, den "Rosenpark" sanieren zu können, ganz aufgegeben. Selbstkritisch bekennen sie nun ihre Mitschuld an den dort herrschenden unerträglichen Zuständen, merken allerdings an, die Problematik in ihrer vollen Tragweite und Schärfe so nicht erwartet und die sich immer negativer entwickelnde Lage wohl doch unterschätzt zu haben.

Als Radikallösung empfehlen die Grünen den Abriß der gesamten multikulturellen Wohnanlage mit dem Argment, dergleichen sei in den USA durchaus üblich, wenn alle Versuche der Verbesserung und Bereinigung der Situation nichts mehr bringen würden.

Tatsächlich haben die Dietzenbacher Super-Realos mit diesem Vorschlag den Nagel auf den Kopf getroffen. Wenn multikultureller Alltag nicht mehr so reibungslos fnktioniert, wie es sich seine begeisterten Anhänger in ihren Träumen immer vorgestellt haben – und dafür spricht ja nicht nur im Dietzenbacher "Rosenpark" einiges – plädieren im Zweifelsfall selbst eingeschworene Menschheitsbeglücker dafür, kurzen Prozeß zu machen und den Schandfleck einfach wegzusprengen. Damit wäre dann auch der ästhetischen Befindlichkeit der grünen Klientel – die in Dietzenbach an der Mainschleife naturgemäß eine andere ist als im Frankfurter Nordend – Genüge getan. Noch besser wäre es freilich gewesen, wenn man sich schon früher ein paar Gedanken darüber gemacht hätte, warum solche Projekte – anders als am grünen Tisch – im Alltag nicht funktionieren können.


 
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