© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/97  28. November 1997

 
 
Parteifinazierung: FDP hat zu Unrecht Millionenbetrag erhalten
Saubere Unschuldsengel
von Thorsten Thaler

Am Ende soll es nur eine "mißverständliche Formulierung" gewesen sein. Auf diese Sprachregelung haben sich, so scheint es, alle politisch Verantwortlichen für den Eklat um die vom Kölner Verwaltungsgericht vorige Woche als unrechtmäßig bezeichnete Auszahlung von 12,4 Millionen Mark aus der Parteienfinanzierung für die FDP verständigt. Und der Sündenbock steht auch schon fest: ein namenloser Referatsleiter aus der Bundestagsverwaltung, der die Liberalen nach allen Regeln der Bürokratie ausgetrickst haben soll. Allein die beiden Hauptbeteiligten, FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), waschen ihre Hände ihre Unschuld.

So stellte sich bis Dienstagabend die Auseinandersetzung um die Auszahlung des Millionenbetrages an die FDP dar, den die Partei nach Auffassung der 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln unter dem Vorsitzenden Richter Gunther Friedrich wegen eines Formfehlers zu Unrecht erhalten hat. Mit seinem Urteil gab das Gericht einer Klage der Republikaner, der Seniorenpartei Graue Panther und des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) statt. Alle drei Parteien mußten in der Vergangenheit wegen ähnlicher Formfehler ebenfalls auf staatliche Zuschüsse verzichten, die Republikaner vor drei Jahren immerhin auf 2,8 Millionen Mark, weil ihr damaliger Schatzmeister Pahl den Antrags-termin bei Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth nicht eingehalten hatte.

Daß die Rechtspartei damals "nur unter größten Schwierigkeiten" die nächsten Wahlkämpfe bestreiten konnte, wie sich ihr Vorsitzender Rolf Schlierer heute erinnert, und in eine "existenzbedrohende Lage" geriet, spielte bei den Rückzahlungsforderungen der Bundestagsverwaltung keine Rolle. Die Parlamentspräsidentin zeigte sich seinerzeit unnachgiebig.

In einer ersten Stellungnahme wertete Parteichef Schlierer das jetzige Urteil als einen "Erfolg für den Rechtsstaat". Das Gericht sei in allen Punkten der Argumentation seiner Partei gefolgt. Nach dieser Entscheidung stelle sich auch die Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit neu. Die Republikaner, die bereits im Dezember vorigen Jahres eine Anzeige wegen des Verdachts der Untreue gegen Rita Süssmuth gestellt hatten, wollen nun erreichen, daß die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen wieder aufnimmt. Schlierer: "Der Versuch von Frau Süssmuth, die FDP einseitig zu bevorteilen, stellt einen klaren Bruch von Verfassungsprinzipien, insbesondere des Rechts auf Chancengleichheit dar. Wer so handelt, mißachtet die Verfassung."

Die Republikaner prüften derzeit, ob weitere rechtliche Schritte gegen Frau Süssmuth einzuleiten seien. Schlierer forderte die Bundestagspräsidentin auf, ihr Amt "umgehend niederzulegen, um eine rasche und vollständige Aufklärung der Affäre zu ermöglichen."

Von einer "Gefälligkeitsentscheidung" zugunsten des Koalitionspartners sprach selbst Klaus Bednarz, der für die ARD-"Tagesthemen" den Vorgang kommentierte. Es bleibe beim Bürger der "bittere Eindruck, daß mit zweierlei Maß gemessen" werde, wenn es um "den Machterhalt der Mächtigen geht".

Am 10. Dezember will das Kölner Verwaltungsgericht endgültig entscheiden, wann und in welcher Form die FDP das Geld zurückzahlen muß.


 
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