© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/97  14. November 1997

 
 
Institut für Auslandsbeziehungen: Phillipp Jenninger zog Kandidatur für Präsidentenamt zurück
Trügerische Ruhe nach dem Sturm
Von Martin Schmidt

Es ist schon vertrackt: Auf wen es die linksliberale Journaille einmal so richtig abgesehen hat, den läßt sie nicht mehr los – ein ganzes Leben lang.

Zuletzt mußte diese bittere Erfahrung der zwischen 1984 und 1988 amtierende Ex-Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) machen, der wegen der ebenso böswilligen wie lächerlichen Affäre um seine Rede zum 50. Jahrestag der "Reichskristallnacht" 1988 seinen Sessel in Bonn hatte räumen müssen und der an diesem Montag zum neuen Chef des Instituts für Auslandsbeziehungen (IfA) gewählt werden wollte. Doch daraus wurde nichts. Die Mitgliederversammlung in Stuttgart, dem Sitz des traditionsreichen Kulturinstituts, bestimmte zwar ein neues Präsidium, aber die geplante Neubesetzung des Präsidentenamtes mußte aufgeschoben werden, weil der auserkorene Jenninger zu Beginn der Sitzung seine Kandidatur zurückzog. Ein neuer Anlauf mit einem anderen Bewerber ist nun für Anfang 1998 vorgesehen.

Dem früheren Bundestagsabgeordneten Jenninger, der von 1991 bis 1995 als Botschafter in Wien und danach bis zu seiner Pensionierung 1996 als Gesandter im Vatikan tätig war, wurde neben seiner angeblich "skandalösen" Rede als Bundestagspräsident vor allem eine Episode aus dem Jahr 1976 vorgeworfen. Damals entfernte Jenninger, seines Zeichens Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, während einer Bonner Ausstellung mit Werken des pseudo-kritischen Heidelberger Agitpropkünstlers Klaus Staeck zwei Chile-Plakate. Dieser Vorfall veranlaßte nun – über zwanzig Jahre später – nicht nur die SPD im baden-württembergischen Landtag sowie den Grünen-Politiker Rezzo Schlauch, der bis dato im IfA-Aufsichtsrat vertreten war, zu der Forderung, die Wahl Jenningers "zu verhindern". Selbst die FAZ bezeichnete den christdemokratischen Politiker wegen mangelnder "Offenheit" und "Toleranz" als ungeeignet für die Leitung des Kulturinstituts.

Der solcherart ins demokratische Abseits Gestellte gab dem "Kesseltreiben" und der "Hetze" nach, um, wie er betonte, weitere Diskussionen um seine Person zu vermeiden und etwaige Beeinträchtigungen für die Arbeit des IfA zu verhindern.

Während der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) infolge finanzieller Unstimmigkeiten in den zurückliegenden Jahren zu einer äußerst beliebten Zielscheibe deutscher Linksmedien geworden ist, gingen diese mit dem Institut für Auslandsbeziehungen wesentlich glimpflicher um. Dabei hätte die "Daweke-Affäre" um den inzwischen abgesetzten letzten Chef des IfA bei entsprechendem Willen genügend Kritikpunkte geliefert.

Das Stuttgarter Institut am Charlottenplatz ist am 10. Januar 1917 unter dem Namen Deutsches Ausland Institut (DAI) eröffnet worden und weist sehr ähnliche ideelle Wurzeln wie der VDA auf: Beiden ging es vornehmlich um die Beschäftigung mit auslandsdeutschen Volksgruppen und damit auch um deren Förderung. Das DAI widmete sich in der Zwischenkriegszeit in seinen wissenschaftlichen Schriften ganz besonders den Deutschen in Ungarn, Rumänien und Jugoslawien. Von Bedeutung waren aber auch deutsche Staatsangehörige im Ausland allgemein sowie die Baltendeutschen, die verschiedenen rußlanddeutschen Siedlungsgebiete und die Landsleute in Südamerika.

Diese Inhalte finden sich in dem ganz der Auslandskunde und dem zwischenstaatlichen Kultur- und Wissensaustausch (Ausstellungen, Seminare, Stipendienvergabe, Deutschkurse für Ausländer, Herausgabe der Zeitschrift Kultur Austausch u. a.) zugewandten heutigen IfA nur noch am Rande wieder – insbesondere in dem reichhaltigen Zeitschriftenarchiv mit Hunderten Titeln auslandsdeutscher Presseerzeugnisse der Vergangenheit und Gegenwart. Die auslandskundliche Spezialbibliothek des Instituts (mit zugehöriger Fotothek) ist die größte ihrer Art im gesamten deutschsprachigen Raum. Der IfA-Vorstand spiegelt das gesamte etablierte bundesdeutsche Parteienspektrum wider und zählte in der Vergangenheit beispielsweise den früheren ÖTV-Vorsitzenden Heinz Kluncker zu seinen Mitgliedern.

Die äußerst nebulösen Vorwürfe rund um die Person des ehemaligen IfA-Generalsekretärs Klaus Daweke sind bis heute nicht vollständig geklärt. Gegen Daweke, einst CDU-Bundestagsabgeordneter und seit 1990 Leiter des Kulturinstituts, wurden seit Dezember 1995 drei gravierende Vorwürfe erhoben: Veruntreuung von Geldern, Günstlingswirtschaft und "sexuelle Beleidigung" eines Praktikanten. Doch Anfang März dieses Jahres ließ die Stuttgarter Staatsanwaltschaft abschließend wissen, daß das Verfahren gegen den gekündigten und Ende August letzten Jahres aus dem Amt geschiedenen Daweke eingestellt sei. Keine der ihm zur Last gelegten Vorwürfe hätte sich als "strafrechtlich relevant" erwiesen. Weder bei der Abwicklung von Dienstreisen noch bei der Vergütung von Überstunden sei eine Veruntreuung festgestellt worden, allenfalls eine "teilweise sehr großzügige Ausgabenpolitik". Nicht justitiabel sei auch das behauptete Sittlichkeitsvergehen, dem der Beschuldigte stets besonders energisch widersprach. Offenbar spielten bei den Vorwürfen gegen den als "schwierig" geltenden IfA-Chef auch persönliche Animositäten eine Rolle, wobei Daweke in die internen Auseinandersetzungen mit Teilen des Vorstandes und des Verwaltungsrates auch einflußreiche politische Freunde in Bonn einschaltete – ohne Erfolg.

Damals konnten die rund siebzig Beschäftigten des IfA kräftig durchatmen, da ein möglicher Vorwand für massive staatliche Mittelkürzungen mit dem Richterspruch beseitigt wurde. Das Institut hat zuletzt jährlich 23 Millionen Mark vom Auswärtigen Amt, 1,3 Millionen Mark vom Land Baden-Württemberg und 600.000 Mark von der Stadt Stuttgart erhalten. Auch jetzt können die um ihren Arbeitsplatz besorgten Wissenschaftler wieder aufatmen, denn eine Präsidentschaft Philipp Jenningers hätte zweifellos erneut den zwischenzeitlich von einigen Politikern und Medien diskutierten Plan auf den Tisch gebracht, das IfA gleich ganz aufzulösen und dessen Bestände nach Bonn und Berlin zu übergeben. – Doch angesichts des Bonner Kahlschlags im Bereich der Kulturförderung einerseits und andererseits des latenten ideologischen Mißtrauens der linksliberalen Meinungsführer gegenüber allen Instituitionen, die sich nur im entferntesten mit deutschen Landsleuten in anderen Weltgegenden beschäftigen, dürfte es sich nur um eine Atempause handeln.

 

Nähere Informationen: Institut für Auslandsbeziehungen (IfA), Charlottenplatz 17, 70173 Stuttgart, Tel.: 0711/2225–123, Fax: 0711/2264-346


 
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