© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/97  14. November 1997

 
 
Volksdeutsche: Zank zwischen Laibach und Klagenfurt
Deutsche unbekannt
Andor Pirchner

Die diversen Kärntner Landesfeierlichkeiten im Oktober diesen Jahres waren der Anlaß für die Landesregierung in Klagenfurt, eine Resolution an die Wiener Bundesregierung zu verabschieden, in der einige Kärntner Forderungen deponiert wurden, die Wien vor einer Unterstützung des slowenischen Beitritts in die Europäische Union gegenüber Laibach durchsetzen sollte. Unter anderem auch die Anerkennung der volksdeutschen Minderheit in Slowenien und der Rückgabe volksdeutschen Vermögens. Bislang waren diese Forderungen in erster Linie vom Kärntner Heimatdienst und den Kärntner Freiheitlichen erhoben worden. Nunmehr wurden sie erstmals aus dem Mund des Kärntner Landeshauptmanns laut.

Die slowenischen Reaktionen darauf waren von geradezu skurril chauvinistischen Tönen durchsetzt: Der slowenische Außenminister Friéc meinte: "Eine deutschsprachige Minderheit kenne ich nicht." Im übrigen habe ihm Bundeskanzler Klima bei seinem kürzlichen Besuch in Laibach die Zusicherung gegeben, daß die Schwierigkeiten in den bilateralen Beziehungen zwischen Slowenien und Österreich keinen Einfluß auf die Unterstützung Österreichs für die Einbindung Sloweniens in die Europäische Union haben werden. Dennoch wurde der österreichische Geschäftsträger der Botschaft in Laibach, Martin Pammer, ins Außenministerium zitiert, wo ihm die Unzufriedenheit über die Kärntner Resolution zum Ausdruck gebracht wurde. Diese nütze "weder den gutnachbarlichen Beziehungen zwischen den beiden Staaten noch der Idee des europäischen Zusammenschlusses". Der slowenische Sozialistenführer Boris Pahor sprach von "Erpressung" durch die Kärntner Landesregierung, Vizekanzler Marjan Podobnik von "politischer Druckausübung", wobei die Kärntner Landesregierung als "Provinzpolitiker" (so in der Zeitung Vecer) und als "Extremisten" diffamiert wurde.

 

Slowenien düpiert Kärnten mit chauvinistischen Tönen

Den Vogel abgeschossen hat allerdings der renommierte slowenische Diplomat Ignac Golob, der im Laibacher Dnevik schrieb: "Vielleicht müßte man daran erinnern, daß im kommenden Frühjahr 60 Jahre vergangen sein werden, seit der österreichische Wahlkörper bei einer Volksabstimmung Österreichs an das Dritte Reich eine 90prozentige Unterstützung gegeben hat. Mit diesem hohen Prozentsatz hat das damalige Österreich dem Staat der institutionalisierten Gewalt, des Rassismus, der Diktatur und nicht zuletzt dem Programm für die Vernichtung des Slowenentums und der Zugehörigkeit zum größten Stammesstaat in der Welt den Vorzug gegeben … All das ist im Geiste und in der Bestimmung des Österreichischen Staatsvertrages aus dem Jahre 1955 erfaßt (…) Österreich möchte diesen Vertrag am liebsten auf dem Schuttabladeplatz der Geschichte werfen (…) In Verbindung mit den Vermögensfragen ist der Absatz 2 des Artikels 27 dieses Vertrages besonders wichtig, der vom österreichischen Vermögen in den alliierten Staaten spricht, und der es Jugoslawien ausdrücklich ermöglicht hat, ohne Entschädigung das österreichische Vermögen zu konfiszieren und einzubehalten, das sich auf dem Territorium Sloweniens befunden hat."

Diese zynische Argumentation, die die Verweigerung von Volksgruppenrechten am Ende des 20. Jahrhunderts mit den politischen Ereignissen von 1938 begründet, ist allerdings keine Einzelmeinung. Selbst Staatspräsident Milan Kucan erklärte kürzlich, daß sich die Österreicher dem Partisanenerlaß mit dem die in Jugoslawien ansässig Gewesenen zum Freiwild erklärt worden waren, selbst zuzuschreiben hätten, weil sie damals – 1938 – mit "mehr als 90 Prozent" für Hitler-Deutschland gestimmt hätten.

Die zwischen Österreich und Slowenien eingesetzte Historikerkommission, welche die Existenz einer volksdeutschen, altösterreichischen Minderheit in Slowenien, insbesondere in der Untersteiermark, prüfen soll, kommt seit Jahren zu keinem Ergebnis. Die volksdeutschen Vereine in Marburg, in Lai-bach und in der Gottschee haben somit weder mit einer Anerkennung durch Laibach nicht mit einer Unterstützung durch Österreich zu rechnen. Jene Altösterreicher deutscher Muttersprache, die über Jahrzehnte in der ehemaligen Tito-kommunistischen Diktatur unterdrückt wurden, können somit auch heute auf keine Gerechtigkeit hoffen. Angesichts dieser Zustände ist die Kärntner Resolution nachgerade ein Dokument unkonventioneller Wahrheitssuche, während die junge slowenische Republik sich mit überzogenem Chauvinismus legitimiert.


 
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