© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/97  21. November 1997

 
 
Medien: Der "Spiegel" freut sich über Wirtschaftliche Probleme der JF
Hamburger Zwangsvorstellung
von Hans-Peter Rissmann

Nicht erst seit dem Erscheinen und Reüssieren des Konkurrenzblattes Focus ist der Nimbus des Hamburger Magazins Spiegel angeschlagen. Die Zeiten, da das rot eingerahmte Blatt wie ein Orakel über die Ereignisse der kommenden Woche gelesen wurde, gehören weitgehend der Vergangenheit an.

Diesen Montag wartete der Spiegel mit einer Geschichte über die junge freiheit auf. Der Bericht soll sich mit dem klassischen Spiegel-Einstieg dramatisch lesen: Die Stimmung "im dritten Stock des Altbaus in Berlin-Wilmersdorf" sei gedrückt , "Bettelbriefe an Leser und Gönner" würden verschickt, noch schlimmer: "Der große publizistische Durchbruch blieb dem Projekt versagt". Ganz kann das nicht stimmen, sonst würde der Spiegel dem Thema nicht eine ganze kostbare Seite widmen.

Kronzeuge der angeblich nahenden wirtschaftlichen Pleite der JF ist ein kürzlich entlassener Mitarbeiter aus dem Vertrieb, der dem JF-Chef Dieter Stein sogar "selbstherrlichen Führungsstil nach Gutsherrenart" vorwirft und nebenbei sinkende Verkaufszahlen als Falschmeldung beisteuert (die verkaufte Auflage der JF steigt in Wahrheit jedes Jahr – nur nicht schnell genug). Gar ein "Klima des Zwanges" und eine "sektenartige Struktur" meint man erkannt zu haben.

Sahnehäubchen der schon vor rund vier Wochen recherchierten und in den Schubladen der Berliner Korrespondenzstelle des Spiegel gut abgehangenen Story ist die Information, gegen Dieter Stein werde "wegen Verdachts der Konkursverschleppung" ermittelt. Diese Nachricht ist nicht mehr so ganz taufrisch. Die Berliner taz hatte bereits im Februar dieses Jahres eine Geschichte unter der Überschrift "junge freiheit vor dem Aus?" fabriziert: "Die Nerven des 29jährigen [Dieter Stein] werden zur Zeit durch ein Ermittlungsverfahren wegen Konkursverschleppung strapaziert". Und das Medienfachblatt journalist tarockte einen Monat später nach, indem es vermeldete, es werde gegen die JF "ermittelt": "Hintergrund ist eine Strafanzeige des ehemaligen zweiten Geschäftsführers Götz Meidinger wegen ‘Konkursverschleppung’. Meidinger mußte das Blatt 1994 nach einem Machtkampf mit Chefredakteur und Geschäftsführer Dieter Stein verlassen." Inzwischen steht das mittlerweile ein Jahr alte Ermittlungsverfahren mangels nennenswerter Erkenntnisse kurz vor der Einstellung.

Bei Medien wie dem Spiegel oder der taz, die vom drohenden "Aus" der JF schon seit ihrem Wochenzeitungs-Start 1994 reden, scheinen weniger Fakten als vielmehr der Wunsch Vater des Gedankens zu sein. Daß sie dabei von enttäuschten Ex-Mitarbeitern der JF unterstützt werden, die sich mit Negativ-Informationen andienen, ist traurig.

Übrigens: Eine Strafanzeige "wegen Konkursverschleppung" kann jeder Bürger jederzeit selbst gegen den Mercedes-Chef Schrempp stellen. Auch dann muß der Staatsanwalt "ermitteln". Und bis ein solches Verfahren eingestellt wird, kann es Wochen und Monate dauern.

Wie kaum eine andere Zeitung in Deutschland informiert die junge freiheit ihre Leser und damit die Öffentlichkeit über ihre oft schwierige wirtschaftliche Lage. Daß diese immer wieder angespannt ist, weil es sich um ein kleines, verlagsunabhängiges Projekt im Aufbau handelt, ist eine bekannte Tatsache, wie auch, daß sie noch stets ihre Rechnungen bezahlt hat. Aber auch, daß die JF ihre Krisen stets nur mit Hilfe ihrer solidarischen Leser gemeistert hat.

Ob diese sich durch Kolportagen beeindrucken lassen, darf bezweifelt werden. Eher ermuntert dies zu einer Haltung "Jetzt erst recht". Das kann die JF bei ihrer derzeitigen Abo-Kampagne auch gut gebrauchen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen